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"Die gewaltigste Revolution in der Weltgeschichte"[1]
Carl Legien - ein Kieler Reichstagsabgeordneter in
Krieg und Revolution 1914 - 1919
In Kiel begann die deutsche Revolution von 1918, die dem Weltkrieg und der Hohenzollernherrschaft ein Ende setzte. Kieler ArbeiterInnen und in Kiel stationierte Soldaten hatten bereits während des Krieges Aktionen gegen schlechte Lebensmittelversorgung, gegen Behördenwillkür, für die Solidarität mit gemaßregelten Kollegen und für den Frieden durchgeführt. Kiel sah mit Gustav Noske den späteren Schlächter der Revolution am Beginn seiner verhängnisvollen Nachkriegs-Tätigkeit. Die "Bitte, wenn irgend möglich, hervorragenden sozialdemokratische Abgeordneten hierherzuschicken, um im Sinne der Vermeidung von Revolution und Revolte zu sprechen", hatte der kaiserliche Gouverneur, Admiral Souchon, am 3.11. nach Berlin telegrafiert;[2] als der kam, stellten ihn die aufständischen Soldaten an die Spitze des Soldatenrats und machten ihn kurz darauf zum Gouverneur. In Kiel gab es den ersten Arbeiterrat bereits Anfang 1918. Gustav Garbe, ein Kieler Metallarbeiter und Gewerkschaftsfunktionär, der zunächst Kriegsbefürworter und Burgfriedenspolitiker war und dem dann die revolutionären Aktionen in Kiel eigentlich viel zu schnell vonstattengingen, wurde als Nachfolger Noskes für kurze Zeit Gouverneur in Schleswig-Holstein. Unser Gewerkschaftshaus diente den ArbeiterInnen und Soldaten vielfach als Versammlungsort. Mit der Versammlung von 250 Matrosen des gerade nach Kiel verlegten III. Geschwaders der Hochseeflotte am Abend des 1. November 1918 begann die Organisierung einer Bewegung, die sich dann aber doch recht spontan und ungeordnet entwickelte und unmittelbar in den revolutionären Aufstand überging. Ihr erstes Ziel war die Befreiung der wegen Meuterei gefangen genommenen Kameraden; sie hatten sich geweigert, zu einem letzten Todeskampf gegen die englische Flotte auszulaufen.
Seit gut 20 Jahren können es PassantInnen auf einer Metalltafel lesen: "In diesem Haus tagte Anfang November 1918 der Kieler Arbeiter- und Soldatenrat. Er gab den Anstoß zur Ausrufung der ersten deutschen Republik am 9. November 1918 in Berlin."
Das ist kurz und knapp und etwas ungenau. In Kiel gab es Soldatenräte und einen Obersten Soldatenrat sowie einen Arbeiterrat. Am 3. November waren Soldaten und ArbeiterInnen, die auf dem Weg zur Arrestanstalt in der Feldstraße waren, um ihre Kameraden zu befreien, in der Karlstraße mit Schüssen empfangen worden. Am 4. November wurde in der Friedrichsorter Torpedo-Division der erste Soldatenrat in der Geschichte der Revolution gebildet, der unabhängige Sozialdemokrat Karl Artelt zum Sprecher bestimmt; am Abend hatten die aufständischen Matrosen die ganze Macht in ihrer Hand. Die arbeitende Bevölkerung trat an die Seite der Matrosen. Am 5. November standen alle Kieler Betriebe einschließlich der Werften still; ein Arbeiterrat wurde eingerichtet aus den Obleuten der Großbetriebe, 14 Vorstandsmitgliedern von SPD und USPD sowie dem Kieler Gewerkschaftsvorsitzenden Gustav Garbe, der zum Vorsitzenden gewählt wurde. Und ihr Handeln, ihre Botschaft, die von Revolutionären ins Land getragen wurde, gab den Anstoß zu Arbeiter- und Soldatenerhebungen zunächst in anderen norddeutschen Städten und dann im ganzen Reich, schließlich auch in Berlin. Dadurch wurde die Ausrufung der ersten deutschen Republik möglich; dass sie "offiziell" von einem Streikbrecher und Kriegsbefürworter ausgerufen werden konnte, ist bezeichnend für diese Revolution; allerdings war sie längst, bevor Scheidemann ans Fenster des Reichstags treten konnte, vieltausendfach auf den Straßen Berlins ausgerufen worden, der Fortbestand der Monarchie war vollkommen unmöglich. Am 9. November, als die Revolution in Berlin siegte, hatten die Ereignisse in Kiel ihren Höhepunkt bereits überschritten, den ArbeiterInnen und Soldaten entglitt die Macht, die sie nicht recht zu nutzen verstanden hatten.
Gustav Garbe
Die Straße, in der unser Haus seit 1907 steht, hieß damals Fährstraße. Die Person, nach der sie heute benannt ist, hatte mit der revolutionären Erhebung gar nichts zu tun und war den Kieler ArbeiterInnen, wenn sie sich während des Krieges zu Demonstrationen und Streiks entschlossen, eher entgegen als zur Seite getreten, obwohl er von ihnen immer wieder in den Reichstag gewählt worden war und dort ihre Interessen zu vertreten hatte : Carl Legien, Vorsitzender der Generalkommission der deutschen Gewerkschaften.
Im April 1923 wurde auf einer gemeinschaftlichen Sitzung der Stadtkollegien in Kiel beschlossen, die Fährstraße in Legienstraße umzutaufen. 1982 griff die Kieler CDU die Anregung des Historikers Karl Dietrich Erdmann auf, eine Straße in Kiel nach Gustav Noske zu benennen. Noske habe ebenso wie Carl Legien "dazu beigetragen, daß die von Kiel ausgehende Revolution im Endergebnis nicht zu einem Rätestaat, sondern über die demokratisch gewählte Nationalversammlung zur parlamentarischen Weimarer Republik führte."[3]Stadtrat Spickhoff beantragte, den in der Nähe des Schlosses, aus dem in den Revolutionstagen der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich, geflohen war, gelegenen Ratsdienergarten in Gustav-Noske-Park umzubenennen. Er fand dafür keine Mehrheit.
Gustav Noske und Carl Legien in einem Atemzug nennen - darf man das überhaupt? - Ja, man darf. Beide hatten mit der Revolution nichts zu tun, beide hatten sie verhindern wollen, beide waren entschiedene Gegner der Rätebewegung, beide haben auf jeweils eigene Art dazu beigetragen, ein Weitertreiben der Revolution über die Grenzen eines parlamentarisch verfassten kapitalistischen Systems zu verhindern.
In einer Kurzbiographie Legiens, die in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Seiten der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung im Internet zu lesen war, heißt es: "Carl Legien (1861-1920) wurde am 1. Dezember 1861 im westpreußischen Marienburg geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern im Waisenhaus aufgewachsen, lernte er das Drechslerhandwerk. Nach Militärdienst und Arbeit als Geselle trat er 1885 der Sozialdemokratischen Partei bei und engagierte sich wenig später auch gewerkschaftlich. 1890 war er Mitbegründer der 'Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands', deren Vorsitz er bis 1919 innehatte und die er durch seine Persönlichkeit maßgeblich prägte. Im Juli des gleichen Jahres wurde L. auch Vorsitzender der straffer organisierten Nachfolgeorganisation, des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). Legien war ein entschiedener Befürworter der Burgfriedenspolitik und verfolgte unerbittlich politisch Andersdenkende." - Bei Kriegsbeginn und während des Krieges hielt sich Legien vor allem in Berlin auf. Auf seine kurzen Abstecher in seinen Wahlkreis werde ich noch zu sprechen kommen.
Gustav Noske - Der sozialdemokratische Schlächter der Revolution
Bevor Noske und Legien den von Erdmann hervorgehobenen Beitrag zur deutschen Geschichte leisten konnten, hatten sie erst einmal dazu beigetragen, die deutschen Arbeiter für die Weltherrschaftspläne des deutschen Großkapitals an die Fronten in "Feindesland" in Marsch zu setzen und für Ruhe an der Heimatfront zu sorgen.
Mit den bemerkenswerten Worten "Wie die Dinge heute liegen‚ hört die Demokratie in den Gewerkschaften auf; jetzt haben die Vorstände auf eigene Faust zu entscheiden, und zwar so, wie sie es vor ihrem Gewissen verantworten können"[4], stellte Carl Legien am 2. August 1914 auf einer Konferenz der gewerkschaftlichen Verbandsvorstände seine Sicht der Dinge klar. Legien hatte schon am Vortage während einer Sitzung der Generalkommission von einem Abgesandten des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg die Zusicherung erhalten, es sei durchaus nicht mit einer Auflösung der Gewerkschaftsorganisationen zu rechnen, da diese dringend vor allem zur Organisierung der Ernte-Einbringung gebraucht würden.
Die Vorständekonferenz bekannte sich einmütig zur Kriegsunterstützung und kam damit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zuvor, die erst zwei Tage später ihre bekannte Erklärung im Reichstag abgab, die Sozialdemokratie lasse in der Stunde der Not das Vaterland nicht im Stich. "Diese Konferenz erwog keinen Schritt gegen den drohenden Krieg. Der Krieg wurde als unabwendbar hingenommen. Jetzt galt es, sich auf den Boden der Tatsachen zu stellen, dazu gehörte auch die Bewilligung der Kriegskredite. Es war aber noch nicht vorauszusehen, wie sich die Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie zu dieser Frage stellen würde. (...) Allgemein rechnete man mit einer großen Arbeitslosigkeit. Deshalb erklärte es die Konferenz für zweckmäßig, alle laufenden Streiks sofort abzubrechen. Kaiser Wilhelm hatte den Burgfrieden noch nicht verkündet, die Vorstände der Gewerkschaften waren ihm zuvorgekommen."[5]
Der Parteivorstand der SPD hatte allerdings bereits am 31. Juli seine Hilflosigkeit angesichts des Krieges im "Vorwärts" dokumentiert: "Der Kriegszustand ist erklärt. (...) Wir werden unserer Sache treu bleiben, werden fest zusammenhalten, durchdrungen von der erhabenen Größe unserer Kulturmission. (...) Unbesonnenheiten, nutzlose und falsch verstandene Opfer schaden in diesem Augenblick (...) unserer Sache. Parteigenossen! Wir fordern Euch auf, auszuharren in der unerschütterlichen Zuversicht, daß die Zukunft trotz alledem dem völkerverbündenden Sozialismus, der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit gehört." Zwei Tage zuvor hatte der Reichskanzler ein Mitglied des Parteivorstandes, den Reichstagsabgeordneten Albert Südekum, zu sich gerufen, um zu erkunden, in wie weit es gelingen würde, die Sozialdemokratie hinter die Fahnen zu bringen. Südekum erklärte ihm, daß "keinerlei wie immer geartete Aktion (General- oder partieller Streik, Sabotage u. dergl.) geplant oder auch nur zu befürchten sei."[6] Im Nachhinein ließ sich Südekum sein Versprechen von einem Teil des Parteivorstandes, darunter Friedrich Ebert, bestätigen, und auch dies teilte er umgehend dem Kanzler mit. So konnte Bethmann-Hollweg am 30. Juli im preußischen Staatsministerium berichten, die allgemeine Stimmung sei in Deutschland gut; auch von der Sozialdemokratie sei "nichts zu befürchten." Ein bisschen Druck konnte allerdings nicht schaden; es wurde für zweckmäßig gehalten, "die schwebenden Verhandlungen, betr. die Strafverfolgung der Redner, welche zum Massenstreik aufgefordert hätten, einstweilen ihren Gang gehen zu lassen." Am 31. Juli ging der gesamten sozialdemokratischen Presse auch ein Rundschreiben Friedrich Stampfers zu, in dem es hieß: "Wenn die verhängnisvolle Stunde schlägt, werden die Arbeiter das Wort einlösen, das von ihren Vertretern für sie abgegeben worden ist. Die vaterlandslosen Gesellen werden ihre Pflicht erfüllen und sich darin von den Patrioten in keiner Weise übertreffen lassen. Unsere Fraktion steht bei der Frage der Bewilligung der Kriegskredite vor einer verantwortungsvollen Entscheidung, die ihr durch keine Diskussion erschwert werden darf."[7] In der Parteipresse erschienen bereits am 1. August Artikel, die Stampfers Vorlage folgten. Die unter der Leitung Eduard Adlers in Kiel erscheinende "Schleswig-Holsteinische Volkszeitung" (VZ) trat ebenfalls dem Lager der "Vaterlandsverteidiger" bei. Am 3. August schrieb Adler u. a.: "Wir werden in all dem Elend einen Trost finden, wenn aus Anlaß dieses Krieges der böse Geist des deutschen Reiches, die russische Regierung, ihr Ende findet..." Am 5. August überschrieb er seinen Leitartikel, quer über die ganze Seite: "Kampf für Kultur und Freiheit!"
