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Institut für Weltwirtschaft (IfW)
100 Jahre im Dienste von "Wirtschaft, Wissenschaft
und Wohlbefinden"?
Fotos: gst
01. März 2014 Das offizielle Kiel kommt aus dem Feiern kaum noch heraus. Wurde letztes Jahr der 175 jährigen Gründung der Rüstungswerft HDW mit großem Brimborium (und unter Ausblendung der unrühmlichen Verstrickungen in skandalöse Rüstungsdeals) begangen, so steht jetzt die 100-Jahr-Feier des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) ins Haus.
Seit 100 Jahren berät das malerisch an der Kieler Förde gelegene Wirtschaftsinstitut, das am 22. Februar 1914 vom Staatswissenschaftler Bernhard Harms als „Königliches Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft“ gegründet wurde, die "offizielle deutsche Politik"in ökonomischen Fragen – unabhängig davon, welche Herrschaftsvariante des Kapitals gerade an der Macht ist.
Aus dem IfW ein "Global Institute" zu machen, ist Ziel von Dennis Snower, der das Institut seit 2004 führt.Das Jubiläumslogo zeigt neben Euro- und Dollarzeichen, Windrädern und Aktienkurven vor allem Menschen. Aushängeschilder des IfW sind der seit 2005 jährlich vergebene Weltwirtschaftliche Preis für herausragende Politiker, Ökonomen und Unternehmer sowie das Global Economic Symposium (GES). Letzteres vereint abwechselnd in Schleswig-Holstein und Metropolen wie Istanbul, Rio de Janeiro oder Kuala Lumpur "Global Player" aus aller Welt. "Das ist ein Lösungsforum, kein Diskussionsforum", betont Snower. Das IfW macht nicht nur mit Konjunkturprognosen sowie Subventions- und Forschungsberichten von sich reden – es ist auch eine Kaderschmiede. Viele Teilnehmer des seit 30 Jahren gepflegten Advanced-Studies-Programs haben Schlüsselpositionen in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft inne.
Das anstehende Jubiläum ist Anlass genug, für den derzeitigen IfW-Präsidenten Dennis Snowden, ganzseitig in der FAZ (14.2.2014) unter der blumigen Überschrift "Wirtschaft, Wissenschaft und Wohlbefinden" die Philosophie des Instituts zu erläutern. "Anfangs galt das Augenmerk der Nachfrage, dann dem Angebot, heute richtet sich der Blick auf die Verteilung von Wohlstand und Gerechtigkeitsfragen."
Insbesondere letzteres treibt das IfW um: So gebe es nach Snowden gesellschaftlich unakzeptables Marktversagen und problematische Ungleichheiten - die Kluft zwischen Armen und Reichen - "die weder private noch staatliche Entscheidungsträger von sich aus im notwendigen Umfang beseitigen.(...) Dieses zweifache Versagen könnte uns die Hoffnung nehmen, die wichtigsten globalen Probleme jemals in den Griff zu bekommen." Diesem pessimistischen Umstand entgegen zu wirken gelte das Wirken des IfW. "Wie in der Vergangenheit, so entwickelt sich das Institut für Weltwirtschaft auch heute im Einklang mit den neuesten Einsichten der Wirtschaftswissenschaften und verwandten Disziplinen. Wie ein Mediziner, der gesundheitsfördernde Verhaltensweisen empfiehlt, sieht es sich in der Pflicht, gemeinwohlfördernde Empfehlungen an Regierungen, Wirtschaft und die Gesellschaft zu geben." Das IfW also als Arzt am Krankenbett des globalen Kapitalismus.
Foto: IfW
Zur Illustration zwei Kostproben der zu verabreichenden empfohlenen Medizin des Instituts: Auf einer Podiumsdiskussion im November 2013 über die Zukunft Europas und des Euro an der Kieler Uni, vertrat der Leiter des Prognose-Zentrums des IfW, Joachim Scheide, die Auffassung, dass die gegenwärtigen ökonomischen Probleme in Europa seiner Meinung nach vor allem deshalb vertieft würden, weil die EU und ihre Institutionen “Riesenschritte in die Planwirtschaft” machten. Statt die Troika-Politik immer mehr zu institutionalisieren müsse man die Eigenverantwortung der Mitgliedsländer stärken – was in Konsequenz auch bedeuten könne, Staaten pleite gehen bzw. aus dem Euro-Raum ausscheiden zu lassen. Vehement sprach er sich gegen weitere Rettungsschirme und gegen eine aktive Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Entlastung der südlichen EU-Länder aus. Die Argumente des IfWlers bewegten sich politisch deutlich auf der Linie des Umfeldes der "Alternative für Deutschland" und anderer europäischer “euroskeptischer” und das “nationale Interesse” betonender rechter Parteien.
