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Rüstung in Kiel:
Kriegsschiffbau – ein todsicher florierendes Geschäft
Mit der Schlagzeile „TKMS arbeitet weiter - Corona kann U-Bootbau nicht stoppen“ machten die Kieler Nachrichten am 1.4.2020 auf einen noch aktiven Produktionsbereich in Kiel aufmerksam. Manch eine/r dachte wohl zunächst an einen Aprilscherz. Doch, so die KN weiter: „Die Lage auf den deutschen Werften ist aufgrund der Corona-Krise angespannt. Fast alle Werften haben Kurzarbeit angemeldet und die Produktion heruntergefahren. Bei Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) in Kiel-Gaarden allerdings wird in drei Schichten rund um die Uhr weitergearbeitet.“
Das sollte wohl die Kieler Bevölkerung beruhigen, denn immer noch gelten die Werften als eine der wichtigen Industriezweige in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt.
Gleichzeitig hatte die German Naval Yards Kiel (GNYK) ab dem April Kurzarbeit angemeldet und Teile des Betriebs, wie die Werkstätten sowie die Fertigung und damit die Arbeiten an und in den Schiffen, geschlossen.
Ein Grund für die Fortführung des Betriebs auf der TKMS wurde am 9.4. deutlich: Das dritte von vier U-Booten wurde an den Oberbefehlshaber der ägyptischen Marine, Vizeadmiral Ahmed übergeben. Laut Angaben der „Kieler Nachrichten“ sollen alle vier Boote rund eine Milliarde Euro einbringen.
Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen auf der Werft erfolgte die Übergabe ohne Zeremonie im engsten Kreis der Projektverantwortlichen, so die TKMS.
Doch Kieler Aktivist*innen ließen das U-Boot nicht ohne öffentlichen Widerspruch vom Stapel. Eine Gruppe hatte sich zur Mittagszeit des 9. April vor dem Haupttor der Werft mit Transparent und Protestschildern versammelt. Sie stellten mit ihrem Protest auch die Frage, ob der U-Boot-Bau in Kiel systemrelevant ist, denn während allerorts die Produktion wegen der Corona-Pandemie runtergefahren wurde, läuft die Werft auf Hochtouren weiter.
Der Protest gegen Rüstungsexporte wächst in der Bevölkerung, die Forderung nach einem Verbot von Waffenexporten wird lauter. Kritisiert wird, dass mit der Auslieferung des U-Bootes an Ägypten außerdem die von Saudi-Arabien geführte Kriegskoalition im Jemen unterstützt wird, zu der auch Ägypten gehört. Deutlich wird hier die Rolle Deutschlands und der TKMS, die an den Toten dieses Krieges verdienen.
Dass die Aktion vor dem Haupttor der TKMS kurz vor Ostern stattgefunden hat, ist ein wichtiger Protest, da in diesem Jahr die Ostermärsche abgesagt wurden und hier aber deutlich wird, wie wichtig auch in Corona-Zeiten die politische Aktion ist.
„Krieg beginnt hier!“ ist nicht nur eine Parole der Friedensbewegten, sondern die Rüstungsindustrie selbst zeigt, dass sie rund um die Uhr den Kriegen in der Welt die Waffen liefert.
Dazu gehört auch das eingefädelte Milliardengeschäft der TKMS mit Brasilien. Eine Werftentochter von Thyssenkrupp soll in Brasilien vier Kriegsschiffe bauen. Der brasilianische Staatskonzern Emgepron wird mit einem dazu gegründeten Konsortium aus Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), der brasilianischen Embraer Defense & Securities sowie der Embraer-Tocher Atech vier Kriegsschiffe bauen. 2025 soll das erste Schiff ausgeliefert werden.
Auch wenn die Produktion mit einem Wert von 1,7 Milliarden Euro nicht in Kiel, sondern in Brasilien stattfindet, wird die TKMS auch hier mit ihrem technischen Know-How, wie es beschrieben wird, mit Wissenstransfer für Kriegsschiffbau verdienen.