Am 2. August schrieb der Reichstagsabgeordnete Ludwig Frank an seinen Freund Wilhelm Kolb: "Am Dienstag tritt der Reichstag zusammen. Ich werde unter allen Umständen durchzusetzen suchen, daß die Fraktion für die Kriegskredite stimmt. Im Notfall die Süddeutschen allein! Es wäre gut, wenn Du darauf vorbereiten würdest durch eine Notiz etwa des Inhalts, - daß jetzt im Augenblick der Gefahr und der nationalen Verteidigung - alle Rücksichten zurücktreten müßten hinter der Notwendigkeit, geschlossen die Grenzen zu schützen und daß selbstverständlich unsere Fraktion die Kriegskredite - bei aller Friedensliebe und Wahrung unserer prinz. Gegnerschaft gegen den Krieg - nicht ablehnen werde. (...) Ich werde die 'Volksstimme' und 'Volkswacht' veranlassen ähnlich zu schreiben."[8] Die Kriegssozialisten waren ohne Bedenken bereit zum Bruch der Parteidisziplin, sollten sie denn in Vorstand und Fraktion nicht die Mehrheit für ihre Anschauungen erhalten.
Der SPD-Abgeordnete Paul Lensch, der sich in den ersten Wochen des Krieges vom radikal tönenden Linken zu einem der radikalsten Rechten in der Partei gewandelt hatte, schrieb dazu im Jahr 1919: "Das Schicksal der deutschen Sozialdemokratie nahm seinen Lauf am 4. August 1914. Daß sie mit der Bewilligung der Kriegskredite sich in den schroffsten Widerspruch mit ihrer eigenen Ideologie setzte, das zu leugnen haben zwar ihre berufensten Wortführer immer wieder versucht, die Tatsache selber haben sie aber nicht aus der Welt schaffen können. (...) Auf Seiten der Revisionisten rechnete man, wie in der Fraktion allgemein und auch wie in der gesamten Öffentlichkeit, mit der Ablehnung der Kredite. Der Abgeordnete Ludwig Frank hatte für diesen Fall eine Anzahl seiner näheren Gesinnungsgenossen um sich gesammelt, die sich schriftlich verpflichteten, für den Fall der Kreditablehnung durch die Fraktion unter Bruch der Fraktionsdisziplin im Plenum den Krediten zuzustimmen. Zu ihrer eigenen Verwunderung ergab sich in der Fraktion eine überwältigende Mehrheit für Annahme der Kredite, so daß der Franksche Plan von selbst zerfiel und nichts wieder von ihm verlautete."[9]
All die späteren Vorwürfe gegen die Parteilinken, die an den bisherigen Parteibeschlüssen und internationalistischen Verpflichtungen festhielten und schließlich auch die Kriegskredite verweigerten, sie seien "Parteizerstörer" und "Disziplinbrecher", "Sonderbündler" usw. erweisen sich als pure Heuchelei. Gerade Legien hat sich in diesem Sinne hervorgetan. Er selbst hatte allerdings wenige Tage vor Kriegsbeginn im Ausland eine Erklärung abgegeben, die durch keinerlei Beschlüsse in Partei oder Gewerkschaft gedeckt war.
Auf einem Kongress der belgischen Gewerkschaften Ende Juli 1914 war Legien gefragt worden, was die deutschen Arbeiter tun würden, falls es zum Kriege käme. Auf der Reichskonferenz der SPD in Berlin 1916 berichtete er darüber: „Ich habe ganz einfach geantwortet, daß wir uns unserer Haut wehren würden. Die Genossen waren entsetzt darüber, sie hatten erwartet, daß ich den Massenstreik empfehlen würde. Von uns hatten sie den Massenstreik erwartet. In einem Lande mit der allgemeinen Wehrpflicht, wo ein Drittel der für den Massenstreik in Frage kommenden Männer zum Heeresdienst eingezogen wird und ein weiteres Drittel arbeitslos ist, ist der Gedanke an einen Massenstreik ja einfach Unsinn.“[10] - Ganz einfach also: Krieg ist eben Krieg! Die belgischen GenossInnen hatten wenig später noch mehr Grund zum Entsetzen, als sie feststellen mussten, dass die deutschen Gewerkschaften nicht einmal gegen die Verletzung der belgischen Neutralität durch deutsche Truppen und gegen die an der Bevölkerung verübten Gräueltaten energisch Protest erhoben.
Massenstreik! Massenstreik gegen den Krieg! Waren die Voraussetzungen dazu in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 gegeben?
Die Angst davor war in den herrschenden Kreisen durchaus vorhanden. Auf die Gewerkschaften bezogen, schrieb der bürgerliche Ökonom und zeitweilige Sozialreformer Lujo Brentano: "Als der Krieg ausbrach, bestand in Regierungskreisen große Besorgnis, wie diese sich dazu stellen würden. Würden sie sich dem Heeresruf ohne weiteres fügen? Ein bloßer Ausstand der Rüstungsarbeiter konnte alles gefährden. Aber alle Besorgnisse waren unnötig. (...) Die Gewerkschaften stellten alle Interessenkämpfe ein (...) Hätten sie anders gehandelt (...), das Deutsche Reich wäre an der Schwelle des Krieges zusammengebrochen."[11] - Hören wir zwei andere Stimmen.
"Die deutsche Sozialdemokratie hat es, als der Ausbruch des jetzigen Kriegs drohte, an scharfen Artikeln und Manifesten kaum fehlen lassen (...) War ein Massenstreik mit Aussicht auf Erfolg durchführbar? In weiten Kreisen der Arbeiterschaft scheint man auf eine solche Parole gerechnet zu haben. Das raffinierte diplomatische Spiel, dem es gelungen war, in den entscheidenden Tagen den Zarismus als Sündenbock vorzuschieben, hatte freilich eine so hochgradige Verwirrung der öffentlichen Meinung erzielt; die Trümpfe der staatlichen Machtmittel waren in so gewaltiger Steigerung und Bereitschaft in den Händen der Kriegsmacher; die Aktionsbereitschaft der Arbeiterorganisationen war gerade in diesen Tagen aus verschiedenen Gründen derart gemindert, daß die Aussichten einer großen, über rasch unterdrückte Ansätze hinausgehenden Massenstreikbewegung nicht günstig waren. Richtig ist, daß die Opfer einer solchen Bewegung im Vergleich zu den wahnwitzigen Massenopfern des Kriegs lächerlich gering und wahrlich rühmlich gewesen wären. Aber die Fähigkeit, aus eigenem freien Entschluß für selbst gesetzte Ziele auch nur den hundertsten Teil der Opfer zu bringen, die dann auf Kommando von oben gebracht wurden, ist im deutschen Proletariat nicht entwickelt. Ein solcher Massenstreik wäre die Revolution gewesen, die sich auch beim völligen Versagen der Organisation irgendwie, wenn auch verworren und zerfahren, hätte entladen müssen. Kein solches Symptom ist in Erscheinung getreten." So beurteilte Karl Liebknecht im Frühjahr 1915 die Lage.[12]
"In der Frage des Kampfes gegen die Kriegsgefahr ... glaube ich, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, das Vorurteil zu überwinden, dass diese Frage einfach, klar und verhältnismäßig leicht sei. 'Antworten wir auf den Krieg mit dem Streik oder mit der Revolution!', so sagen gewöhnlich alle die angesehenen Führer der Reformisten zur Arbeiterklasse. Und sehr häufig befriedigt und beruhigt der Scheinradikalismus dieser Antworten die Arbeiter, Genossenschaftler und Bauern. (...) Man erkläre, dass besonders jetzt, nach dem kürzlich beendeten Krieg, nur die dümmsten oder hoffnungslos verlogene Leute behaupten können, eine solche Antwort auf die Frage nach dem Kampf gegen den Krieg tauge etwas. Man erkläre, dass es unmöglich ist, auf den Krieg mit dem Streik zu 'antworten', genauso wie es unmöglich ist, auf den Krieg mit der Revolution, im einfachsten und buchstäblichen Sinn dieser Ausdrücke, 'zu antworten'. Man muss den Leuten die reale Situation erklären: Wie groß das Geheimnis ist, in dem der Krieg geboren wird, und wie hilflos die gewöhnliche Organisation der Arbeiter, auch wenn sie sich als revolutionäre Organisation bezeichnet, angesichts eines tatsächlich heraufziehenden Krieges ist. (...) Man muss insbesondere die Bedeutung des Umstands erklären, dass die 'Vaterlandsverteidigung' zu einer unvermeidlichen Frage wird, die die gewaltige Mehrheit der Werktätigen unvermeidlich zugunsten ihrer Bourgeoisie entscheiden wird. Deshalb erstens Aufklärung über die 'Vaterlandsverteidigung'; zweitens, im Zusammenhang damit, Aufklärung über den 'Defätismus' und schließlich Aufklärung über die einzig mögliche Art und Weise, gegen den Krieg zu kämpfen, nämlich Aufrechterhaltung und Bildung einer illegalen Organisation zur langwährenden Arbeit aller am Krieg teilnehmenden Revolutionäre gegen den Krieg ..." So schrieb Lenin am 4.12.1922.[13]
Der Krieg wurde nicht verhindert. Die gesamte deutsche Sozialdemokratie hatte sich über die im Sommer 1914 zum baldigen Kriegsbeginn treibende Politik der deutschen Regierung täuschen lassen, und der Regierung gelang es dann auch noch, die Verantwortung für den Krieg im Bewusstsein der Öffentlichkeit dem Zaren zuzuschieben ("Sonst kriege ich die Sozialdemokraten nicht mit", hatte Reichskanzler Bethmann-Hollweg betont). Auch den russischen Sozialisten gelang es nicht, den Aufschwung, den die Arbeiterbewegung und ihre revolutionäre Partei in den Jahren vor dem Kriege genommen hatte, zur Immunisierung der Massen gegen die Losung der "Vaterlandsverteidigung" zu nutzen. Auch sie mussten erfahren, wie recht Karl Liebknecht mit seiner Kritik an der "Politik des 4. August" hatte: "Selbst vom denkbar nationalsten Standpunkte aus hat unsere Fraktion einen ungeheuerlichen Fehler gemacht und die schwerste Verantwortung auf sich geladen. Durch ihre Zustimmung (...) (hat sie) zugleich alle Dämme niedergerissen, die im Auslande dem Kriege und der äußeren und inneren Beteiligung der Volksmassen an diesem Kriege entgegenstanden. Bei einer anderen Haltung unserer Fraktion hätte der Krieg insbesondere weder in Frankreich noch in Rußland, noch in England so populär werden können wie er geworden ist."[14]
Aber die russischen Sozialdemokraten (Bolschewiki) gaben der Welt ein Beispiel, wie sich eine wirklich revolutionäre Partei in einer solchen Situation zu verhalten hat. In der gesamten internationalen Arbeiterbewegung waren sie es lange Zeit allein, die eine andere Politik als die der "Vaterlandsverteidigung" für notwendig erklärten und praktizierten, unter der Losung der Umwandlung das imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg gegen die eigene Bourgeoisie und zum Sturz der Zarenherrschaft. In Deutschland dagegen mussten sich die Massenaktionen gegen Hunger und Not und gegen die Fortsetzung des Krieges, später zur Unterstützung der russischen Revolution und schließlich zum Sturz der Monarchie und des Militarismus ohne die Hilfe oder gar Führung durch die Organisationen entwickeln, denen die Massen bis dahin ihr Vertrauen geschenkt hatten. Verworrenheit und Zerfahrenheit ihrer Aktionen liegen hierin begründet; neue Organisationen mussten erst im Kampf entstehen und hatten wenig Zeit, sich zu entwickeln. Ohne zielklare revolutionäre Organisation, die in den Arbeitermassen verankert ist und ihr Vertrauen besitzt, läuft jede, auch eine zunächst erfolgreiche revolutionäre Bewegung Gefahr, im Sande zu verlaufen und das Erreichte wieder zu verspielen.
