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Griechenland:

Europa verändern

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01. März 2015 Schluss mit dem EU-Diktat gegenüber Griechenland! Verändern wir Europa - Griechenland kann der Anfang sein!” Unter dieser Losung hatte das Kieler Griechenland-Solidaritätskomitee am Freitag, dem 20.Februar zu einer Kundgebung mit anschließender Demo aufgerufen. Anlass war das am gleichen Tag in Brüssel stattfindende Eurogruppen-Treffen um das Kreditprogramm für Griechenland und die umstrittenen Kürzungsauflagen der Troika.

Zynisch und knallhart versuchen europäische Regierungen unter deutscher Führung ihre unsozialen und wirtschaftlich widersinnigen Bedingungen gegenüber der neu gewählten griechischen Regierung durchzusetzen. Dabei geht es aktuell nicht um eine irgendwie geartet ökonomische Logik, sondern um reine Strafmaßnahmen. Vor den Augen aller Europäer soll ein Exempel statuiert werden. Die zentrale Botschaft lautet: "Wagt es nicht, unsere Umverteilung von unten nach oben in Europa in Frage zu stellen. Linke Alternativen sind zum Scheitern verurteilt."  

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Der Kampf der griechischen Regierung gegen die Arbeitslosigkeit und Verarmung ihrer Bevölkerung geht uns daher alle an. Über 100 KielerInnen hatten bereits am 11. und 12. Februar auf zwei Veranstaltungen ihre Solidarität mit der neuen griechischen Regierung bekundet. Am 11.2. fand in Kiel wie in über 230 Orten Deutschlands die Premiere des Films: "Wer rettet wen? - Die Krise als Geschäftsmodell auf Kosten von Demokratie und sozialer Sicherheit" statt. Der Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz zeigt eindrucksvoll die Logik, die sozialen Folgen und die Profiteure der sog. "Rettungsprogramme" der EU. Gerettet wurden nicht die Griechen, die Spanier und die Portugiesen – gerettet wurden die privaten Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Vor allem zeigt der Film aber auch, dass es sie gibt, die Alternativen. Den Banken gefallen sie nicht natürlich, doch sie sind im Interesse aller anderer!

Am darauf folgenden Tag fand eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zur aktuellen Situation in Griechenland nach den Wahlen statt. Thrassyvoulos Papadopoulos vom Kieler Solidartätskomitee konnte aus unmittelbarer eigener Anschauung über die aktuellen Ereignisse berichten. Als guter Kenner der politischen und sozialen Verhältnisse informierte er - neben einer knappen Schilderung der katastrophalen griechischen Lebenssituation der übergroßen Mehrheit der griechischen Bevölkerung als Ergebnis der Troika-Diktate - vor allem über die programmatischen und strategischen Ansätze von SYRIZA als Regierungspartei. Die demonstrative Entschlossenheit, mit der die neue griechische Regierung für ihre Wahlversprechen eintritt und mit der alten Politik bricht, hat aus seinem Erleben auch der außerparlamentarischen Bewegung in Griechenland neuen Schwung gegeben, was u.a. an landesweiten mächtigen Demonstrationen für die neue Regierung zum Ausdruck kommt. Die Privatisierungen sind gestoppt, die Kooperation mit den Troika-Kontrolleuren ist aufgekündigt. Erste Maßnahmen wie die Wiederanhebung des Mindestlohns und die Wiedereinstellung von öffentlich Bediensteten verweisen auf das sozialpolitische Sofortprogramm - andere, wie die Gewährung der Staatsbürgerschaft für Kinder von Migranten sollen in den kommenden Wochen folgen. Nach Auffassung des Referenten ist die gerade die solidarische Haltung gegenüber den MigrantInnen auch Ausdruck dafür, dass der Einfluss vom Koalitionspartner ANEL auf die Politik sehr begrenzt ist. Nach neuesten Umfragen hat das griechische Linksbündnis SYRIZA  seine Zustimmung bei den Wählern deutlich ausgebaut. Danach könnte SYRIZA mit über 45 Prozent der Stimmen rechnen, wenn jetzt gewählt würde. Bei der Parlamentswahl Ende Januar hatte die Partei von Ministerpräsident Alexis Tsipras  36,3 Prozent erreicht. Über 83 Prozent der Befragten finden die Startphase der neuen Regierung positiv.  Neben Fragen zum Umgang mit den EU-Institutionen und Realisierungsmöglichkeiten eines  Schuldenschnitts wurde auch über die mächtigen Kräfte des innergriechischen Widerstands gegen die neue Politik diskutiert. Dies betraf vor allem den Umgang mit Medien, den Polizeikräften und der Armee.

Abschließend stand die Frage, wie unsere Solidarität in Deutschland für den neuen Politikansatz aussehen könnte. In der letzten Woche wurden wir Zeugen, mit welcher Kaltschnäuzigkeit die EU Institutionen – allen voran Bundesfinanzminister Schäuble - den Versuch eines Neuanfangs durch die demokratisch gewählte Regierung Griechenlands abzublocken suchten. Statt einen Weg aus den sozial katastrophalen Folgen der griechischen Krise und der sog. "Rettungsprogramme" zu suchen, beschränkte man sich mit mehr oder weniger freundlicher Mine auf die Funktion knallharter Geldeintreiber und erhöhte sogar noch den Zeitdruck (EZB).

Einhellige Meinung bei den Besuchern beider Veranstaltungen war: Griechenland benötigt dringend unsere Solidarität. Die folgenden Wochen könnten entscheidend sein.  Europaweit – aber gerade auch wir hier „in the Heart of the Beast“ müssen vielfältigen Druck auf die Herrschenden ausüben, die Wahl der Griechinnen und Griechen zu respektieren und die von der EZB und der Troika auferlegten Regeln zu ändern - und Griechenland Zeit zum Luftholen zu lassen. Ziel muss sein, die Austeritätspolitik zu beenden und einen Bruch mit den neoliberalen Grundfesten der EU zu beginnen. In Griechenland, in Spanien, in Portugal... Das bedeutet, die von der griechischen Regierung auf die Tagesordnung gestellten Themen auch hierzulande aufzugreifen und dafür aktiv zu werden:  gegen die Verschuldung der Kommunen mit Schließung kommunaler Einrichtungen, gegen die Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsfürsorge, gegen Lohndumping und  Ausweitung prekärer Beschäftigung. Konkret heißt das: Solidarität üben mit den KollegInnen, die gegenwärtig in den Tarifkämpfen stehen, Beteiligung an den Blockupy-Aktionen am 18. März anlässlich der Eröffnung des Neubaus der EZB in Frankfurt und Beteiligung am Stop-TTIP-Aktiontag am 18. April.

Das Kieler Solikomitee wird darüber hinaus seine materielle Solidarität mit dem Projekt „Die Ameise“ in Athen fortsetzen. Dieses Projekt wurde  im Herbst 2012 gegründet und ist das Solidaritätsnetz der sogenannten 6. Gemeinde in der griechischen Hauptstadt.  Diese Gemeinde liegt am Rande des Zentrums; dort beträgt der Migrantenanteil um die 40%.  Die Mitglieder der „Ameise“ sind die Menschen vor Ort, die glauben, dass nur vereint und solidarisch den riesigen Problemen begegnet werden kann, die von der Krise herrühren.

Allein auf den beiden Veranstaltungen wurden über 300 Euro an Spenden für „Die Ameise“  gesammelt, sodass bisher schon über 2.000 Euro an das Projekt überwiesen werden konnten.       

                      (gst)