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Antimilitarismus:

Reichpietsch-Köbis-Friedensfahrt auf der Kieler Förde

 

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01. November 2017 Vor 100 Jahren wurden die Matrosen Albin Köbis und Max Reichpietsch, die sich für ein Ende des Krieges und für die Freilassung inhaftierter Kameraden eingesetzt hatten „wegen kriegsverräterischer Aufstandserregung“ auf Geheiß von deutschem Kaiser und Kapital zum Tode verurteilt und exekutiert. Fünfzehn Monate später dann, im November 1918, kehrten revolutionäre Soldaten und Arbeiter die Gewehre um, stießen den Kaiser vom Thron und waren drauf und dran, den Generälen, Junkern und Konzernherren den Garaus zu machen.

 Am Tag nach der Bundestagswahl erinnerte eine „Reichpietsch-Köbis-Friedensfahrt“ auf der Kieler Förde an die beiden Friedenskämpfer und forderte von einer künftigen Bundesregierung u. a. ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr und ein Verbot von Rüstungsexporten.

An der Spitze der „maritimen Friedens-Demo“ segelte die Gaffelketch „Albin Köbis“, gefolgt von weiteren Traditionsseglern, Kuttern und Jollen. Ziel des etwa 2-stündigen Törns war die Tirpitzmole, an der die Schiffe der Kriegsmarine liegen. Die Seefahrt ging vorbei an der ThyssenKruppRüstungswerft, dem Ostuferhafen, von wo aus die NATO-Einheiten in das Baltikum verschifft werden und dem ehemaligem Kieler U-Boot-Bunker. Mit Friedensfahnen, Transparenten und roten Fahnen „bewaffnet“ bot der Schiffskonvoi ein beeindruckendes Bild auf der Kieler Förde.

Initiiert hatte diese Aktion der AK Novemberrevolution Kiel, bestehend aus Kieler Friedensforum, VVN-BdA, DKP, Interventionistische Linke, Die Linke, Kuhle Wampe, SDAJ und Einzelpersonen.

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1917: Matrosen gegen Fortsetzung des Krieges

Die Nachrichten über den Sturz des Zaren, der Kriegseintritt der USA – verbunden mit einem Friedensplan des US-Präsidenten Wilson auf der einen Seite und andererseits die Ausweitung des Seekrieges durch die deutsche Reichsregierung lösten unter den Matrosen der Kriegsmarine erhebliche Unruhe aus. Zusätzlich zur großen Unzufriedenheit trugen die katastrophale Versorgungslage bei den Matrosen in Verbindung mit zunehmendem militärischen Drill bei.

Wie sich dagegen wehren? Waren den Matrosen ihre traditionellen Interessenvertreter für ihre Sorgen in Form von Gewerkschaftsfunktionären und SPD-Politikern seit 1914 aufgrund deren „Burgfriedenspolitik“ abhanden gekommen, so gab es im Frühjahr des Jahres 1917 mit Gründung der USPD einen neuen Ansprechpartner.

Die von der rechten Mehrheit des SPD-Parteivorstandes eskalierte Disziplinierungspolitik gegenüber der Parteilinken hatte im April zur Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) geführt. Die sich bereits ein Jahr vorher konstituierte „Spartacus-Gruppe“ um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg (die sich beide Anfang 1917 wegen ihrer konsequenten Antikriegspropaganda in Haft befanden) hatte sich unter Wahrung ihrer organisatorischen und politischen Eigenständigkeit der USPD angeschlossen.

Zwischen Vertretern der antimilitaristisch gesinnten Matrosen und USPD-Politikern kam seit dem Frühjahr in den Kriegsmarinehäfen Wilhelmshaven und Kiel wiederholt zu Treffen, um sich über die Stimmung der Matrosen der Kriegsmarine auszutauschen. Daraufhin begannen sich Matrosen schiffsübergreifend Anfang Juli 1917 zu organisieren. Auf einer in Kiel stattgefundenen Zusammenkunft – von Köbis und Reichpietsch einberufen – wurde der „Soldatenbund“ gegründet, der die Friedenspolitik der USPD unter den Mannschaften der Kriegsmarine popularisieren und Widerstandsaktionen auf den Schiffen initiieren sollte.

Köbis und Reichpietsch „wegen vollendeter kriegsverräterischer Aufstandserregung“ erschossen

Im Sommer 1917 kam es auf mehreren Schiffen der Kriegsmarine zu Protestaktionen in Form von sogenannten „Ausmärschen“, dem kurzzeitigen unerlaubten Entfernen vom Schiff während der Dienstzeit.

Das machten am 1. August 1917 auch 49 Matrosen der in Wilhelmshaven vor Anker liegenden „Prinzregent Luitpold“ - und wurden dafür mit harten Arreststrafen belegt. Aus Solidarität mit ihren Kameraden verließen daraufhin am nächsten Tag 600 Mann desselben Schiffes ihren Dienst „als geschlossene Dienstverweigerung“ und hielten an Land eine Versammlung ab. Nach Rückkehr auf das Schiff wurden die angeblichen Rädelsführer verhaftet. Am 25. August 1917 fand der Prozess statt, der mit Todesurteilen für Albin Köbis und Max Reichpietsch „wegen vollendeter kriegsverräterischer Aufstandserregung“ endete. In den frühen Morgenstunden des 5. September 1917 starben sie durch die Kugeln eines Erschießungskommandos auf dem militärischen Übungsplatz in Köln-Wahn. Aus Angst, Soldaten könnten die Erschießung verweigern, teilten die Vorgesetzten dem Exekutionskommando mit, dass sie englische Spione zu erschießen hätten. Über 50 weitere Matrosen der Aktion vom 2. August 1917 ­wurden in weiteren Prozessen zu 400 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Kieler Appell: „Die Ostsee soll ein Meer des Friedens sein“

„Die Ereignisse von damals dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Weil auch heute wieder für Kriege gerüstet wird, wollen wir im Rahmen einer Reichpietsch-Köbis-Friedensfahrt über die Hintergründe und Zusammenhänge informieren und diskutieren,“ hieß es in in dem Aufruf zur Friedensfahrt.

Benno Stahn vom Kieler Friedensforum ging in seiner Rede auf die zunehmende Militarisierung des Ostseeraumes und die Ausdehnung der NATO nach Osten, der Verlagerung von Militärgüter in das Baltikum ein. Das alles erinnere fatal an Kalte-Kriegs-Szenarien. Das Bataillon in Litauen wird von der Bundeswehr geführt. Um die NATO-Russland-Grundakte, die keine dauerhafte Stationierung relevanter NATO-Kampfverbände in den neuen Mitgliedstaaten vorsieht, nicht offen zu brechen, rotieren die Truppen, werden also regelmäßig ausgetauscht. Und eines dieser militärischen Drehkreuze für die Truppentransporte ist der Kieler Hafen.

Deshalb sammelt das Friedensforum unter einem „Kieler Appell – Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein“ Unterschriften, mit dem der Oberbürgermeister und die Ratsversammlung der Stadt aufgefordert werden, sich gegen jegliche Militärtransporte durch Kiel und vom Kieler Hafen auszusprechen.

­Text/fotos: gst