Legien hatte keineswegs Recht mit der Erklärung, die er in Brüssel abgegeben hatte. Es ging ihm gar nicht um das Abwägen der Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines Massenstreiks. Es ging ihm um die Verhinderung von Massenstreiks gegen den Krieg, um die Verhinderung jeder Aktion, die die deutsche Rüstung ins Stocken hätte bringen können. Jedem Streik, der in den Kriegsjahren dann doch ausbrach, stellten sich die Führungen von SPD und Gewerkschaften Seite an Seite mit der Regierung nach Kräften entgegen.
Carl Legien hatte sich über Jahre, seit in Folge der russischen Revolution von 1905 auch in der deutschen Sozialdemokratie verstärkt Diskussionen über die Anwendung des Massenstreiks geführt wurden, für eine Beendigung dieser Diskussionen eingesetzt. Er sah durch sie die ruhige Entwicklung der Gewerkschaften gefährdet. Auf Rosa Luxemburgs auf dem Mannheimer Parteitag 1906 getroffene Feststellung, Legien verstehe nichts zu lernen aus der russischen Revolution, hatte er mit dem Zwischenruf geantwortet: "Sehr richtig!" Legien und seine politischen Freunde waren erfolgreich im Bemühen, die Arbeiterschaft weitgehend von der Erprobung der Waffe des Massenstreiks abzuhalten. Seine in Mannheim vorgebrachte Rechtfertigung für dieses Verhalten: „Kommt die Stunde, dann ist die Entscheidung schnell getroffen, dann werden die Massen, wenn konservative Leute an der Spitze stehen, einfach über die Köpfe der Führer hinweg entscheiden. Dann gibt es kein Beschließen über den politischen Massenstreik mehr, dann ist der politische Massenstreik da.“[15] - Nun, so kam es 1918 tatsächlich, und zwar ganz anders, als Legien dies vorausgesehen hatte, aber welche Opfer hatte der Weg dahin gekostet, und wie wenig waren die Massen in der Lage, die Führer, deren Weisungen sie nicht mehr folgen mochten, durch bessere zu ersetzen!
Dabei hatten in den Monaten vor dem Krieg selbst Sozialdemokraten, die sich dem revisionistischen Flügel der Partei zurechneten, den Gedanken des politischen Massenstreiks aufgegriffen, und zwar als Mittel im Kampf gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht. Zu ihnen gehörte Ludwig Frank. "Aber darüber ist doch kein Zweifel: Wenn wir wirklich ernstlich wollen, daß Millionen von Arbeitern und Angestellten einmal Opfer, schwere Opfer bringen, nicht für ein paar Pfennige Lohnerhöhung oder Verkürzung der Arbeitszeit, sondern Opfer bringen für etwas, was ihnen keinen unmittelbaren persönlichen Vorteil bringt, dann kann man sich - darin stimme ich der Genossin Luxemburg bei - nicht darauf verlassen, daß die nötige Stimmung und Begeisterung über Nacht wie der Tau vom Himmel fällt, sondern dann ist notwendig - darüber war bis vor Wochen in der Partei nur eine Meinung - , daß wir den Massen sagen, was wir wollen, daß wir die Millionen erziehen und begeistern für dieses große Ziel. Das heißt, lieber Genosse Scheidemann, nicht mit einer Waffe spielen, das heißt, die Waffe erst schärfen."[16] Wahre Worte, die auch heute nichts an Bedeutung eingebüßt haben, die in der gegenwärtigen innergewerkschaftlichen Debatte über die Zulässigkeit politischer Streiks dringend der Beachtung bedürfen!
Frank sagte dies auf dem SPD-Parteitag 1913 in Jena. Aber Frank war beileibe kein Revolutionär. Die politische Gleichberechtigung von Ausbeutern und Ausgebeuteten, freie und gleiche Wahlen in ganz Deutschland - das war das Ziel seiner Bestrebungen, alles weitere würde sich dann finden. Und weil das so war, durfte das Mittel zum Erreichen dieses Ziels auch gern ein ganz anderes sein als der Massenstreik. Zum Beispiel ein Weltkrieg.
"Wir sind ein einig Volk von Brüdern. Statt des Generalstreiks führen wir für das preußische Wahlrecht einen Krieg. Die internationale Idee ist zurückgedrängt durch die Realität einer begeistert nationalen Arbeiterbewegung. In diesem Krieg werden die Grundlagen für einen unabsehbaren Fortschritt gelegt." So schrieb Frank am 1. August 1914 in der "Mannheimer Volksstimme".[17] Hier traf er sich wieder mit anderen Revisionisten, die ihm in der Frage des Massenstreiks nicht hatten folgen wollen. Eduard David etwa erklärte unumwunden, "daß wir eine demokratische Reform des Wahlrechts als Preis für die Kriegsleistung der Arbeiterschaft erwarten."[18] - Die Erwartungen Legiens und der Generalkommission gingen in dieselbe Richtung.
Im Jahr 1915 gab Carl Legien zusammen mit dem Bibliothekar des preußischen Herrenhauses, Friedrich Thimme, eine Aufsatzsammlung heraus, die einen bezeichnenden Titel trägt: „Die Arbeiterschaft im neuen Deutschland“. Darin schrieb Legien in einem Aufsatz mit dem Titel „Die Gewerkschaften“ unter anderem: “Nur zu natürlich ist es ..., dass die Gewerkschaften bestimmt damit rechneten, nach Erklärung des Kriegszustandes aufgelöst zu werden. (...) Statt der Auflösung kam der Versuch, die gewerkschaftliche Organisation in den Dienst des Volkswohles zu stellen. (...) Es liegt doch gegenwärtig offenkundig zutage, dass in der Zeit der Not, wenn es gilt, die Einheit und Geschlossenheit des Volkes zu sichern, nicht die wirtschaftlich und politisch mächtigen, aber im Verhältnis zum Volksganzen an Zahl nur geringen Unternehmervereinigungen, sondern die Organisationen, denen große Massen des Volkes angehören, den Einheitswillen und das solidarische Verhalten der Volksgenossen herbeizuführen und zu erhalten vermögen. In solchen Zeiten verblasst die Macht der Gewaltigsten gegenüber der Arbeit der Vielen, die wissen, dass sie Teile des Ganzen sind und die eigene Wohlfahrt in der Förderung des Wohles der Gesamtheit sehen. Hoffentlich hat diese Erkenntnis dauernden Bestand und verschwindet nicht, wenn die Zeit der Not vorüber ist. (...) Was die gewerkschaftlichen Organisationen in der Kriegszeit geleistet haben, geschah nicht mit Rücksicht auf Dank oder Anerkennung. Es war einfache Pflichterfüllung im Interesse des Volksganzen. (...) Sie verlangen aber auch, daß die maßgebenden Stellen nicht völlig dem Einfluß der Unternehmer unterstehen, daß das Wort des Arbeiters gleichwertig dem der Unternehmer sei. Nichts Neues ist es, was die Arbeiter verlangen, sondern Erfüllung dessen, was sie stets gefordert haben, nicht als ein Vorrecht, sondern als ein einfaches gleiches Recht. Nicht als Lohn für das, was die Gewerkschaften während des Krieges getan haben, sondern um der Gerechtigkeit willen.“[19]
Die Herausgeber begriffen ihr Buch, in dem neben führenden Sozialdemokraten aus Partei und Gewerkschaften eine Reihe bürgerlicher Autoren (vor allem Professoren und Sozialreformer, unter ihnen Ferdinand Tönnies aus Kiel, allerdings kein einziger verantwortlicher Politiker) zu Wort kamen, als Begründung einer "geistigen Arbeitsgemeinschaft zwischen der bürgerlichen und sozialistischen Gedankenwelt". In seinem abschließenden Artikel "Gemeinsame Arbeit, der Weg zum inneren Frieden" unternahm es Friedrich Thimme, die wesentlichen Aussagen der verschiedenen Aufsätze zusammenzufassen und zu werten. Er begann seine Ausführungen mit den schamlosen Worten: "Es ist doch etwas Wahres daran, daß der Krieg der Vater aller Dinge ist. Was der lange Frieden, dessen sich das Deutsche Reich seit seiner Gründung erfreute, noch nie zustande zu bringen vermocht hat: eine völlige Einheit und Entschlossenheit unseres Volkstums, eine nationale Zusammenarbeit aller Klassen, Berufsstände und Parteien zu einem Zwecke, der Krieg hat sie mit einem Schlage, gleichsam über Nacht ins Leben treten lassen." Schließlich: „Es sind aber nicht Staat und bürgerliche Gesellschaft allein, die die Lehren des Krieges zu beherzigen haben; auch die Sozialdemokratie wird es nicht ablehnen wollen, aus ihm zu lernen. Wir sahen es eben, daß der Sozialdemokratie nicht verwehrt werden darf, aus den sozialistischen Errungenschaften des Krieges neue Hoffnungen auf die Herbeiführung des Zukunftsstaates zu schöpfen. Aber zweierlei bleibt dabei wohl zu beachten. Einmal hat sich doch gezeigt, daß unsere heutige kapitalistische Gesellschaftsordnung, entgegen weitverbreiteten Anschauungen in der sozialdemokratischen Partei, bei dem allerstärksten Anprall, der ihr je einmal beschieden sein konnte, nämlich beim Ausbruch eines Krieges und nun gar eines Krieges, der sich ganz gegen unser Wirtschaftsleben zuspitzt, nicht nur - wir zitieren hier eine der vielen sozialdemokratischen Stimmen, die das konstatieren - nicht in sich selbst zusammenstürzte, sondern mit einer wunderbaren Unerschütterlichkeit weiterarbeitete und sich als höchst leistungs- und widerstandsfähig erwies. Gewiß konnte das nur geschehen, weil die Arbeiterschaft vor allem um des Vaterlands willen, aber doch auch um ihrer selbst willen, weil nun einmal die wirtschaftliche Existenz der Arbeiterklasse aufs stärkste und unmittelbarste mit unserer heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verknüpft ist, mit allen Kräften für den kapitalistischen Staat eintrat. Aber gerade die Tatsache, daß die Arbeiterschaft in einer Krise wie der gegenwärtigen, nicht umhin konnte, dies zu tun, bedeutet doch das Ende der Zusammenbruchs- und Revolutionstheorie, in der bürgerliche Kreise sich gewöhnt hatten, einen wesentlichen Bestandteil der sozialistischen Doktrin zu sehen. (...) Diese Katastrophen- und Revolutionstheorie aber war es, an der sich die Abneigung der bürgerlichen Gesellschaft gegen den Sozialismus immer von neuem entzündete. Je mehr sie innerhalb der Sozialdemokratie fallen gelassen, je mehr die revolutionären Phrasen, die keinerlei praktischen Wert haben und nur den Aufstieg der Arbeiterschaft zu Macht und politischem Einfluß hemmen können, zurückgedrängt werden, um dem Grundsatz der positiven Arbeit Platz zu machen, desto bereiter muß und wird die bürgerliche Gesellschaft sein, dem Sozialismus die Hand zu solcher gemeinsamen Arbeit zu reichen.“[20] Eine sehr moderne Darstellung, nicht wahr? Legien erklärte sich mit Thimmes Ausführungen ausdrücklich einverstanden.
