Atommüll-Zwischenlager Brunsbüttel illegal
01. Juli 2013 Noch vor einer Woche wähnten sich Bundesumweltminister Altmaier (CDU) und die Ministerpräsidenten in Sachen Endlager-Suchgesetz und atomarer Zwischenlager auf einem gutem Weg. Gerade freuten sie sich, dass man sich wenigstens auf Zwischenlösungen hatte einigen können, die zumindest den Eindruck erwecken sollten, eine Endlager- Regelung auf den Weg gebracht zu haben. Da holen mit einem Schlag Schleswiger Verwaltungs-Richter mit ihrer Entscheidung, dem Zwischenlager Brunsbüttel an der Unterelbe die Genehmigung zu entziehen, alle auf den Boden der Tatsachen zurück.
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Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig entschied am 19. Juni, die atomrechtliche Genehmigung für die Lagerung von Atommüll-Castoren am AKW Brunsbüttel aufzuheben. Der Vorsitzende Richter Dierk Habermann sprach von mehreren Sicherheits-Defiziten, die das Gericht bewogen, den Genehmigungs-beschluss aufzuheben; unter anderem seien die Risiken eines gezielten Absturzes eines großen Flugzeuges wie des Airbus A380 seinerzeit bei dem Genehmigungsbeschluss ausgeblendet worden. Eine Revision ist zwar nicht zugelassen, doch der Betreiber, die Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH, die zum Vattenfall-Konzern gehört, kann innerhalb eines Monats Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erheben. Scheitert Vattenfall auch damit, sind zwei Szenarien denkbar: Eine neue Genehmigung wird beantragt. Ein solches Verfahren wird nach Expertenmeinung zwei bis drei Jahre dauern. Castoren dürfen während dieser Zeit in Brunsbüttel nicht gelagert werden. Die zweite Möglichkeit wäre, das Zwischenlager ganz aufzugegeben. Diese Entscheidung würde den Plan des Kieler Umweltministers im Zusammenspiel mit der Bundesregierung, in Brunsbüttel einen Teil der 26 Castoren aus den Wiederaufbereitungsanlagen (Sellafield, La Hague) einzulagern, unmöglich machen.
Das Anti-Atombündnis "ausgestrahlt" sieht eine bundesweite Signalwirkung des Urteils. Sprecher Jochen Stay sagte: "Deutschland hat für hochradioaktiven Atommüll praktisch keine legalen Lagerstätten mehr, denn die anderen 16 Hallen für Castoren sind weitgehend baugleich mit dem Zwischenlager Brunsbüttel." Der Bund-Länder-Kompromiss im Rahmen der bundesweiten Atommüll-Endlagersuche sei damit hinfällig. Das für die Reaktorsicherheit zuständige schleswig-holsteinische Umweltministerium will erst einmal das Urteil prüfen. So lange das Urteil nicht rechtskräftig ist, sieht Umweltminister Robert Habeck (Grüne) keine atomrechtliche Konsequenz für die bereits eingelagerten Castoren. Neun Castoren stehen derzeit in Brunsbüttel. Müssen sie jetzt sofort abtransportiert werden? "Was das Urteil für die bereits eingelagerten Castoren bedeutet, wird die Atomaufsicht sorgfältig prüfen", erklärte Habeck. So lange es nicht rechts-kräftig sei, ergebe sich für die Castoren im Zwischenlager keine atomrechtliche Konsequenz. "Im Übrigen wird einmal mehr deutlich, in welch elende Lage uns die Atomkraft geführt hat: Wir produzieren Atommüll und wissen nicht, wohin damit,"so Habeck.
Zu solch einem Seufzer wollte sich Ministerpräsident Albig (SPD) angesichts des Urteils indes nicht hinreißen lassen .Vor Beginn der Landtagssitzung ver- sicherte er, dass der bisherige Atommüll im atomaren Zwischenlager Brunsbüttel bleibt. "Wo soll der Müll denn hin, wir können ihn doch nicht auf die Straße stellen". Zur Forderung der schleswig-holsteinischen Anti-AKW-Bewegung, das Atomkraftwerk Brokdorf sofort stillzulegen, weil nur dann kein weiterer Atommüll produziert wird, ging Albig auf Distanz. Es gebe schließlich einen Zeitplan zum Ausstieg aus der Kernenergie, die Schließung von Brokdorf stehe jetzt nicht zur Debatte, sondern es gehe darum, das Problem der Zwischenlagerung des Atommülls zu lösen. Nach diesem Urteil stellt sich die Frage, was der Kompromiss aus der Vorwoche nun wert ist, wo sich die Ministerpräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung auf Bedingungen für eine Verab-schiedung des Endlager-Suchgesetzes geeinigt hatten. Danach war vorgesehen, dass der Bundestag bis Ende Juni und der Bundesrat am 5. Juli das Gesetz beschließen. Ein zentraler Punkt des Endlager-Suchgesetztes stellt dabei die Verständigung über Zwischenlagerstätten dar. Als Zwischenlageroptionen waren dabei Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und Philippsburg (Baden-Württemberg) genannt worden, als drittes Zwischenlager war Biblis (Hessen) ins Spiel gebracht worden. Mit den AKW-Betreiben sollen nach den Vorstellungen der Bundesregietrung alle Details der Zwischenlagerung bis Anfang 2014 geklärt werden - die Zusatzkosten in womöglich dreistelliger Millionenhöhe für die Unterbringung in anderen Zwischenlagern als Gorleben soll – wer hätte anderes erwartet - der Steuerzahler übernehmen. Das war der Sachstand vor einer Woche. Mit dem Schleswiger Gerichtsurteil sind diese Überlegungen im Grunde genommen mit einem Schlag hinfällig geworden. Die Atompolitik der Bundesregierung(en) steht vor einem Scherbenhaufen. Eine umgehende Konsequenz kann nur lauten, alle AKWs sofort abzuschalten, damit zumindest verhindert wird, dass weiterer Atommüll produziert wird.
Text/foto: gst