In einem Gespräch mit der dpa übte Snowden im Dezember 2013 grundsätzliche Kritik an dem wirtschaftspolitischen Kurs, der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition festgeschrieben sei – uns zwar aus marktradikaler Sicht. Die Finanzierung des Renten-, Gesundheits- und Bildungssystem müsse seiner Ansicht nach grundlegend reformiert werden. Der IfW-Präsident bekräftigte seinen Vorschlag, künftig den "Wohlfahrtsstaat" nicht mehr nur über Steuern und gesetzliche Beiträge zu finanzieren. Jeder Bürger sollte zusätzlich mit einem Teil seines Lohnes auf sog."Sozialkonten" für Gesundheit, Rente, Bildung und Ausbildung Guthaben ansparen. Diese könne er dann entsprechend seinen Bedürfnissen nutzen. Im Gegenzug könne man die Steuern dann drastisch senken. Heißt im Klartext: Die letzten Reste der gesetzlichen Sozialversicherung und staatlicher Daseinsfürsorge sollen auf diesem Wege entsorgt werden.
Ein eigenes Kapitel der "Würdigung" der hundertjährigen Geschichte des IfW, würde die Darstellung seines Anteils an der faschistischen Herrschaftspolitik erfordern. Hierzu schweigt sich Snowden in seinem Jubiläumsartikel gänzlich aus.
Nach der Machtübertragung an die Faschisten kämpfte der Institutsgründer Harms noch vergeblich für einige Wochen gegen die Entlassung jüdischer Mitarbeiter. Er selbst – Verfechter der Republik – wurde seines Amtes enthoben. Kurze Zeit hatte Jens Jessen den Posten als Institutsleiter inne, überwarf sich jedoch mit der NS-Führung. Auf Jessen folgte Andreas Predöhl – und mit ihm wurde die Forschung in Kiel vollständig in den Dienst des Nazi-Regimes gestellt. Unter seiner Leitung folgte das IfW einem völkischen Wissenschaftsbegriff, „der Volkswirtschaft als Dienst am ‚Volkskörper‘ begriff.“ So wurde im IfW ab 1939 der Ausrichtung auf den „Großraum“ zentrale Bedeutung zugemessen. Hierbei handelte es sich um eine Konzeption, die sich auf Autonomie und Autarkie Deutschlands bezog und nichts weniger war „als eine wirtschaftswissenschaftliche Grundlegung für ein deutsch beherrschtes Europa“. Bis 1945 fertigte das Institut über 2.000 Geheimgutachten für Wehrmacht, Ministerien, Großbanken und Industrieunternehmen.
Das IfW übernahm ab 1942/43 die führende Rolle in allen Auslandsfragen der Wirtschaftswissenschaften und erhielt das Monopol auf alle kriegswichtigen Forschungsarbeiten für das Feldwirtschaftsamt, das ehemalige Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt. Die Erstellung der Gutachten folgte sowohl kurzfristig aufgrund von aktuellen nationalsozialistischen Expansionsplänen als auch längerfristigen Plänen für eine „Großraumwirtschaft“ in den noch zu erobernden Gebieten und waren damit ein Bestandsteil der NS-Kriegsführung. Gauleiter Hinrich Lohse gratulierte 1939 zum 25jährigen Bestehen des Instituts Predöhl mit den Worten"... gerade ihrer Initiative ist es zu danken, daß die Arbeit mit nationalsozialistischem Geiste erfüllt wurde. War das Institut bis zur Machtübernahme Pflegestätte liberalistischen Denkens, so hat es jetzt als erstes und auch einziges seiner Art den Beweis erbracht, daß die nationalsozialistische Wirtschaft [...] der Forschung weitestes Tätigkeitsfeld bietet.“
In der Nachkriegszeit gab es praktisch keine Selbstkritik geschweige denn Bedauern über das Wirken des Instituts während des Faschismus.
(nach: Frank Omland, Arbeitskreis Asche-Prozeß: Antifaschistische Stadtführungen. Kiel 1933-1945. Stationen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Kiel. Kiel 1998, S.38f.).
Text/foto: gst