Die Generalkommission hielt an der verlogenen These, Deutschland müsse Europa vor der zaristischen Barbarei retten, fest. Aber in den Veröffentlichungen der Gewerkschaften, in denen ihre Stellung zum Kriege reflektiert und die Politik des 4. August verteidigt wurde, nahm ebenso wie in den Schriften führender Partei-Theoretiker bald die Auseinandersetzung mit England den wesentlichen Raum ein. Indem England vorgeworfen wurde, es versuche seine Weltmachtstellung gegen das wirtschaftlich aufstrebende Deutsche Reich mit Gewalt zu verteidigen, wurde andererseits das Streben des Deutschen Reiches nach Übernahme der englischen Position, die es aufgrund seiner ökonomischen Entwicklung beanspruchen könne, gerechtfertigt. In einem augenfällig von imperialistischen Interessen geprägten Konflikt sahen die deutschen Gewerkschaften ihren Platz vorbehaltlos an der Seite der deutschen Kapitalisten und Militärs. "Wir müssen siegen!" wurde auch ihr Schlachtruf, die uneingeschränkte Expansion der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt sowie die Behauptung und womöglich der Ausbau des deutschen Kolonialbesitzes galt ihnen als Voraussetzung für das Wohlergehen der deutschen Arbeiterklasse; die Furie des Krieges dürfe niemals deutsches Land verwüsten und die sozialen Errungenschaften der Deutschen nicht durch die mit einer militärischen Niederlage sicher einhergehenden Sanktionen gefährdet werden. Da war es eindeutig besser, fremde Länder zu verwüsten und deren Industrie zu schädigen und ihnen nach Friedensschluss die Kosten für die Kriegsschäden und die Tilgung der in Deutschland bewilligten bzw. gezeichneten Kredite und Anleihen aufzubürden.
Die von Legien geführte Generalkommission der deutschen Gewerkschaften beauftragte im Jahr 1915 den "Correspondenzblatt"-Redakteur Wilhelm Jansson mit der Herausgabe eines Buches, das sich die Aufgabe stellte, "vom Boden der Tatsachen aus die Interessen der deutschen Arbeiter am Kriegsergebnis zu untersuchen": "Arbeiterinteressen und Kriegsergebnis. Ein gewerkschaftliches Kriegsbuch" war es betitelt, seine Autoren, deren Aufsätze die wesentlichen Sparten der deutschen Industrie und Gewerbe abdecken sollten, waren "Parlamentarier, die aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen sind, Verbandsvorsitzende und Gewerkschaftsredakteure ..., Realpolitiker also ...". Ich will hier auf zwei dieser Aufsätze eingehen, die am besten zur damaligen Wirtschaftsstruktur Kiels passen, welche allerdings ganz überwiegend von der Kriegsmarine geprägt war, nämlich den von Johannes Scherm, Redakteur der "Metallarbeiterzeitung", und den von Paul Müller, Redakteur der Zeitschrift "Schiffahrt".[21]
Scherm: "Mag nun am Ausbruche des Krieges schuld sein wer will, niemand zweifelt daran, daß er früher oder später doch gekommen wäre. Die organisierte deutsche Arbeiterschaft hat die Kriegshetzerei und das Wettrüsten stets aufs schärfste bekämpft. Niemand kann ihr nachsagen, dass sie nicht ihre Schuldigkeit getan hat. Das verpflichtet sie aber nicht, sich abschlachten oder wirtschaftlich zugrunde richten zu lassen. Sie hatte mit ihrer Stellungnahme zum Kriege zwischen zwei Übeln zu wählen. Indem sie dem Rufe zu den Waffen folgte und durch ihre Vertreter die Gelder zur Kriegführung bewilligen ließ, wählte sie klüglich das kleinere. (...) Der Krieg erfordert unermeßliche Opfer an Gut und Blut, aber wenn Partei wie in diesem Falle ergriffen werden muß, dann stehen mir doch die Angehörigen des eigenen Volkes am nächsten. (...) Es wird oft gesagt: Deutschlands Industrie stehe und falle mit seiner Ausfuhr. (...) Gelänge nun aber der britische Plan der Verdrängung der deutschen Industrie vom Weltmarkt, dann wäre das in erster Linie für die deutsche Metallindustrie und ihre Arbeiter von den verderblichsten Folgen. (...) Endgültig begraben müssen wir die Selbsttäuschung, daß der Kapitalismus altersschwach sei, so daß es nur noch eines genügend kräftigen Anstoßes bedürfe, um ihn beseitigen zu können. Wie falsch diese Meinung ist, hat der Krieg bewiesen. Allgemeines Staunen herrscht über die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus und der Industrie an den neuen Zustand, wobei freilich sehr zu betonen ist, daß die deutschen Arbeiter, in erster Linie die Metallarbeiter, dabei nicht den geringsten (also einen ziemlich großen - D.L.) Anteil haben."
Müller: "Mit der Entwickelung des deutschen Handels und Verkehrs erweiterte sich natürlich auch der Kreis seiner erwerbsmäßigen Interessenten, und diesen kann eben die Zukunft des deutschen Handels und Verkehrs nicht gleichgültig sein. Sie haben zu prüfen, welche Wirkungen das Gelingen der feindlichen Angriffe auf den deutschen Handel und Verkehr und wirtschaftlich für sie selbst auslösen muß. Hier gehen Unternehmer- und Arbeiterinteressen vollkommen konform, sich hier indifferent zu verhalten, hieße wirtschaftlichen Selbstmord begehen. Der tiefempfundene Selbsterhaltungstrieb läßt uns in diesem Falle deutlich die Gefährlichkeit wertloser theoretischer Spintisierereien erkennen; ein gesunder nationaler Egoismus dämpft den ungesunden internationalen Illusionismus, wo es sich um so reale Interessenfragen handelt. Und wir haben wirklich allen Grund dazu. Aus diesen Erwägungen heraus geben wir uns auch der Hoffnung hin, daß die Zukunft, d. h. ein für Deutschland erfolgreicher Friedensschluß, dem deutschen Handel und Verkehr sowohl im Inlande als auch auf dem Weltmarkte uneingeschränkte Entwickelungsmöglichkeiten bieten wird."
Der nationale Egoismus trat in allen Artikeln hervor. Das "Correspondenzblatt" der Generalkommission schrieb wiederholt im gleichen Sinne. - Nun war dies noch die Zeit, da man fest mit der Möglichkeit eines deutschen Sieges rechnete. Die Sprache wurde erst moderater, als sich abzeichnete, dass es damit wohl nichts werden würde. -
Gegen diese Politik wuchs der Widerstand in Partei und Gewerkschaften. Legien tat alles, um ihn zu ersticken. "Anarchistische Elemente sind es, die gegenwärtig den Versuch machen, eine festgefügte demokratische Organisation zu sprengen", erklärte Carl Legien auf einer Versammlung der Gewerkschaftskommission Berlins und Umgegend am 27. Januar 1915. Mit Blick auf die Ernährungslage in Kiel ist die folgende Äußerung interessant: "Dann (...) die Behauptung, daß in Deutschland in kurzer Zeit ein Mangel an Lebensmitteln eintreten wird. Das ist nicht wahr. Wer nur einigermaßen die Volkswirtschaft Deutschlands ... kennt, der weiß, daß das nicht wahr sein kann." Die Behauptung, gegen die Legien sich wendet, findet sich in einem vom Bildungsausschuss Niederbarnim herausgegebenen Referentenmaterial, mit dem Parteimitglieder gegen die Politik des 4. August mobilisiert werden sollten. "Wer sich einigermaßen orientiert (...), der muß wissen, daß die Nahrungsmittel ausreichen. Es ist frivol, es ist ein Verbrechen an den Frauen der Arbeiterschaft, den Frauen, deren Söhne und Männer draußen im Felde stehen, die Sorge um ihre Angehörigen haben, noch damit Angst zu machen, daß Hungersnot in Deutschland eintreten könnte. Das ist frivol, das ist verbrecherisch gehandelt." Gleichzeitig singt Legien ein Loblied auf die Errungenschaften des Kriegszustandes: "... ich muß doch sagen, es sind in diesen sechs Kriegsmonaten auf sozialem Gebiete manche Dinge herbeigeführt worden, die wir vor einigen Monaten noch für völlig unmöglich gehalten hätten. Ich brauche Ihnen das nicht im einzelnen auseinander zu setzen. Die eine Tatsache, die Regulierung des Wirtschaftsmarktes durch Beschlagnahme und Verteilung der Nahrungsmittel, zeigt uns, was alles schon im bürgerlichen Staat geschehen kann. (...) Aber das ist kein Sozialismus, das sind soziale Einrichtungen, durchgeführt innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Jetzt aber ist der Beweis erbracht, daß sie durchgeführt werden können, wenn der gute Wille bei den bürgerlichen Faktoren vorhanden ist. Da sollten wir doch versuchen, das Gute für die Arbeiterschaft herauszuschlagen. Es ist ja so furchtbar leicht, radikal zu sein. Wenn man sagt, das sind alles Palliativmittel (...), das ist alles nur Sand in den Augen der Arbeiter, wenn man sich hinstellt und sagt, da können nur Massenaktionen helfen - das ist furchtbar leicht, man spart dadurch ungeheuer viel Arbeit, man braucht seinen werten Verstand nicht anzustrengen, nicht darüber nachzudenken, mit welchen Mitteln das erkämpft werden kann, was für die Arbeiterschaft nützlich ist. (...) Diese Sorte Radikalismus habe ich mein Lebtag nicht ertragen können. (...) Sind wir stark genug, bleiben wir einig, geschlossen in der Partei, geschlossen in den gewerkschaftlichen Organisationen, dann wird manches Samenkorn des Sozialismus, das während des Krieges in die bürgerliche Gesellschaft gelegt ist, nach dem Kriege aufgehen und fortwachsen."[22]
Die "Metallarbeiter-Zeitung" hatte bereits am 7.11.1914 geschrieben: "Eine neue Zeit ist angebrochen; andere Menschen hat der Krieg in kurzer Zeit aus uns allen gemacht. Das gilt unterschiedslos für Hoch und Niedrig, für Arm und Reich, für Privatpersonen und für Staatsdiener. Solidarität und Hilfeleistung aus unverschuldeter bitterer Not, die wir den Arbeitern als unvergängliche Richtschnur ihres Handelns eingeimpft und von den Reichen so oft vergeblich gefordert haben, ist über Nacht Gemeingut eines großen und leistungsfähigen Volkes geworden. Sozialismus, wohin wir blicken. (...) Was soziale Gesetze und Verordnungen der Zivilbehörden in Jahrzehnten nicht fertig brachten, das hat mit kühnem Griff die Militärverwaltung in kurzer Zeit durchgesetzt.“ -!!-
Es ist so leicht, radikal zu sein... Ja, man musste damals nur bereit sein, für die Äußerung radikaler Ansichten und womöglich die Organisierung von Soldaten und Arbeitern zum Widerstand (was natürlich auch viel "leichter" war als die Tätigkeit der Gewerkschaftsführer in ihren endlosen Sitzungen mit der Staats- und Militärführung...) an die Front geschickt zu werden oder eingesperrt oder erschossen.
Den "verbrecherischen" Umtrieben, gegen die Legien Anfang 1915 polemisierte, wurde seiner Meinung nach viel zu lasch entgegengetreten.
Am 2. Dezember 1914 hatte Karl Liebknecht im Reichstag die erneute Zustimmung zu den Kriegskrediten verweigert. "Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion stellt fest, daß der Genosse Karl Liebknecht entgegen dem alten Brauch der Fraktion, der durch einen ausdrücklichen Beschluß für den vorliegenden Fall erneuert wurde, gegen die Kriegskreditvorlage gestimmt hat. Der Vorstand bedauert diesen Bruch der Disziplin, der die Fraktion noch beschäftigen wird, aufs tiefste.“ Diese Erklärung wurde am 12. Dezember im „Correspondenzblatt“ abgedruckt und mit den hoffnungsvollen Worten kommentiert: „Da nur derjenige einem Fraktionsverband angehören kann, der sich dessen Beschlüssen unterordnet, dürfte die Stellungnahme der Fraktion nicht zweifelhaft sein.“ Folgerichtig forderte Legien als erster schon auf der Sitzung vom 2.-4. Februar 1915 den Ausschluss Liebknechts aus der Fraktion; er konnte sich damals allerdings noch nicht durchsetzen. (Der Sitzungsbericht vermerkt: „Der Antrag Legiens wurde zurückgezogen, nachdem Richard Fischer erklärt hatte, die zu erwartende Ablehnung dieses unzulässigen Antrags werde von Liebknecht als Vertrauensvotum der Fraktion ausgenutzt werden.“) Legien wertete seinen Kampf gegen Liebknecht auf dem Kongress des Metallarbeiterverbandes (DMV) 1917 so: „Ich hatte als Vertreter der Gewerkschaften dafür zu sorgen, daß das nicht fortgesetzt wurde. Besser das Geschwür jetzt aufschneiden, als den ganzen Körper durchseuchen lassen. Hätten wir damals nach meinem Vorschlag gehandelt und Liebknecht von der Partei ausgeschlossen, so hätten wir keine Spaltung bekommen. Die Parteidisziplin mußte auf jeden Fall aufrechterhalten werden.“[23] Man beachte die Wortwahl.