Wie eine Randnotiz wirkte da der Hinweis am 10.4.2020 in den Kieler Nachrichten: „Deutsche Marine U-Boot-Krise ist überstanden - Fast zweieinhalb Jahre dauerte die Reparatur. Jetzt bereitet sich „U 35“ auf die Rückkehr in die Marine vor. In dieser Woche kam das U-Boot im Kieler Hafen wieder ins Wasser. Die Werft Thyssen Krupp Marine Systems hatte das Boot repariert.“
Noch vor wenigen Jahren wurde das „Werftensterben in Deutschland“ beklagt und negative Auswirkungen auf die norddeutsche Wirtschaft insgesamt erwartet. In dieser Situation fusionierte die HDW-Kiel im Jahr 2005 mit Thyssen-Krupp Marine Systems. Dies und der noch stärkere Ausbau der Rüstungsproduktion, die HDW war immer Werft für Kriegsschiffbau, wurde den Beschäftigten auf den Werften und der Bevölkerung als Mittel gegen den Abbau von Arbeitsplätzen „verkauft“. Die TKMS gliederte 2005 den zivilen Überwasserschiffbau aus. 2011 wurde dieser Teil dann von „Abu Dhabi Mar“ übernommen. Da die israelische Regierung an diesen Teil der Werft vier Korvettenschiffe in Auftrag gegeben hatte und sich an dem arabischen Namen störte, wurde die Werft 2015 in German Naval Yards umbenannt. Gleichzeitig war dies der Start für das Ende des zivilen Schiffbaus.
Arbeitsplätze hat dies alles nicht gerettet. Bei der Thyssen-Krupp Marine Systems ist die Zahl von 6.024 Beschäftigten im Jahr 2006 auf 3.441 Beschäftigten in 2019 gesunken. Die German Naval Yards hatte 2015 noch 964 Beschäftigte, in 2019 waren es 915. (Zahlen lt. Statista)
Kein Geheimnis ist, dass die Bundesregierung Deutschland den Export von U-Booten mit Kreditzusagen und Kaufsubventionen fördert. Im März 2010 hatte die deutsche Regierung z.B. von Griechenland als Voraussetzung für das Rettungspaket gefordert, zwei U-Boote in Lizenz der HDW für eine Milliarde Euro zu kaufen. Ebenso gehen Rüstungsaufträge der Bundeswehr an die deutschen Werften und sind bereits bei der Auftragsgebung eine sprudelnde Quelle der Finanzierung.
Dass (Rüstungs-)Aufträge für deutsche Werften erwartet werden, machte unlängst die Vergabe eines europäisch ausgeschriebenen Auftrags der Bundeswehr für das Mehrzweckkampfschiff 180 deutlich. Nicht die TKMS hatte den Zuschlag für das 5,3 Milliarden Euro-Projekt erhalten, sondern am 14.Januar 2020 die niederländische Damen-Werft. Dies sorgte für Kritik in Politik und Wirtschaft, insbesondere in Schleswig-Holstein. Die Kieler Wert German Naval Yards (GNYK) hat dagegen, mit Unterstützung der Landesregierung, juristische Schritte eingeleitet.
Die Produktion und der Verkauf von Rüstungsgütern aus Deutschland sollte Anlass sein, die Bewegung gegen Krieg und Militarisierung zu stärken! Gerade im 75. Jahr nach dem Ende des von Deutschen begonnenen Krieges muss die Forderung „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ nicht nur virtuell, sondern konkret, sichtbar und hörbar gestellt werden. Dazu bedarf es unter den Beschränkungen für Veranstaltungen Kreativität und vielleicht auch Mut. Dass dies nicht unmöglich ist, zeigten Aktivitäten zu Ostern und zur Rettung Geflüchteter.
Bettina Jürgensen, marxistische linke