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Schritte in die falsche Richtung –

Entpolitisierung des Europawahlprogramms und der Partei

akl

Zum Ausgang des Europaparteitages stellt der AKL-BundessprecherInnen-Rat fest: 

1. Der Europa-Parteitag hat für die LINKE keine guten Beschlüsse gefasst.

In der Mitgliedschaft und auch im Parteivorstand wurden bis unmittelbar vor dem Parteitag zwei Wahlprogrammentwürfe diskutiert. In beiden gab es Ansätze, die grundlegenden Positionen der LINKEN aus dem Erfurter Programm sowie die aktuellen Herausforderungen aus der tiefen Krise des kapitalistischen EU-Projektes aufzugreifen. Der Parteitag wurde dann in beispiellos undemokratischer Weise zu einem Kurswechsel zugunsten einer abstrakten „Pro-Europa-Haltung“ gezwungen. Wir halten dieses Verfahren und auch sein Ergebnis für sehr bedenklich und einen weiteren Schritt in der Entpolitisierung unserer Partei. Die AKL wird es niemals akzeptieren, dass ein beliebiges Interview des Fraktionsvorsitzenden wichtiger sein soll als programmatische und demokratisch erwirkte Parteibeschlüsse. Das Wahlprogramm von Hamburg verlagert die Positionierung der LINKEN: weg von einer Politik der Solidarität mit den Opfern der EU- und besonders der deutschen Regierung und der Mobilisierung gegen die Troika und die europaweite Hartz-IV-Politik; und hin zu einer langweiligen Bekenntnisoper, wonach die LINKE irgendwie ihre Aufgabe darin sieht, das in die tiefste Krise seiner Existenz gestürzte Einheitsprojekt des europäischen Kapitals mit zu gestalten oder gar zu retten. Die deutsche LINKE stellt sich damit an den rechten Rand der europäischen Linken und auch innerhalb der Europäischen Linkspartei (EL), obwohl gerade von ihr eine konsequente und radikale Politik gegen den „Merkelismus“ erwartet wird.

 

2. Die beschlossenen Papiere und gewählten Personen erschweren einen linken, antikapitalistischen Wahlkampf, wie er eigentlich erforderlich wäre und von den Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal usw. auch erwartet wird. Es ist dennoch sinnvoll,vor Ort einen bewegungsorientierten und antikapitalistischen Wahlkampf zu führen – inklusive radikalerer Slogans. Wir müssen uns von Äußerungen bekannter Parteimitglieder distanzieren, die sich lieber in eine Reihe mit den unsäglichen „überzeugten Europäern“ stellen, wie sie in allen anderen pro-kapitalistischen Parteien den Ton angeben, als an die Seite der Streikenden und Protestierenden in vielen Ländern der EU. In Zeiten von zugespitzten Klassenauseinandersetzungen, im existentiellen Überlebenskampf der großen Mehrheit der Menschen in Griechenland oder Portugal sind neutrale und laue Positionen leider Bündnispartner der herrschenden Politik. Wir wünschen uns eine LINKE, die weiß auf welche Seite sie gehört und die die Erwartungen an uns aufgreift und erfüllt.

Selbstverständlich wird die AKL sich am Wahlkampf beteiligen und für ein gutes Ergebnis der LINKEN kämpfen. Aber wer in der zentralen Frage der politischen Tagesordnung von heute kneift und zaudert, der darf sich später nicht beschweren, dass die LINKE mal wieder besonders mit Nichtbeachtung im Wahlkampf bestraft wird.

3. Fraktionsvorstand und die sozialdemokratischen Teile der Partei haben eine Kritik an der Politik der EU, an Markt und Wettbewerb und Militarisierung verhindert. Wo Zuspitzung erforderlich war, ist langweiliger ideologischer Brei präsentiert worden. Wir respektieren diese Beschlüsse, halten sie aber für falsch. Wir respektieren auch die Ergebnisse bei den Wahlen der KandidatInnenliste zum EU-Parlament. Aber wir bedauern sehr, dass gerade die bekannten VertreterInnen einer deutlichen EU-Kritik und einer bewegungsorientierten Politik der LINKEN nicht die genügende Unterstützung fanden. Die personellen Entscheidungen passen zu den inhaltlichen.

Die Beschlüsse von Hamburg haben gleichzeitig die Schleusen zu einer Parteientwicklung geöffnet, die vielleicht bald nicht mehr zu stoppen ist. Das Projekt der Partei Die Linke steht und fällt mit einer lebendigen Pluralität. Gerade die großen Parteikreise, die in alltäglicher Parlamentsarbeit rotieren und voll- oder teilzeitige Berufspolitik betreiben, werden sehr bald merken, dass sie ohne eine breite, radikale und politisch kühne Mitgliedschaft, die in alle Entscheidungen demokratisch einbezogen wird, schnell zu einem Nichts werden. Die wirkliche Mobilisierung der Menschen für ihre Interessen und damit auch der WählerInnen für unsere Partei findet nicht in Pressestudios und Talkshows statt. Über den Hamburger Parteitag lag schon ein Dunstschleier der Selbstgerechtigkeit, der diese lebenswichtige Erkenntnis für linke Parteien vernebelt.

4. Die AKL würde es begrüßen, wenn es zügig zu einem engen Austausch und einer Debatte aller mit diesen Beschlüssen Unzufriedenen kommt. Wir sehen diese Debatte ausdrücklich nicht gegen einen gemeinsamen Europawahlkampf gerichtet, sondern als Voraussetzung gerade dieser gemeinsamen Kampagne. Wir begrüßen es deshalb, dass zahlreiche Debattenbeiträge – auch von bekannten VertreterInnen der AKL – veröffentlicht wurden und werden unsere Seiten und Möglichkeiten dafür weiterhin öffnen.

5. Die AKL würde es begrüßen, wenn die mit dem Ergebnis dieses Parteitages unzufriedenen Genossinnen und Genossen das linke Parteiprojekt nicht aufgeben, sondern sich an einer Stärkung radikaler antikapitalistischer Positionen beteiligen. Wir geben dazu gerne die Möglichkeit und den Rahmen für inhaltliche Diskussionen und Austausch, die Unterstützung außerparlamentarischer Aktionen und die Vorbereitung der nächsten Auseinandersetzungen.

6. Wir hoffen auf eine starke, internationalistische Fraktion im Europaparlament, die sich kritisch zur Politik der EU und der sogenannten Eurorettung aufstellt und mit der antikapitalistische Kräfte aus anderen europäischen Ländern gestärkt werden. Wir vertrauen sehr auf unsere GenossInnen in anderen Ländern der EU, dass sie die Defizite, die sich mit dem Hamburger Parteitag der LINKEN erneut aufgetan haben, verstärkt auszugleichen helfen.