Legien machte sich während des Krieges dafür stark, dass sich Gewerkschafter in diesem Sinne verstärkt in die Parteipolitik einmischen sollten. „Bis dahin hatte die Generalkommission ängstlich darauf gehalten, daß die Gewerkschaften in die Auseinandersetzungen der Sozialdemokratischen Partei nicht hineingezogen wurden. Jetzt aber entdeckte sie, daß die Gewerkschaftsfunktionäre die entgegengesetzte Pflicht hätten.“[24] Karl Kautsky sprach 1916 (in einem Brief an Victor Adler vom 7. August) vom Parteivorstand als einem "Anhängsel der Generalkommission".
Hatte Legien in dieser Zeit überhaupt etwas mit seinem Wahlkreis, mit Kiel zu tun? Hin und wieder schon.
Am 20. Januar 1916 kam Carl Legien nach Kiel, um im großen Saal des Gewerkschaftshauses angesichts der stärker werdenden Unzufriedenheit der SPD-AnhängerInnen die Politik des 4. August zu verteidigen. Sein Gegenpart war der spätere USPD-Abgeordnete Georg Ledebour. Am Ende der Debatte entschied sich der Vorstand in einer Resolution für die Politik der Mehrheitsströmung, also für Legien, und erhielt dafür „vier Fünftel aller Stimmen“. Damit war auch in Kiel „der Bruch vollzogen.“ Als im nächsten Jahr die USPD gegründet wurde, traten ihr in unserer Stadt nach Angaben Lothar Popps, der später zusammen mit Karl Artelt an der Spitze des revolutionären Geschehens in Kiel stand, 950 Männer und Frauen bei.[25]
Entgegen den Aussagen Legiens war die Versorgungssituation der ärmeren Bevölkerung Kiels schon zur Zeit seines Berliner Vortrags so schlecht, dass die "Volkszeitung" sich am 30.1.1915 genötigt sah, angesichts der geplanten Anhebung des Erzeugerhöchstpreises für Getreide zu warnen, die Gewerkschaften und Genossenschaften könnten und wollten "bei einer solchen Maßnahme, die die wirtschaftlichen Kosten ganz einseitig der armen Bevölkerung" aufbürde, "für den Burgfrieden nicht mehr garantieren." Im Mai 1916 waren die Kartoffelvorräte aufgebraucht, die Lebensmittelkosten hatten sich seit 1914 verdoppelt, und die spürbare Erbitterung der Arbeiterbevölkerung veranlasste Eduard Adler und Gustav Garbe, sich Anfang Juni mit der Bitte um Vermittlung und Abhilfe an den Gouverneur zu wenden. Vergeblich. Am 14. Juni kam es bei der Verteilung der ersten Frühkartoffeln zu "Übergriffen" besonders von Frauen und Jugendlichen auf Verkaufsstellen und Lagerhallen, und am 15. Juni trat ein Teil der Belegschaft der Germaniawerft in den Streik. Forderungen nach gerechterer Lebensmittelverteilung und Lohnerhöhungen gab es auch aus anderen großen Betrieben.
"Friede und Freiheit!" Diese Losung wurde in Kiel von vielen erstmals ein Jahr später, im März 1917, während des großen Streiks und der Demonstrationen der Belegschaften der Howaldtswerke und der Germaniawerft, Arbeitern der Kaiserlichen Werft, der Torpedowerke in Friedrichsort und anderer erhoben. Zumindest auf der Germaniawerft waren Flugblätter mit dieser Losung in Umlauf. Der wesentliche Anlass zu den Aktionen war allerdings wiederum die schlechte Lebensmittelversorgung, nachdem der Winter 1916/17 (der "Steckrübenwinter") besonders hart gewesen war. Insgesamt beteiligten sich an den Aktionen etwa 20000 Menschen, der am 27.3. begonnene Streik wurde allerdings schon am 31.3. ohne Erfolg abgebrochen. Zu den im Anschluss gemaßregelten Kollegen gehörte Karl Artelt, damals Arbeiter auf der Germaniawerft: Sechs Monate Haft als Streikführer! Und aus der Haft heraus an die Front in Flandern. Allerdings wurde Artelt dann als hochqualifizierter Facharbeiter für die Produktion in der Torpedowerkstatt Friedrichsort reklamiert, wo er seine aufrührerische Tätigkeit erfolgreich fortsetzen konnte. Die Gewerkschaften leisteten den Streikenden keinerlei finanzielle Unterstützung; diese wiederum machten deutlich, dass sie zu den gewerkschaftlich dominierten Arbeiterausschüssen in den Betrieben kaum noch Vertrauen hatten. "Nur mit Mühe", so schreibt Dähnhardt, sei es den Partei- und Gewerkschaftsführern noch einmal gelungen, die aufgebrachten Arbeiter zu beschwichtigen und zur Arbeitsaufnahme zu bewegen.[26]
Gustav Garbe, der Bevollmächtigte des Metallarbeiterverbandes und Vorsitzende des Kieler Gewerkschaftskartells[27], schildert die Vorgänge anders. Im Juni 1919 sprach er auf einer Bevollmächtigtenkonferenz des DMV in Stuttgart: "Wie haben sich denn die Ereignisse abgespielt? (...) Im Jahre 1916 hatten wir den ersten Streik in Kiel, im Jahre 1917 haben wir den zweiten Streik geführt und haben ihn nach drei Tagen wieder abgehauen, und die Hamburger, die uns zu Hilfe gekommen waren, haben ihn auch wieder abgehauen, weil die Stimmung der Massen (...) nicht so war, dass wir durchhalten konnten. Die Massen hatten 1917 vor dem roten Schein noch solche Angst, dass man die Kämpfe nicht so führen konnte, wie man es wollte. (...) 1917 habe ich das Ding in der Leitung selber geschoben, und ich kenne meine Arbeiter. Schon nach drei Tagen, bevor noch der rote Schein kam, musste der Streik abgehauen werden, damit die Massen geschlossen hinausgehen und geschlossen hineingehen konnten."[28] Der "rote Schein" - das ist nicht etwa das Wetterleuchten der Revolution, das ist schlicht und ganz unromantisch der Entlassungsschein, der auch die Abkommandierung an die Front zur Folge haben konnte. Dass die Angst vor Entlassung und Maßregelung eine Rolle gespielt hat, lässt sich sicher nicht von der Hand weisen. Aber Garbe verschweigt das streikbrecherische Wirken der SPD- und Gewerkschaftsführung, das neben der Verweigerung finanzieller Unterstützung in einem propagandistischen Trommelfeuer gegen "verantwortungslose Aktionen" bestand.
Im "Correspondenzblatt" hatten die Generalkommission und der Parteivorstand die "Arbeiter und Arbeiterinnen" am 29. Juli 1916 in dramatischer Wortwahl "vor dem Treiben der im Dunkel der Anonymität wirkenden Protest- und Generalstreikapostel" gewarnt. "Wir konstatieren nachdrücklich, daß die sozialdemokratische Partei und die Leitung der Gewerkschaftsbewegung mit dieser Propaganda nichts gemein hat." Und ohne die Zustimmung dieser Instanzen dürften "politische Massenaktionen" einfach nicht stattfinden! "Wohin soll es führen, wenn die Arbeiterschaft Aktionen unternehmen würde, die von Unberufenen auf eigene Faust und zwecklos eingeleitet sind? Die Folgen solch unbesonnener Handlungsweise müßte jeder einzelne tragen; denn weder die Partei noch die Gewerkschaften könnten hier mit Unterstützungen eingreifen." Auf die "im Kriege geltenden Strafbestimmungen" wird "ausdrücklich" hingewiesen. Mehr denn je seien "kaltes Blut und ruhige Besonnenheit" am Platze. Die ArbeiterInnen sollten unbedingt weiterarbeiten und auf das Verhandlungsgeschick der Gewerkschaften vertrauen, die alles täten, um berechtigten Forderungen ihrer Mitglieder Nachdruck zu verleihen.
Im Dezember 1916 hatten sich dann sich die Gewerkschaften mit der Generalität auf das Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst verständigt. Mit diesem Gesetz erreichten die Anstrengungen der Militärdiktatur zur totalen Ausrichtung der Gesellschaft auf die Kriegsführung einen neuen Höhepunkt, es trug wesentlich zur Verlängerung des Krieges und zur Maßregelung widerständiger ArbeiterInnen bei. In einem Aufruf der Generalkommission hieß es dazu: „Der Hilfsdienst verlangt weitgehende Opfer von allen, nicht zum wenigsten auch Verzicht auf wichtige Rechte. Dem freien Arbeitsvertrag, der Freizügigkeit sind Schranken gesetzt. Das neue Gesetz bringt aber nicht bloß Pflichten für die Arbeiterschaft, sondern es ist ... gelungen, die Rechte der Arbeiter und Angestellten in Formen, die für die Interessenvertretung während des Krieges ausreichend sind, sicherzustellen.“ (Paritätische Schlichtungskommissionen, Vereins- und Versammlungsrecht für im Hilfsdienst beschäftigte Personen.) „In dem Existenzkampf, den Deutschland um sein Bestehen und seine Zukunft führt, hat sich die Wahrheit glänzend durchgerungen, daß die Arbeiterklasse der bedeutsamste Teil des Volksganzen ist, ohne deren Opfersinn der geregelte Aufbau der Kriegswirtschaft nicht möglich wäre ...“[29]
"Hohn und Spott" nannte die Spartakusgruppe in einem Flugblatt die "sogenannten 'Sicherungen' der Arbeiterrechte". "Die Wahrheit lautet anders: Statt Erhöhung der Unterstützungen - Entziehung der Unterstützungen, statt Steigerung - Herabdrückung der Löhne, statt Erweiterung der Volksrechte - Aufhebung der Freizügigkeit und des Streikrechts, nachdem Vereins-, Versammlungs- und Preßfreiheit längst zerfetzt sind; statt Freiheit - Frondienst, statt Neuorientierung - Erneuerung feudaler Leuteschinderei; statt Brot - Hungerpeitsche und Gefängnis, statt Aufhebung des Belagerungszustandes - allgemeines Zuchthaus. (...) so sieht die rosige Zukunft aus, mit der man die deutsche Arbeiterklasse für den Krieg köderte. Die Betrüger, die sich Arbeitervertreter nennen, die Gewerkschaftsführer, die Legien und Bauer, haben sich mit den Zentrumsheuchlern von den christlichen Gewerkschaften und den Hirsch-Dunckerschen zum gemeinsamen Judasdienst verbunden, um das Gesetz in wenigen Tagen durchzupeitschen... Es sind dieselben Hausknechte der Regierung, die sich vor wenigen Monaten verbündeten, um die für Frieden kämpfenden und streikenden klassenbewußten Arbeiter den Behörden zu denunzieren."[30]
Die Gewerkschaften erreichten mit ihrer Zustimmung zum Gesetz die Anerkennung als "kriegswirtschaftliche Organisation" und stärkten ihre Stellung gegenüber den sogenannten "gelben" Gewerkvereinen. Gewerkschaftsfunktionäre waren nun weitgehend davor geschützt, zum Militärdienst einberufen zu werden.
Große Streiks gab es 1917 nicht allein in Kiel. In den Berliner Rüstungsbetrieben traten die revolutionären Obleute als Organisatoren der ersten mehrtägigen Streiks während des Krieges hervor. Nach verschiedenen weiteren Streiks in anderen Städten, an denen oft 10.000 Arbeiter und mehr beteiligt waren, erlebte wiederum Berlin den größten Massenstreik, als vom 16. April an etwa 300.000 Arbeiter die Arbeit niederlegten. „Das in der offiziellen Arbeiterbewegung von den Instanzen verpönte und gehasste Prinzip der selbständigen Massenaktion ist auf der ganzen Linie zum Durchbruch gekommen und hat gesiegt; neue gewaltige Ausblicke eröffnen sich für die Arbeiterbewegung in Deutschland“, so bilanzierte die Spartakusgruppe die Ereignisse.
