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Haushaltsentwurf 2021:

Kieler Ratsversammlung will starke Investitionen statt Schuldenbremse

Auf der nächsten Ratsversammlung am 10. Dezember 2020 soll der Haushaltsentwurf für 2021 beschlossen werden. Ein Jahresfehlbetrag von rund 57 Mio. Euro ist bereits eingeplant und gehofft wird im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auf eine Unterstützung und Stärkung der Kommunen durch Förderprogramme aus Bund und Land.

Die Stadt will trotz Corona nicht auf dringend nötige Investitionen verzichten, so dass mit rund 139 Mio. EUR die ursprünglich von der Landesregierung beschlossene Schuldenbremse ignoriert wird. „Es wäre falsch, jetzt gegen die Krise einsparen zu wollen!“ so die Meinung des Stadtkämmerers Christian Zierau.
Er ergänzt: „Der im November 2019 von der Ratsversammlung mit großer Mehrheit gefasste Grundsatzbeschluss für eine nachhaltige Finanzwirtschaft schafft die Grundlagen für eine Finanzstrategie mit klaren Schwerpunktsetzungen und Entwicklungspfaden. Dieser Kurs mit moderatem Stellenaufwuchs, mehr Wirksamkeit und starken Investitionen wird sich in der Krise auszahlen.“

Weil der Stadthaushalt 2020 durch allerlei Abschreibungstricks mit einem Überschuss von ca. 1,2 Mio. EUR beschlossen wurde (der endgültige Haushaltsabschluss liegt noch nicht vor), blieb er nach dem überraschend positiven Haushaltsabschluss 2019 genehmigungsfrei. Damit ist es jetzt vorbei. Die Haushaltsabschlüsse der nächsten Jahre werden wieder im Minus sein und damit ist auch der Kieler Haushalt durch die Kommunalaufsicht der Landesregierung zu genehmigen. In der Vergangenheit mussten deshalb geplante Investitionen gekürzt werden und wurden auf 10 Mio. begrenzt. Wichtige Investitionen im Abwasser- und Schulbereich wurden dadurch verzögert.
Die Unterfinanzierung des Stadthaushalts hindern die Stadt schon seit längerem daran notwendige Renovierungen u. a. in Schulen, Schwimmbädern oder Kanalisation durchzuführen. Die Ursache der Unterfinanzierung liegt im wesentlichen in einem zu geringen Gemeindeanteil an den Einkommens- und Umsatzsteuereinnahmen (vom Bund), der zzt. nur bei 13 Prozent liegt.

Hinzu kommen konjunktur- und krisenbedingte Einbrüche bei der Gewerbesteuer und mangelnde Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich (vom Land). Andererseits gibt es mehr Aufgaben für die Kommunen, für die es nur geringen oder keinen Ausgleich vom Bund gibt, wie z. B. Mehraufwendungen durch soziale Leistungen, coronabedingte Aufwendungen im Gesundheitswesen, Kinderbetreuung, Sozialhilfe, Personalausgaben und Flüchtlingsunterbringung.
Zitat aus dem Vorbericht des Haushaltsentwurfs: „Ungeachtet und unabhängig von den Auswirkungen der Corona-Pandemie steht die Landeshauptstadt Kiel – wie auch andere Kommunen – ohnehin schon vor weiter zunehmenden Anforderungen bzw. höheren Aufwendungen. Diese stellen sich insbesondere im Bereich der Personal- sowie Sozialtransferaufwendungen, bei der Kinderbetreuung, im Bereich der sozialen Hilfen und nach wie vor auch in der Betreuung und Integration von Geflüchteten und anerkannten Asylbewerbern dar.“

Höhere Verschuldung eingeplant

Von der Landesregierung gibt es die Vorgabe, dass sich die städtischen Investition jährlich bei etwa max. 10% des Haushaltsvolumes bewegen sollten, was dann rund 115 Mio. Euro wären. Die Stadt plant jetzt insgesamt mit 139 Mio. neuen Krediten und Fördermitteln. So sollen dann die Vermögenswerte der Stadt zukünftig erhalten bleiben.
Für die Stadt bedeutet das dann aber weiter zunehmende Verschuldung, die von 613 Mio. Anfang 2021 bis auf 913 Mio. Euro Ende 2024 steigen soll. Gerechnet wird gleichzeitig mit einen jährlichen Defizit des Stadthaushaltes von ca. 60 Mio., das bis 2024 voraussichtlich auf 423 Mio. Euro steigen wird.
Das Eigenkapital der Stadt (Das städtische Eigentum aller Kieler Bürgerinnen und Bürger – es wurde mit Einführung der Konzernbuchhaltung 2009 einmalig ermittelt und auf 457 Mio. bilanziert.) soll im gleichen Zeitraum von 298 Mio. auf ca. 50 Mio. bis 2024 sinken.
Wenn man die langfristigen Kredite und das Defizit der Stadt Kiel zusammen betrachtet, ergibt sich bis 2024 eine Gesamtverschuldung von 1.335,6 Mio. EUR.
Kurz und knapp zusammengefasst könnte man behaupten, die Stadt gehört den Banken.

