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Nach über 80 Jahren endlich das Aus für das Kieler „Hindenburgufer“
01. Februar 2014 Nach langem Streit beschloss die Kieler Ratsversammlung am 16. Januar 2014 die Umbenennung des “Hindenburgufer” in “Kiellinie”. Mit den Stimmen von SPD, Grünen, SSW und der Abgeordneten der LINKEN und WIR wurde der frühere Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934) auch von der Liste der Kieler Ehrenbürger gestrichen.
Die Stadt Kiel hat also fast siebzig Jahre gebraucht, um die Entscheidung des Kieler Magistrat vom 9. April 1933 zu revidieren. Dabei gab es in der Vergangenheit mehrfach Vorstöße, den Namen „Hindenburg“ aus dem Kieler Straßenverzeichnis zu verbannen. Parteiinitiativen scheiterten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Umbenennungsplänen ebenso wie protestierende Studenten 1968 oder Friedensaktivisten in den 1980er Jahren. In den zurückliegenden Jahren wurde im Umfeld der Veranstaltungen zur Novemberrevolution der Vorschlag gemacht, das „Hindenburgufer“ in “Karl-Artelt-Ufer” (dem Vorsitzenden des Kieler Soldatenrates) umzubenennen. Im vergangenen Jahr hatte dann die LINKE in der Ratsversammlung erneut die Umbenennung auf die Tagesordnung gesetzt.
Die Stadt Kiel ist nun nach einjähriger Recherchearbeit und im Lichte “einer neuen wissenschaftlichen Betrachtung der Rolle Hindenburgs in der deutschen Geschichte” (so Kulturreferent Rainer Pasternak) zu dem Ergebnis gekommen, den Namen „Hindenburg“ aus dem Stadtbild zu tilgen. Was zur Person Hindenburgs und seines politischen Wirkens an Neuem zu Tage zu fördern wurde, bleibt dem historisch interessiertem Mitbürger dabei schleierhaft. Die Fakten waren seit 80 Jahren bekannt: Im imperialistischen Ersten Weltkrieg bis zum Generalfeldmarschall avanciert, blieb Hindenburg auch nach der Novemberrevolution Chef der konterrevolutionären Heeresleitung und damit verantwortlich für die Aufstellung von Freikorps, die die revolutionären Arbeiter niederkartätschten. 1925 wurde er dann als Kandidat des nationalistischen “Reichsblocks” zum Reichspräsidenten gewählt. In dieser Funktion kam er am 30.1.1933 den Forderungen der aggressivsten Kreise der Großkonzerne und Junker nach und ernannte Hitler zum Reichskanzler. In der Folgezeit identifizierte sich Hindenburg ausdrücklich mit der faschistischen Diktatur und trug maßgeblich zu deren Festigung bei (“Tag von Potsdam”, Ermächtigungsgesetz).
Angeregt von der Debatte um „Hindenburg“ prüft die Stadtverwaltung derzeit nach Angaben von Pasternak alle mehr als 1000 Kieler Straßen auf möglicherweise belastete Namensgeber. Vor gut einem Jahr war bereits in Kiel-Friedrichsort die Frenssenstraße (benannt nach einem Nazi-Schriftsteller) in Ringelnatzstraße/Gudegastkoppel umbenannt worden. Es bleibt aber weiterhin viel zu tun.
Im Kieler Stadtbild harren noch eine ganze Reihe kolonialistische und militaristische Namensgeber einer Umbenennung. Und in Kiel-Elmschenhagen wurde eine ganze Siedlung nach der 1934 erfolgten faschistischen Einverleibung des tschechischen Sudetenlandes mit deren Ortsnamen geschmückt. So gibt es dort heute noch eine Reichenberger Allee (der Ort heißt seit fast 70 Jahren Liberec) oder eine Troppauer Straße (der Ort heißt heute Opava), um nur zwei Beispiele zu nennen.
P.S.: Und wann wollen endlich die Landesregierung und die im Landtag vertretenen Parteien die Initiative ergreifen, den Hindenburgdamm nach Sylt umzubenennen?
(gst)