Das Jahr 1917 sah auch die erste große revolutionäre Bewegung in der Armee, die so genannte Marinemeuterei. Die Matrosen Albin Köbis und Max Reichpietsch, Mitglieder der eine umfassende Aufstandsbewegung vorbereitenden „Flottenzentrale“, wurden am 5. September erschossen, andere wurden zu Zuchthausstrafen von insgesamt 400 Jahren verurteilt.
Am 26. April richteten die Leitungen der Gewerkschaften und Angestelltenverbände eine Ergebenheitsadresse für den „Herrn Generalfeldmarschall von Hindenburg“ an den damaligen Chef des Kriegsamts Groener. In dem Schreiben, das an erster Stelle die Unterschrift Carl Legiens trägt, heißt es: „Arbeitseinstellungen in der gegenwärtigen Stunde sind zu vermeiden; Erhaltung und Sicherheit des Reiches stehen an erster Stelle. (...) Seit Jahresfrist haben England und Frankreich, unterstützt von den Vereinigten Staaten Nordamerikas, ungeheure Massen von Geschützen und Munition an der französisch-belgischen Front aufgehäuft. Das Ungeheuerlichste, was Menschenhirn sich auszumalen vermag, ist über unsere dort kämpfenden Volksgenossen hereingebrochen. Nur ein herzloser, gewissenloser Mensch kann dazu raten, diesen die erforderlichen Verteidigungsmittel zu versagen. Diese Auffassung beherrscht nach unserer innersten Überzeugung auch die Bevölkerungskreise, die durch unsere Organisationen vertreten werden. Unsererseits wird alles geschehen, sie nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken und zu erweitern.“[31]
Am 15. Oktober 1917 besuchte Carl Legien mit seinem Stellvertreter Gustav Bauer und Vertretern christlicher Gewerkschaften das Große Hauptquartier. Er brachte dort wie üblich die Bitte nach mehr Verständnis für die Probleme der Arbeiter und der Gewerkschaften vor. Ludendorffs ausdrücklicher Bemerkung, er betrachte Streikende als Landesverräter, widersprachen die Gewerkschafter nicht. „Sämtliche Vertreter haben offenbar die gute Absicht, dahin zu wirken, dass die Arbeiterschaft ruhig bleibt und ihre Pflicht tut. Sie glauben auch ihrer Leute so weit sicher zu sein, daß größere Streiks und Unruhen nicht zu befürchten sind, sofern nicht unvorhergesehene Ereignisse dazwischen treten“, beschrieb Ludendorff seine Eindrücke. Einigen Klagen der Gewerkschaftsführer schenkte er wohlwollende Aufmerksamkeit, so etwa der, „daß ihre Tätigkeit vielfach durch die stellvertretenden Generalkommandos gehindert sei, daß letztere unter dem Einfluß der Industrie ständen und daß die Bestimmungen und Erlasse des Kriegsministeriums bzw. der Generalkommandos über Versammlungen, Streiks usw. aufreizend und schädlich wirkten. Die Stimmung der Arbeiter sei daher nicht günstig. Ich glaube nach Einzelfällen annehmen zu können, daß manche Fehler vorgekommen sind, und daß es wichtig ist, solche zu vermeiden. Der Unterschied zwischen den ruhigen, zuverlässigen und den unbedingt kurz zu haltenden, aufsässigen Elementen (meist Jugendliche, Frauen und einige Hetzer) lässt sich vielleicht schärfer betonen...“[32]
Bereits zu Beginn dieses Jahres 1917 hatte Rosa Luxemburg festgestellt: "Die Herrschaft der Partei- und Gewerkschaftsinstanzen, der Scheidemann und Genossen wie der Legien und Genossen, über die organisierte Arbeiterschaft, das ist im Kern nichts anderes als der gewaltigste Sieg der deutschen Bourgeoisie über die Arbeiterklasse, der je erfochten oder nur erträumt worden ist. Die zum Kampfe wider das Kapital unter die Fahnen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften gelockten Massen sind heute gerade durch diese Organisationen und in diesen Organisationen unter das Joch der Bourgeoisie in einer Weise gespannt worden, wie sie es nie seit Beginn des modernen Kapitalsverhältnisses waren. (...) Die entscheidenden Würfel des Klassenkampfes in Deutschland werden für Jahrzehnte in dieser Generalauseinandersetzung mit den Instanzen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften fallen."
Am Ende des Jahres 1917 schloss sich die Generalkommission dem „Volksbund für Freiheit und Vaterland“ an, der eine Antwort auf die im September unter Vorsitz von Kapp und Tirpitz gegründete Deutsche Vaterlandspartei darstellen sollte; diese Partei vertrat immer noch annexionistische Maximalforderungen und stemmte sich gegen jegliche Reformen auf innenpolitischem Gebiet (etwa in der Frage des Wahlrechts). Zu den Förderern des Volksbundes gehörten auch Industrielle und Bankiers, so Robert Bosch und Hjalmar Schacht. Erklärtes Ziel der Generalkommission war es, mit dem Beitritt zum Volksbund „den inneren Zusammenschluss der Nation auch im vierten Kriegsjahr aufrechtzuerhalten.“ – Es sollte ihr nicht gelingen.
Das "Prinzip der selbständigen Massenaktion" kam Anfang 1918 in ganz neuen Ausmaßen zum Durchbruch: in den Januarstreiks der Rüstungsarbeiter. Sie erwiesen sich als Vorspiel für die Novemberrevolution. Diese Streiks waren hauptsächlich politisch motiviert, die russische Oktoberrevolution sowie die anschließenden Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk hatten die ArbeiterInnen aufgerüttelt. In der 1929 im Internationalen Arbeiterverlag Berlin erschienenen „Illustrierten Geschichte der deutschen Revolution“ heißt es dazu:
„Die russische Delegation unter Trotzkis Führung benutzte die Brester Verhandlungen, um zum Fenster hinaus zu reden, d. h. um von dieser Tribüne aus den Völkern Europas die Grundsätze der proletarischen Revolution zu erklären. Diese Propaganda hatte starken Erfolg. In Österreich und in Deutschland kam es zu gewaltigen Streikbewegungen. An diesem Januarstreik beteiligten sich in Berlin etwa 500.000, im ganzen Reich ungefähr eine Million Arbeiter. Der Streik begann in Berlin am 28. Januar. Es wurde ein Arbeiterrat gewählt. Aus dessen Mitte wurde ein Ausschuss gebildet, zu dem drei Vertreter der USP und auch, trotz des schärfsten Widerstandes aller revolutionären Elemente, drei Vertreter der SPD hinzugezogen wurden. Am 29. Januar wurden alle Versammlungen verboten, am 30. wurde das Gewerkschaftshaus besetzt. In Berlin fanden große Demonstrationen statt, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Der Streik dehnte sich auf Kiel, Hamburg, Danzig, Magdeburg, Nürnberg, München, Rheinland-Westfalen, Köln, Mannheim, Kassel aus. Am 1. Februar wurde die Militarisierung einer Reihe von Berliner Großbetrieben erklärt. Außerordentliche Kriegsgerichte traten in Tätigkeit. (...) Den Sozialdemokraten war es gelungen, den Streik abzuwürgen. Sie waren, wie sie später zynisch erklärten, von vornherein nur zu dem Zweck in die Streikleitung eingetreten, um die Bewegung zu erdolchen. (…) Zehntausende Arbeiter wurden nach diesem Streik eingezogen und als politisch Verdächtige besonders gekennzeichnet an die Front geschickt.“[33]
Der Streik hatte sich allerdings nicht auf Kiel „ausgedehnt“ Die Streikbewegung hatte sogar in Kiel begonnen, als am 25. Januar etwa drei Viertel der Belegschaft der Friedrichsorter Torpedowerke die Arbeit niederlegten. Nachdem ihr Protest gegen die Einberufung mehrerer Vertrauensleute zum Heer Erfolg hatte, nahmen sie die Arbeit nicht wieder auf, sondern erklärten gegenüber der Direktion, sich nun „dem allgemeinen politischen Massenstreik“ anzuschließen. Denn inzwischen waren die Arbeiter der Germaniawerft und die weiterer Kieler Rüstungsbetriebe in den Ausstand getreten. Auf einer Kundgebung auf dem Wilhelmplatz forderten etwa 30.000 Arbeiter in einer Resolution an den Reichskanzler: „a) eine unzweideutige Erklärung der Reichsregierung, daß ein Friedensschluß nicht von der Zueignung fremder Gebiete oder einer Kriegsentschädigung abhängig gemacht wird; b) die sofortige Einberufung des Reichstags und der Sicherung seiner Mitwirkung bei den Friedensverhandlungen; c) sofortige durchgreifende Reform der Volksernährung insbesondere durch Erfassung der Nahrungsmittel bei den Produzenten und gerechte Verteilung zu erschwinglichen Preisen; d) die Auflösung des preußischen Abgeordnetenhauses und die Anordnung sofortiger Neuwahlen (…)“ [34]
Danach geschah allerdings nichts mehr zur Durchsetzung dieser Forderungen; am 1. Februar wurde die Arbeit wieder aufgenommen. SPD und Gewerkschaften hatten dem Streik jede Unterstützung verweigert. Das "Correspondenzblatt" schrieb am 2. Februar: "Die Gewerkschaften stehen der Bewegung fern. Man hat sie weder vor dem Ausbruch des Streiks verständigt, noch zu seiner Leitung hinzugezogen. Die Bewegung ist vielmehr unmittelbar aus den Arbeitermassen selbst herausgewachsen und ihre Ursachen sind in politischer Mißstimmung zu suchen. An Gründen hierfür fehlt es wahrlich nicht. (…) Die Gewerkschaften müssen die Verantwortung für den Ausbruch des Streiks wie für seine weitere Ausbreitung ablehnen (...) Daß die Gewerkschaften die Landesverteidigung nicht gefährden wollen, verbürgt ihr ganzes Verhalten seit Beginn des Krieges. Mögen jetzt diejenigen Kreise, die in Wirklichkeit die Verantwortung für die Zerstörung des inneren Friedens tragen, angesichts der Früchte ihres Tuns einlenken und das Gemeinschaftsinteresse des deutschen Volkes über ihre ehrgeizigen und herrschsüchtigen Bestrebungen stellen, und möge eine einsichtsvolle Reichsregierung dafür sorgen, dass dieses Gemeinschaftsinteresse des deutschen Volkes ausschließlich zur Geltung gelangt. Dann wird dieser erste deutsche Massenstreik in Deutschland auch der letzte bleiben. Wenn es anders kommen sollte, dann sehen wir trübe in die Zukunft!“ - !! - Die Militärführung setzte aus taktischen Überlegungen heraus nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel gegen die Arbeiter ein. Dennoch wurden 17 Kollegen vor ein außerordentliches Kriegsgericht gestellt.