Diese Entwicklung und die tatsächliche Verschuldung der Stadt haben wir in den letzten Jahren in der LinX immer wieder versucht offenzulegen, um die Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie die Städte gezielt ausgehungert werden. Siehe zuletzt den Bericht zum Stadthaushalt 2020 in der LinX Ausgabe März 2020: (https://linx01.sozialismus-jetzt.de/component/content/article/62-uncategorised/3443-03-2020-stadthaushalt-kiel-2020.html?Itemid=28)

Ein großer Teil der Städtischen Vermögenswerte, die Stadtwerke Kiel und die kommunale Wohnungsbaugesellschaft, sind ja bereits unter der Regie von OB Gansel privatisiert worden, um den Haushalt zu retten. Genützt hat das wenig, wie man jetzt sieht. Im Gegenteil, gerade gibt es auf dem sozialen Wohnungsmarkt bitter nötigen Nachholbedarf und ein Einfluss der Klimaschutzstadt Kiel auf die Energieversorgung ist kaum noch möglich. Die notwendige Rekommunalisierung der Stadtwerke wurde verpasst, es fehlte das städtische Eigenkapital und der politische Mut.

Was will die Stadt sein: Kinderfreundlich, Klimaschutzstadt, Kreative Stadt, Soziale Stadt

„OB und Kämmerer setzen auf eine breite Unterstützung der Ratsversammlung, um in der Krise ein starkes Signal zu setzen: Zusammenhalt!“, so heißt es in der Pressemitteilung „Investieren gegen die Krise“ des Kieler Stadtkämmerers.

An Mut fehlt es nun anscheinend nicht mehr. Investiert werden soll in Kinderbetreuung, Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur, Klimaschutzmaßnahmen, Bau von Feuer- und Rettungswachen, Modernisierung der Verwaltung (eine „Smart City“, was immer sich dahinter versteckt), Schulbau, Sporthallen und Sanierungen.
Der Weg in der Vergangenheit war oftmals gekennzeichnet durch die Methode: „Lieber verfallen lassen und dann neu bauen“. Insbesondere bei den Schwimmbädern und Schulgebäuden waren die Auswirkungen in Kiel katastrophal. Einiges wurde auch über Privat Publik Partnership durchgeführt, eine besonders vom Bürgermeister Todeskino bevorzugte Methode, die leider alles doppelt so teuer macht, was von der Politik aber besser nicht hinterfragt wurde.

Die größten Investitionen in Kiel

Neuerdings sind Investitionskorridore eingerichtet worden, vielleicht um eine Überschaubarkeit der Entwicklung über die nächsten Jahre zu erleichtern.

Die größten Investitionen nach Korridor
(in Klammern die Gesamtinvestitionen bis 2024):
1. Infrastruktur/Verkehrsflächen: 29,5 Mio. (138,8)
2. Schulen/Sporthallen: 17,9 Mio (97,9)
3. Stadtentwicklung/Städtebau: 16,4 Mio. (110,0)
4. Öffentliche Sicherheit und Ordnung: 12,6 Mio. (39,8)
5. Sozialer Wohnungsbau: 9,4 Mio. (19,7)
6. Kinder/Jugend: 8,1 Mio. (33,4)
7. Kommunalbau: 7,3 Mio. (42,4)
8. Digitalisierung: 5,7 Mio. (26,5)
9. Klimaschutz: 5.0 Mio. (20,4)
10. Tourismus/Wirtschaft/Kultur: 4,8 Mio. (9,9)
11. Sportförderung: 3,1 Mio. (4,6)
12. Öffentl. Grün/Friedhöfe: 2,0 Mio. (10,3)

Die größten Einzelposten 2021:
- Erwerb von Grundstücken (MFG5-Gelände?) (9,0) - Feuerwache Nord (7,8) - Kommunaler Wohnungsbau (7,3) - Sanierung Kieler Schloss (5,5) - Kiellinie (4,0) - Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme (3,5) - Digitalisierung Schulen (3,3)

Kiel Verschuldung Kredite 2024

Grafik: Die Schuldenlage der Stadt Kiel – langfristige Kredite bis 2024
Quelle: Vorbericht Haushaltsentwurf 2021, Seite 30, www.kiel.de/haushalt

Nachhaltige Finanzwirtschaft?

„Nur mit einem nachhaltig angemessenen Investitionsniveau kann der Werterhalt des städtischen Vermögens gesichert und dem umfangreichen Investitions- und Sanierungsstau erfolgreich begegnet werden.
Neben einem angemessenen Investitionsniveau darf aber auch – ungeachtet der besonderen Corona-Situation und Entwicklung – nicht vernachlässigt werden, dass die Kommunen und damit auch die Landeshauptstadt nach wie vor dringend einer auskömmlichen Finanzierung bedürfen. Die Einigung auf den „neuen“ kommunalen Finanzausgleich sowie auf einen Stabilitätspakt sind wichtige und richtige Schritte in diese Richtung.“ Zitat aus dem Haushaltsentwurf.
Die Landesregierung kontrolliert zukünftig den Kieler Haushalt und das nennt sich dann kommunale Selbstverwaltung.

Kommentar:

Es wird wohl allein mit einem Finanzausgleich nicht gelingen, wenn nicht auf Bundesebene eine bessere Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird. Nur über einen höheren Prozentsatz an der Einkommens- und Umsatzsteuer auf mind. 20 Prozent könnte dies erreicht werden.

Die Hoffnung der Kommunen mehr Einnahmen über Steigerung der Gewerbesteuer zu erreichen ist eine Illusion. Gewerbegebiete und Infrastruktur für Gewerbe erfordern erhebliche Investitionen der Kommunen. Die Gewinne werden vor allem auf den globalen Märkten und auf dem Finanzmarkt realisiert. Hier könnte mit einer Finanztransaktionssteuer wie sie schon bei der Gründung von ATTAC gefordert wurde, von mind. 1% das Finanzvolumen für die Kommunen zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger abgeschöpft werden, so dass ausreichend Finanzmittel für die kommunale Daseinsvorsorge zur Verfügung stehen.

(Uwe Stahl)