Kommentar
Merkel Schweigt
Deutsche Militärflugzeuge sammeln über Syrien Daten über die Stellungen der verschiedenen Kampfverbände und teilen sie mit ihren NATO-Partnern. Auch mit der Türkei. Und was macht diese damit? Kaum war Mitte Februar aus München zu hören, die USA und Russland haben sich auf einen baldigen Waffenstillstand in Syrien geeinigt, beginnt die Regierung Erdoğans mit dem Beschuss kurdischer Stellungen in Syrien. Zur Unterstützung von Gruppen die eindeutig in Verbindung mit Al Kaida stehen. „Unsere“ Verbündeten – meine sind es sicherlich nicht, sondern eher diejenigen der hiesigen Eliten – führen also nun in Syrien ganz offen Krieg gegen die kurdischen Verbände, gegen jene Einheiten, die bisher am effektivsten Widerstand gegen den klerikal-faschistischen IS geleistet haben.
Gegen jene Einheiten, die letztes Jahr zusammen mit der PKK viele Tausend Jesiden aus Schengal gerettet haben, nach dem diese von der irakisch-kurdischen Peschmerga in Stich gelassen wurden. Tausende Jeziden waren nach dem Abzug der Peschmerga, die sich weigerten, den Jeziden wenigstens ihre Waffen zurückzulassen, ermordet, vergewaltigt und versklavt. Die Bundesregierung versprach wenig später den Peschmerga – quasi als Belohnung – militärische Ausrüstung und Zusammenarbeit.
Zu den Kurden in Syrien, zu deren YPG und zum säkularen Bündnis SDF, das diese inzwischen mit arabischen Kräften und Organisationen der christlichen und turkmenischen Minderheiten aufgebaut hat, pflegt sie hingegen ein Nichtverhältnis. Kein Wort der Anerkennung geschweige denn materielle Unterstützung für den Kampf gegen die Sklavenhalter und Massenmörder der IS. Kein Wort zur fortwährenden türkischen Sabotage dieses Kampfes durch selektives schließen der Grenze.
Die türkisch-syrische Grenze ist, spätestens seit das syrisch-kurdische Kobane im Spätsommer 2015 vom IS eingeschlossen wurde, für Hilfslieferungen in die kurdisch-syrischen Gebiete weitgehend verschlossen. Selbst wenn es um Güter zivilen Bedarfs geht. Für islamistische Kämpfer aller Couleur ist sie hingegen kaum existent. Erst am 17. Februar sind mindestens 500 islamistische Kämpfer über die türkische Grenze in eine Zone nordwestlich von Aleppo eingerückt, die von kurdischen und verbündeten Verbänden vom Rest Syriens abgeschnitten wurde. Drei Tage zuvor waren es 350 schwerbewaffneter Kämpfer gewesen, die nun alle samt gegen die kurdischen Autonomiegebiete in Nordsyrien kämpfen werden.
Und was sagt die Bundesregierung? Nichts. Oder fast nichts. Sie beschweigt die türkischen Aggression wie auch die Massaker an mindestens 200 türkisch-kurdischen Zivilisten durch türkisches Militär und türkische Polizei. Gleichzeitig fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Flugverbotszone in Nordsyrien. In dem Augenblick, in dem die türkische Führung immer aggressiver die Konfrontation mit den Kurden und dem russischen Militärs in Nordsyrien sucht, greift Merkel eine alte Forderung Erdoğans auf. Wenn das keine Ermunterung ist. Da fragt sich eigentlich nur noch, ob sie tatsächlich den Krieg mit Russland sucht? Zur Entspannung und zur Zähmung Erdoğans hat die Bundesregierung in den letzten Monaten jedenfalls nichts beigetragen. Ach ja: Mitte Februar stimmten SPD und Unionsparteien im Bundestag geschlossen gegen einen Antrag der Linkspartei, der die Waffenlieferungen an Saudi Arabien, den Unterstützer des IS, der nun selbst in Syrien einmarschieren will, eingestellt sehen wollte. Friedenspolitik ist offensichtlich nicht im „deutschen Interesse“.
(wop)