In diesem Januar hielt sich auch Carl Legien in Kiel auf. Lothar Popp berichtet: „Am 27. Januar … legten die Arbeiter der Germania-Werft geschlossen die Arbeit nieder, und versammelten sich gemeinsam mit einem Teil der Friedrichsorter Arbeiter auf dem Wilhelmplatz, wo ich die Ziele der Bewegung darlegte und zur Wahl eines Arbeiterrats aufforderte. Der gegründete Arbeiterrat war der erste in Deutschland. (…) Interessant ist die Rolle, die der Vorsitzende der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, der Reichstagsabgeordnete Legien, bei dieser Gelegenheit gespielt hat. Wir hatten auf dem Wilhelmplatz zunächst einmal als Grundstock des Arbeiterrats 10 Kollegen der Germania-Werft gewählt, die übrigen Betriebe sollten (was nachher auch geschah) die weiteren Wahlen unter sich vornehmen. Uns leitete vor allem der Gedanke, daß der Arbeiterrat als Instrument des proletarischen Klassenkampfes aufzufassen sei, das geeignet erschiene, die Interessen der Arbeiter zu vertreten, ohne durch den Parteistreit in seiner Tätigkeit beengt zu sein. Es sollte eine neue Vertretung der Arbeiterinteressen durch die Arbeiter selbst sein. Als wir uns im Gewerkschaftshause konstituierten, stellte es sich heraus, daß Legien im Restaurant des Gewerkschaftshauses anwesend war. Auf Verlangen einiger Genossen, die der mehrheitssozialistischen Partei angehörten, wurde Legien gebeten, zu einer Besprechung zu uns zu kommen, was auch geschah. Ich legte nun als Vorsitzender des Arbeiterrates Legien die Frage vor, wie er sich zu dem Streik stelle. Legien antwortete, er müsse erst wissen, wer den Streik begonnen habe und was der Streik bezwecke, die Gewerkschaften hätten den Streik ja nicht in der Hand und nicht veranlaßt. Ich erwiderte ihm, daß wir zunächst nicht warten konnten, bis die Gewerkschaften den Streik inszeniert hätten, denn dann wäre er sicherlich niemals ausgebrochen. Im übrigen sei der Streik spontan ausgebrochen als Protest gegen Brest-Litowsk und um dem Frieden zu dienen. Legien versuchte immer wieder einer Erklärung aus dem Wege zu gehen, erst auf energisches Drängen der Mitglieder des Arbeiterrats, die der Partei Legiens angehörten, und nachdem ich erklärt hatte, daß wir uns den Streik zunächst als einen dreitägigen Demonstrationsstreik gedacht hätten, erklärte Legien, daß derartige Dinge eintreten, liegt in der Haltung der Regierung begründet, und im Hinblick auf das Verhalten derselben sei der Streik zu begrüßen. Ich fragte dann Legien noch, ob wir dann, wenn die Regierung trotz des Demonstrationsstreiks auf ihrer verderblichen Politik bestehe, resignieren sollten. Legien: ‚Nein, keineswegs.‘ Als ich nach Verbüßung meiner Gefängnisstrafe wieder nach Kiel kam, wurde mir ein Flugblatt vorgelegt, in dem der Januarstreik in der gemeinsten Weise heruntergemacht wurde, unterzeichnet Karl Legien. Der Reichslügenverband seligen Angedenkens hätte es schöner nicht machen können. Das Kieler Gewerkschaftskartell hat es abgelehnt, dieses Flugblatt zu verbreiten.“[35]
Legiens Anwesenheit in Kiel im Januar 1918 erwähnte auch Gustav Garbe in auf der DMV-Konferenz. Aber ganz anders als Popp. "Im Jahre 1918 ... sollte nicht wieder der Führer die Sache abhauen. Wir haben dann über drei Tage gestreikt und haben den vierten und fünften Tag noch dazu genommen. Am vierten Tag fingen die Massen an zu laufen und bei der Abstimmung hatten wir von den zuerst 55000 Arbeitern noch 12000, die überhaupt abstimmten." Und dann: "Bei uns in Kiel hat kein Legien oder keiner der anderen gebremst. Im Gegenteil, bei uns in Kiel war Legien gerade da und hat mitgemacht und hat mir persönlich gegenüber erklärt: es tut gar keinen Schaden, wenn die Arbeiter gegenüber der Regierung ebenfalls einmal etwas unternehmen (...) Ich will Ihnen nur den Beweis erbringen, dass es nicht die Vorstände der Gewerkschaften und Scheidemann oder der eine oder der andere waren, sondern dass die großen Massen des Volkes eben vorläufig noch nicht reif waren für die Revolution."[36] - Schönrederei auch hier.
Philipp Scheidemann hat 1925 die Rolle der SPD-Vertreter (neben ihm noch Ebert und Braun) in der Streikleitung folgendermaßen beschrieben: „Wenn wir nicht in das Streikkomitee hineingegangen wären, dann wäre der Krieg und alles andere meiner festen Überzeugung nach schon im Januar erledigt gewesen.“[37] Das mag dramatisch überhöht sein; das Ziel ihres Handelns liegt jedenfalls offen zutage. Auch von Legien gibt es noch ein Zeugnis aus der Zeit kurz nach Abbruch der Streiks.
„In Regierungskreisen“ hatte man Anfang 1918 „mit einer Trübung des Verhältnisses zwischen der Regierung und den Gewerkschaften zu rechnen“ begonnen. Das jedenfalls entnahm Carl Legien der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 18.2.1918, und er beeilte sich, dieser Erwartung entgegenzutreten. Das ist einem Brief zu entnehmen, den er am gleichen Tag an den kurz zuvor vom Amt des Reichskanzlers zurückgetretenen Bethmann-Hollweg schrieb. „Es wäre tief bedauerlich, wenn es dazu kommen sollte und unendlich viel Arbeit umsonst gewesen wäre. Die Gewerkschaften haben ihre Grundsätze und ihre Haltung nicht geändert.“ Legien distanzierte sich wiederum von den Januarstreiks. Aber er machte sich Sorgen: „Dagegen scheint an den leitenden Stellen im Reich gegenwärtig nicht das volle Verständnis für die schwierige Lage der Gewerkschaften vorhanden zu sein. (...) Die Unruhe und seelische Zermürbung der Arbeitermassen muß mit der Kriegsdauer wachsen. Jede Gefahr, daß eine Hoffnung, sei es im Aufbau des inneren politischen Lebens, sei es bezüglich Beendigung des Krieges, enttäuscht werden könnte, muß bedrückend auf die Arbeiterschaft wirken und, wenn erkannt wird, daß der gute Wille an den leitenden Stellen fehlt, die gefährlichste Erbitterung hervorrufen. Solche Stimmungen mit verschärften Maßnahmen oder Gewalt unterdrücken zu wollen, heißt sie nur verstärken... (...) Man scheint nicht begreifen zu können, wie ungeheuer man dadurch die Arbeit der Gewerkschaften erschwert und ihren günstigen Einfluß auf die Arbeiterschaft herabmindert. Die Ursachen für einen Konflikt sind sicher nicht von den Gewerkschaften gegeben.“
Bethmann-Hollweg antwortete am 28.2.1918: „Daß die Anstifter des Streiks sich an unserem Land schwer versündigt, die Interessen der Arbeiterschaft ernstlich geschädigt haben, liegt so offen zutage, daß ich darüber kein Wort verliere. Nur wer auf die innere Zermürbung unserer Verhältnisse hinarbeitet und Deutschland Zuständen entgegentreiben will, wie sie unsere Feinde wünschen, konnte an diesem Streik Freude haben. Ihre Ziele sind das nicht. Daß Sie mit Ernst und Treue zu dem Ihnen anvertrauten Werk stehen, daß Sie und die von Ihnen geleiteten Gewerkschaften ein Herz für die Zukunft unseres Volkes haben, weiß ich aus der Mitarbeit, die Sie mir geleistet haben, der ich mich stets mit besonderer Freude erinnern werde, und die Ihnen das Land auf immer zu danken haben wird. Aus den Erfahrungen dieser gemeinsamen Arbeit schöpfe ich das Vertrauen, daß Ihr Wille, an der Politik vom 4. August festzuhalten, sich nicht beirren lassen wird.“[38]
Diese Bereitschaft stellten Legien und die meisten Gewerkschaftsführer bis zum bitteren Ende unter Beweis. Noch vom 22. Oktober 1918 datiert ein von den freien Gewerkschaften, den Christlichen Gewerkschaften und den Deutschen Gewerkvereinen Hirsch-Duncker, aber auch etwa von der SPD und dem Vaterländischen Frauenverein unterzeichneter Aufruf an die „Mitbürger, Volksgenossen!“, in dem es unter der Überschrift „Ein ernstes Wort in ernster Stunde!“ heißt: „Sollte unsere Regierung durch die Unerbittlichkeit und den Übermut gegnerischer Gewalthaber gezwungen sein, das Volk zum Entscheidungskampfe aufzurufen, dann müssen wir wie ein Mann aufstehen und auch das Letzte hergeben für die Freiheit und die Zukunft unseres Vaterlandes!“ Denn: „Wir sind deutsch bis auf die Knochen und wollen deutsch bleiben.“[39]
Angesichts all dessen ist das Urteil des Gewerkschafts-Historikers Gerhard Beier über Carl Legiens Verhältnis zum Kieler Matrosenaufstand nicht verwunderlich. Er bezieht die Ausführungen Gustav Garbes über den Januarstreik auf die Novembertage und schreibt, das Zeugnis Garbes bedürfe "einer Differenzierung: Zwar hat 'bei uns in Kiel' tatsächlich kein Legien gebremst, aber er hätte! Wenn Legien in den entscheidenden Novembertagen in Kiel gewesen wäre, hätte er vermutlich den Schießbefehl als auch den Demonstrationszug zur Arrestanstalt in der Feldstraße zu verhindern gesucht. Vielleicht wäre er schon am Abend des ersten November in die Versammlung der 250 Matrosen des III. Geschwaders hier ins Gewerkschaftshaus gegangen, hätte sich ein Mandat geben lassen, eine Art Waffenstillstand ausgehandelt, wäre dann nach Berlin gereist und hätte an höchster Stelle die erforderlichen Befehle zur Beilegung des Konflikts erwirkt."[40] Das ist zwar etwas viel Spekulation aus der Feder eines Historikers, aber die Charakterisierung Legiens scheint durchaus plausibel. Ansonsten halten wir uns ruhig an das, was an Tatsachen bekannt ist.
Richten wir noch einmal den Blick auf die "entscheidenden Novembertage".
1. November: Während sich in Kiel zum ersten Mal die Matrosen versammelten, referierte Carl Legien auf einer Vertreterkonferenz der Gewerkschaftsvorstände in Berlin über „die Vorschläge zur industriellen Organisation der Übergangswirtschaft“ - er war mit der Vorbereitung seiner Verständigung mit den deutschen Schwerindustriellen unter Führung von Hugo Stinnes beschäftigt.
2. November: Das Kieler Gewerkschaftshaus blieb auf Befehl des Gouverneurs geschlossen. An die 600 Menschen, vor allem Angehörige der Kriegsmarine und verschiedener Landmarineeinheiten, versammelten sich daraufhin auf dem großen Exerzierplatz im Vieburger Gehölz. In den Kundgebungsreden erklang ein neuer Ton: Angestimmt hatte ihn Karl Artelt, der neben der Befreiung der Kameraden die Niederkämpfung des Militarismus und die Beseitigung der herrschenden Klassen forderte - wenn nötig, mit Gewalt.
"Kameraden, schießt nicht auf Eure Brüder! Arbeiter, demonstriert in Massen!" So hieß es auf Flugblättern, die am 3. November verteilt wurden. Noch einmal 57 Matrosen und Heizer waren verhaftet worden. Etwa 6000 Menschen versammelten sich um 17:30 Uhr auf dem Exerzierplatz. Eine Demonstration wurde angestrebt, für "Beendigung des Krieges, Freiheit und Brot", und nun sollten endlich die gefangenen Matrosen und Heizer befreit werden. Gustav Garbe "versuchte, die aufgebrachte Menge zu beruhigen und forderte, die Demonstration zwei bis drei Tage zu verschieben", angeblich, um eine größere Beteiligung der Arbeiterschaft zu ermöglichen. "Daran mochte sich Garbe später nicht mehr erinnern", schreibt Dähnhardt weiter und zitiert eine beschönigende Darstellung Garbes vom Dezember 1918. Nachdem der Demonstrationszug unter Feuer genommen und zerstreut worden war - sieben Tote blieben auf dem Pflaster - verstärkten sich Empörung und Solidarität.
