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Ver.di: Mit dezentralen Streiks zum Erfolg
Ansehnliche Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst - leider trübt die Laufzeitlänge die Bilanz
1.Mai in Kiel Bild: gst
01. Juni 2018 Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di Nord) wertet das Tarifergebnis mit einem Gesamtvolumen von 7,5 Prozent als eine „echte Stärkung des öffentlichen Dienstes und Steigerung seiner Attraktivität“. Die Vereinbarung bringt den Beschäftigten von Bund und Kommunen über die Laufzeit von 30 Monaten Erhöhungen der Einkommen von über sieben Prozent, bei den Einstiegsgehältern zum Teil auch deutlich höher. Für die Entgeltgruppen eins bis sechs gibt es zusätzlich zum 1. März eine Einmalzahlung von 250 Euro, so dass die Gehälter insgesamt dort etwas überproportional steigen. Die Erhöhungen der Tabellenwerte erfolgen in drei Schritten, zum 1. März 2018 rund 3,2 Prozent, zum 1. April 2019 rund 3,1 Prozent und zum 1. März 2020 etwas über ein Prozent.
„Dieser Abschluss wäre nicht möglich gewesen, wenn die Warnstreiks der Kolleginnen und Kollegen in allen Bundesländern, so auch in der letzten Woche in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, nicht so deutliche Signale gesendet hätten. Es hat sich gezeigt, dass es sich lohnt, sich für seine Interessen in einer starken Gewerkschaft zu engagieren. Dieses Ergebnis ist ein klarer Ausdruck gewerkschaftlicher Durchsetzungskraft“, so Susanne Schöttke, Landesleiterin von ver.di Nord.
„Wir haben in den Verhandlungen einen klaren Fokus auf die unteren und mittleren Gehaltsgruppen gelegt, um dort ordentliche Gehaltssprünge zu erreichen. Insbesondere die kommunalen Arbeitgeber wollten dort, wo sie den größten Fachkräftemangel sehen, Einkommensakzente setzen. Der nun vereinbarte Kompromiss nimmt alle Beschäftigten mit und hebt das Gesamteinkommensniveau deutlich an. Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen das nicht gelungen ist, da die kommunalen Arbeitgeber hier gemauert haben,“ so Schöttke weiter.
Es lohnt ein genauerer Blick auf den Abschluss
Bei einem erwarteten Preisanstieg von 1,7% in diesem und 1,9% im nächsten Jahr gibt es einen deutlichen Reallohnzuwachs und bei einem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsanstieg von jährlich ca. 1% auch eine Ausschöpfung des verteilungsneutralen Spielraums. Wie beim Tarifabschluss der IG Metall gibt es gesamtwirtschaftlich eine geringfügige Umverteilung von oben nach unten und zumindest für den tarifvertraglich abgesicherten Bereich eine Erhöhung der Lohnquote. Für 2020 lassen sich noch keine halbwegs verlässlichen Aussagen treffen. Hier zeigt sich das Dilemma langer Laufzeiten.
Deshalb gibt es regelmäßig die Forderung, bei der Laufzeit von Tarifverträgen nicht über zwölf Monate hinauszugehen; mit 30 Monaten liegt die Laufzeit dieses Abschlusses sogar noch über der des IG Metall-Abschlusses (27 Monate).
Neben allgemeinen Entgelterhöhungen wurden weitere Punkte verhandelt, die in nicht gekündigten Tarifverträgen stehen und daher auch nicht streikfähig waren. Hier war ver.di auf ein Entgegenkommen der Arbeitgeber angewiesen. Diese Punkte sind z.T. sehr weitgehend und folgenreich: • Jahressonderzahlung Ost wird in Schritten an die Beträge West angeglichen, • Fortführung der ausgelaufenen Altersteilzeitregelung, • Azubis: 1 Tag Urlaub mehr, Weiterführung der ausgelaufenen Übernahmeregelung, Einbeziehung von weiteren Ausbildungen im Gesundheits- und Erziehungswesen (Pia) in die Ausbildungstarifverträge (damit Anrecht auf Ausbildungsvergütungen), • Krankenhäuser: Erhöhung der Nachtzuschläge, drei zusätzliche Urlaubstage bei Wechselschicht.
Die finanziellen Auswirkungen dieser weiteren Ergebnisse sind noch nicht bezifferbar, erhöhen aber in der Gesamtheit den ÖD-Abschluss deutlich. Nicht durchgesetzt hat sich ver.di mit der Forderung nach einem Mindesterhöhungsbetrag. Eine soziale Komponente war bei der Forderungsdiskussion und auch während des Streiks ein zentraler Punkt und für die gute Mobilisierung besonders wichtig. Mitgliedschaft und Tarifkommission waren sich einig: Ohne deutliche soziale Komponente kein Abschluss. Die auch im Öffentlichen Dienst gefühlte Spaltung sollte sich nicht weiter vertiefen, vielmehr sollte ein Zeichen der Solidarität gesetzt werden.
Die Streiktaktik von ver.di mit zwei Warnstreikwellen und einer deutlichen Eskalation in der zweiten Stufe hat sich ausgezahlt. Zur guten Mobilisierung beigetragen hat auch die Weigerung der Arbeitgeber, bis zur letzten Verhandlungsrunde überhaupt ein Angebot vorzulegen. Offensichtlich wollten sie erst einmal abwarten, wie mobilisierungsfähig ver.di sei.
Auch eine neue Streikform war erfolgreich. Statt wie in den letzten Verhandlungsrunden landesweit zu zentralen Massenkundgebungen aufzurufen, hat ver.di auf dezentrale Streiks in einzelnen Einrichtungen und Versammlungen auch in kleineren Städten gesetzt.
Organisatorisch aufwendiger, hat die dezentrale Streikführung nicht nur zu direkterer Beteiligung, sondern auch zu deutlichen Mitgliederzuwächsen geführt.
gst;
zusammenstellt aus ver.di-Nord Presseerklärung und einer Anayse von Günter Busch(bis 2014 stellvertretender Landesbezirksleiter des ver.di-Bezirks BadenWürttemberg)