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25. November 2023 in Berlin:
20.000 gegen den Kriegswahn von Regierung und NATO
Die Demonstration und Kundgebung „NEIN ZU KRIEGEN – Rüstungswahnsinn stoppen!“ am 25. November 2023 in Berlin war mit über 20.000 Teilnehmern ein großer Erfolg. Der Erfolg der Mobilisierung ist umso bemerkenswerter, weil die Friedensbewegung in diesen Zeiten nicht gerade unter günstigen Bedingungen agieren muss. Denn:
1. Mit dem Ukraine-Krieg versuchen der herrschende Block und seine ideologischen Apparate eine Renaissance von deutschem Militarismus und deutschem Großmachtstatus – beschönigend als „Zeitenwende“ bezeichnet – durchzusetzen. Sie wollen den deutschen Imperialismus 3.0. Auch wenn das, wie alle Umfragen belegen, nicht so recht funktioniert, und in der Bevölkerung zumindest eine post-heroische Grundhaltung verbreitet ist, muss Friedenspolitik gegen unglaublichen propagandistischen Gegenwind ankämpfen.
2. Das geschieht in einer Situation, in der vor allem für jüngere Generationen das Thema Krieg – und sei sie auch nur durch die Eltern vermittelt – keine Rolle spielt. Verständlicherweise. Auch Kenntnisse über internationale Konflikte und Krieg, die von der Anti-Raketenbewegung der 1980er Jahre in die Öffentlichkeit getragen wurden, sind nicht mehr vorhanden. Wer unter 50 weiß, was „atomarer Winter“, was „strategisches Gleichgewicht“, „Eskalationsdominanz“ oder „Enthauptungsschlag“ bedeuten? Wer ist mit den Methoden von Feindbildproduktion vertraut, wie sie die im Kalten Krieg Sozialisierten erlebten? Sehr treffend daher der Vorschlag von Wagenknecht an „The last Generation“: „Klebt euch doch mal vor der Airbase Ramstein auf die Straße!“ Klima und Frieden gehören schließlich zusammen.
3. Die Entscheidung für den 25.11.2023 und der Aufruf dazu kamen vor dem Ausbruch des neuen Nahostkriegs. Innenpolitisch hat dieser Krieg den Konformitätsdruck in Richtung Einheitsmeinung noch einmal um eine Größenordnung nach oben gedreht. Im Vergleich zur Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs erscheint das Etikett „Putinversteher“ inzwischen fast schon wieder harmlos. Der neue Krieg hat zusätzliche Spaltungslinien in der gesellschaftlichen Linken hervorgerufen. Derzeit wird auch Fridays for Future mit einem haltlosen Antisemitismusvorwurf gegen Greta Thunberg fertig gemacht. Der (Un)Geist von Rache und Vergeltung, Emotion und Affekt, fernab jeglicher rationaler Analyse und die skrupellose Negation von UNO und Völkerrecht bis in einige Milieus der Linken hinein machen sich in einem Maße breit, dass es einem gruselig werden kann. Wie war das nochmal mit der dünnen Decke der Zivilisiertheit, auf der wir uns bewegen?
4. Die vorgenannten Faktoren hinterlassen natürlich auch ihre Spuren in einigen Teilen der Friedensbewegung. Sie äußern sich in z. T. heftigen Polemiken, an deren Spitze meist die Unterstellung von „Rechtsoffenheit“ steht. Hier dürfte aber der 25.11. endgültig für Klarheit gesorgt haben. Außer der Tür zum Toilettenwagen war hier nichts nach rechts offen. Selbst die Tagesschau, die gegen die Schwarzer-Wagenknecht-Kundgebung noch den Vorreiter beim Rechtsoffen-Geschwurbel gegeben hatte, hat dieses Mal immerhin die klare Orientierung der Veranstalter korrekt zitiert.
Noch in einem anderen Punkt hat der 25.11. für Klarheit gesorgt. Jene in der Friedensbewegung, die geglaubt hatten, mit der Befürwortung von Waffenlieferungen an Kiew und eines ukrainischen Siegs auf dem Schlachtfeld Menschen für Friedenspolitik gewinnen zu können, dürften jetzt gemerkt haben, dass man sich schon deutlicher von Baerbock und NATO abheben muss, um Gehör zu finden. Das hatte z. B. schon die geringe Mobilisierungsfähigkeit des Bündnisses „Stoppt das Töten in der Ukraine“ beim Jahrestag des russischen Einmarschs im Februar gezeigt, und erst recht der völlige Misserfolg im Oktober. Inzwischen haben sich ja einige aus diesen Kreisen auch korrigiert und lehnen Waffenlieferungen jetzt ab. Ein paar faktenresistente Funktionäre, die immer noch auf einen ukrainischen Sieg setzen, sind dagegen endgültig in sektenhafter Bedeutungslosigkeit gelandet.
Neben dem zahlenmäßigen Erfolg ist auch die politische Zusammensetzung der Demo interessant. Es dominierten die blauen Fahnen mit Friedenstauben und die Pace-Regenbogenfahnen, wie sie in lokalen Initiativen verbreitet sind, Das verweist auf eine Verankerung an der Basis. Außerdem gab es viel Fahnen und Transparente von ver.di, IG Metall, GEW und traditioneller Friedensorganisationen wie DfG/VK, VVN, DKP u.ä. Vereinzelt waren auch ein paar Jusos dabei. Da anders als noch bei der Anti-Raketenbewegung der 1980er Jahre heute keine gut geölten Organisationsapparate zur Verfügung stehen und auch der Initiatorenkreis nur ein Zusammenschluss von Einzelpersonen ist, kann die Bedeutung der lokalen Basis garnicht hoch genug geschätzt werden.
Der Erfolg des 25.11. ist natürlich kein Grund, übermütig zu werden. Noch sind Einfluss und politische Breite der Bewegung zu gering. Und das in einer historischen Situation, die ebenso gefährlich wie komplex ist. Eine der Problemlage angemessenen Strategie stellt enorme Anforderungen, auf die es auch neue Antworten zu entwickeln gilt.
Diese erste Auswertung gehört natürlich vertieft und ergänzt, eine genaue Analyse durch die örtlichen Friedensinitiativen von Stärken und Schwächen steht an, um die nächsten Schritte zu gehen.
Auch in Kiel treffen sich Friedensforum, DFG/VK, IPPNW, DKP u. a. um zu beraten, wie die missliche Situation weiterer Kriegsteilnahme, Militarisierung der Gesellschaft, zunehmende Rüstungsproduktion und Waffenlieferungen gestoppt werden kann und Visionen für eine gerechte und friedliche Gesellschaft entwickelt werden können.
(Quelle: Peter Wahl,
attac AG Globalisierung und Krieg, Red. uws)