4. November: In den Wiker Kasernen formierte sich ein Demonstrationszug von über 700 Angehörigen vor allem der Torpedodivision sowie der Werft- und U-Boot-Division. In ihrem Namen konfrontierten Karl Artelt und einige andere später den Gouverneur mit folgenden Forderungen: Abdankung des Hohenzollernhauses; Aufhebung des Belagerungszustandes; Freilassung aller gemaßregelten Kameraden vom 3. Geschwader; Freilassung aller im Zuchthaus zu Celle sitzenden Teilnehmer der Matrosenerhebung von 1917; Freilassung sämtlicher politischer Gefangenen; Einführung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts für beide Geschlechter. An eine erfolgreiche militärische Niederschlagung der Matrosenbewegung glaubte Souchon nicht mehr, deshalb befahl er zunächst die Freilassung eines Teils der Gefangenen und erreichte so sein erklärtes Ziel, "die erregten Massen bis zur Ankunft des unterwegs befindlichen Abgeordneten Noske und des Staatssekretärs Haußmann durch Verhandlungen hinzuhalten." Die Matrosen ihrerseits hätten dieses Verhandeln gar nicht nötig gehabt, sie hätten Souchon einfach absetzen und den Posten eines Gouverneurs ersatzlos streichen können. Am Vormittag legten die Arbeiter der Germaniawerft und der Torpedowerkstatt die Arbeit nieder; für den nächsten Tag wurde der Generalstreik beschlossen. Auf einer Sitzung im Stationsgebäude, an der sich auch Gustav Garbe beteiligte, präzisierten die Matrosen ihre Forderungen zu: Beseitigung der Krone; Abschaffung sämtlicher Monarchien in Deutschland, das eine freie Volksrepublik werden sollte, dessen Regierung nach dem Proportionswahlrecht, das auch für die Frauen zu gelten hätte, gewählt werden sollte; Preßfreiheit; restlose Entlassung aller Gefangenen. Abends trafen Noske und Hausmann in Kiel ein. Später am Abend wurde im Gewerkschaftshaus ein oberster Soldatenrat für die ganze Garnison gewählt. Die von diesem verabschiedeten "14 Punkte", die - von reisenden Matrosen bald in anderen Städten verbreitet - als wesentliches Dokument der Kieler Erhebung bekannt wurden, zeichnen sich durch weit geringere Zielklarheit aus. Die Beseitigung der Monarchie und selbst die Reform des Wahlrechts fehlen, es geht im wesentlichen um die Auseinandersetzung mit dem System des Militarismus.
Am 5. November ließ sich Gustav Noske während einer Massenversammlung auf dem Kieler Wilhelmplatz zum Vorsitzenden des Soldatenrats der Garnison ausrufen. Am 6. November entstanden Soldatenräte in vielen Küstenstädten, am 7. November auch im Binnenland; Gefangene wurden befreit, Truppen entwaffnet bzw. schlossen sich an; bis hinunter nach Köln ist die führende Beteiligung von aus Kiel kommenden Matrosen nachgewiesen.
In Berlin fand am 6. November ein Treffen zur Besprechung der "Kaiserfrage" statt, zu dem General Groener die Führer von SPD und Gewerkschaften geladen hatte. Oberst Hans v. Haeften berichtet über ein Telefonat Scheidemanns mit Noske, das kurz vor Beginn des Treffens stattfand; Noske habe darin die Lage als "fast hoffnungslos" bezeichnet, "es drohe ein allgemeines Chaos, und die Macht ginge immer mehr in die Hände der revolutionären Matrosen über." Über das Treffen selbst schreibt Haeften: „Nachdem alle Herren versammelt waren, besprach zunächst Ebert die Lage in kurzen Ausführungen. Es sei jetzt nicht die Zeit, nach den Schuldigen für den allgemeinen Zusammenbruch zu suchen. Die allgemeine Stimmung sähe aber im Kaiser den Schuldigen, ob mit Recht oder Unrecht, sei jetzt gleichgültig ... Daher sei die Abdankung des Kaisers, wenn man den Übergang der Massen in das Lager der Revolutionäre und damit die Revolution verhindern wolle, unumgänglich notwendig ...“ Dem widersprach Groener. Um später in seinen Lebenserinnerungen festzustellen: „Die Sozialdemokraten waren aufrichtig enttäuscht über meine Haltung. Sie erklärten, daß nun das Schicksal seinen Lauf nehmen müsse. (...) Wenn man mir irgendeine Entscheidung als Schuld anrechnen will, so ist es diese, daß ich mich damals nicht auf die Seite von Ebert geschlagen habe, um mit Hilfe der Mehrheitssozialisten die Monarchie zu retten ...“[41] Haeften zitiert Scheidemann: „‚Die Abdankungsfrage steht jetzt gar nicht mehr zur Diskussion. Die Revolution marschiert. Eben habe ich die Nachricht erhalten, daß zahlreiche Kieler Matrosen in Hamburg und Hannover die staatlichen Machthaber festgenommen und die öffentliche Gewalt an sich gerissen haben.'“ Ebert riet Groener dringend, „die letzte Gelegenheit zur Rettung der Monarchie zu ergreifen und die schleunige Beauftragung eines der kaiserlichen Prinzen mit der Regentschaft zu veranlassen. Der Abgeordnete Südekum unterstützte die Ausführungen Eberts mit bewegten Worten, und mit Tränen in den Augen (...) beschwor er den General Groener, auf den Ebertschen Vorschlag einzugehen, sonst stünde eine furchtbare Katastrophe bevor, ‚deren Folgen keiner von uns heute absehen könne'. Auch Legien sprach sich im gleichen Sinne aus.“[42]
Am 7. November übernahm Noske von Souchon den Posten des Gouverneurs und rettete damit eine Funktion des alten Regimes über die Revolutionstage hinweg, stellte sie dem Soldatenrat entgegen, dessen Vorsitz er Lothar Popp überließ. Neue Anstöße zur Entwicklung der Revolution kamen nun nicht mehr aus Kiel.
Am 14. November 1918 fand die 20. Konferenz der gewerkschaftlichen Verbandsvorstände statt. Im Tagungsprotokoll heißt es: "Einleitend gibt Legien einen kurzen Überblick über die Vorgänge der letzten Tage und begrüßt die Umwälzung als eine der größten der ganzen Weltgeschichte. Die Gewerkschaften haben von einem unmittelbaren Anteil an der Umwälzung auf Wunsch der Parteileitung Abstand genommen, aber von der Mitarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet sind sie nicht auszuschalten."[43] - Nun war es plötzlich ein gigantisches weltgeschichtliches Ereignis, das die Gewerkschaften verschlafen hatten; nun wurde die Revolution begrüßt, der man sich so sehr entgegen gestemmt hatte. Solches Verhalten ist kennzeichnend auch für die sozialdemokratische Presse dieser Tage, sei es Partei- oder Gewerkschaftspresse.
Die "Schleswig-Holsteinische Volkszeitung" titelte am 4.11.: "Das Ende mit Schrecken?" und führte aus: "Die Hydra des Aufruhrs hat gestern abend ihr wildes Schlangenhaupt erhoben. Abteilungen von Maaten und Applikanten verteidigten mit Maschinenpistolen, Gewehren und Revolvern das Gefängnis in der Feldstraße gegen meuternde Matrosen, die ihre Kameraden daraus befreien wollten. Soll wirklich die Selbstzerfleischung, das Ende mit Schrecken werden, nach dem Schrecken ohne Ende? Nach dem Elend und Jammer dieses Weltkrieges? Die Marinebehörden glauben im Recht gehandelt zu haben, denn sie setzten Gewalt einem gewaltsamen Angriff entgegen. Aber dieses Recht ist nur das enge und vergängliche des jeweils geltenden Buchstabens. Das ist das Unheilvolle und Tragische der gegenwärtigen Lage, daß das Böse fortwährend Böses gebiert, daß der innere Widerspruch und der Klassencharakter des Militarismus schließlich zum tragischen Ende führen muß." Die Matrosen werden als verzweifelte Putschisten bezeichnet. "Der heutige Matrose, den enge Abhängigkeit und seelischer Druck belasten, gleicht jenen ersten Vorkämpfern des Proletariats, in denen dunkle Kräfte ans Licht drängten, die das instinktive Gefühl hatten, im Recht zu sein, denen aber die Möglichkeit auf dem zweckmäßigsten Wege zu ihrem Ziel zu gelangen durch eine brutale, überlebte Gesetzgebung versperrt war und die deshalb in dumpfem Groll und gewaltsamen Empörungen aufbegehrten. Beständen Soldatenausschüsse, in denen ein organisierter und regelmäßiger Verkehr zwischen Vorgesetzten und Untergebenen vorhanden wäre, wäre der Matrose nicht so gänzlich nur Objekt, sondern Subjekt des militärischen Dienstbetriebes, dann wären die tiefbedauerlichen Ausschreitungen meuternder Soldaten und die noch bedauerlicheren Gegenmaßnahmen der Marinebehörden nie notwendig geworden."
Das ist schon eine harte Charakterisierung der Matrosen, die zum großen Teil erfahrene Facharbeiter waren und durchaus über politische Bildung verfügten, deren revolutionärer Kern sich gerade in den letzten Monaten, vor, während und nach der Revolte, in deren Folge im Vorjahr Reichpietsch und Köbis ermordet worden waren, intensiv mit der politischen Entwicklung im Reich auseinandergesetzt hatte Dennoch hatten sie, wie ihr Umgang mit von ihnen eroberten Macht nur zu drastisch zeigte, keinen wirklichen Plan für die Umgestaltung der Gesellschaft. Die überließen sie gutgläubig gern anderen; Schluss mit dem Kriegsdienst, heim zu den Familien - dieses Bedürfnis erwies sich bei der großen Masse der Soldaten als beherrschend, so dass die dauerhafte Existenz von Soldatenräten in Kiel und anderen Städten von vornherein in Frage gestellt war.
"Es wird Wandel geschaffen", verspricht das Blatt seinen LeserInnen ebenfalls auf der Titelseite: "Die bedauerlichen Vorgänge in Kiel haben uns veranlaßt, sofort einen Vertreter nach Berlin zu entsenden. Genosse Kürbis hat heute früh mit der Regierung verhandelt. Er trifft abends wieder in Kiel ein, und dann wird gehandelt und Wandel geschaffen werden. Genosse Ebert hat keinen Zweifel mehr darüber gelassen, ... daß die Partei jede nutzlose Fortführung des Kampfes ablehnt. Sie bittet angesichts der gegenwärtigen innerpolitischen Lage und des entschlossenen Willens der Regierung einzugreifen, dringend, daß die Arbeiter in den Betrieben bleiben." Ein Flugblatt der SPD-Leitung zitierend, mahnt die VZ zur "Besonnenheit": "Durch unterschriftslose Flugblätter und durch Agitation von Mund zu Mund ist an Euch die Aufforderung ergangen, die Betriebe zu verlassen und auf die Straße zu gehen. Wir raten Euch dringend, dieser Aufforderung nicht zu folgen. Wie Ihr alle wißt, befindet sich die Sozialdemokratische Partei im Zuge einer sehr wichtigen Aktion. Sie hat einige Genossen in die Regierung entsandt, um Frieden zu schließen und alle persönlichen Freiheiten sicherzustellen, deren die Arbeiterklasse zu ihrer weiteren Entwicklung bedarf. Wir fordern Euch auf, bei diesen Verhandlungen nicht durch Unbesonnenheiten dazwischenzutreten. Folgt darum keiner Aufforderung, die von einer unverantwortlichen Minderheit ausgegeben wird." - Das Ganze am Vortag des Kieler Generalstreiks! - Tags darauf, ungeniert: "Die Flotte unter der roten Fahne. Der Sieg der Freiheit! (...) Über der deutschen Flotte weht heute die rote Fahne der Revolution! Der 5. November 1918 wird ein ewig denkwürdiger Tag der deutschen Geschichte sein."
Der Leitartikel des "Correspondenzblatts" vom 9. November 1918 trägt den Titel "Die Sicherung der Demokratie in Deutschland". Mit der Revolution hat das gar nichts zu tun, vielmehr mit der schleppend in Gang gekommenen Parlamentarisierung des Reichs nach der endlich eingestandenen Niederlage des deutschen Militarismus im Kriege; inzwischen waren Scheidemann und Bauer ins Kabinett Max von Badens eingetreten. "In den letzten Wochen ist auf dem Gebiete der demokratischen Neugestaltung Deutschlands Großes erreicht worden. (...) Unterdes ist bei uns daheim ein Streit darüber entbrannt, ob die demokratischen Garantien ausreichend sind, um dem Ausland gegenüber, besonders dem feindlichen, als ein Volksstaat auftreten zu können." Ungeklärt war die Frage des Rücktritts von Wilhelm II; noch weitergehende Forderungen erhebe man "in Süddeutschland, wo man einen Verzicht der ganzen Hohenzollern-Dynastie für zeitgemäß hält", ja und nun gar die "Unabhängigen", die "gehen natürlich auch hierin gleich aufs Ganze. Die 'Leipziger Volkszeitung' proklamiert von Tag zu Tag abwechselnd die politische und die soziale Republik. In Berlin gibt es sogar Leute, die ernsthaft daran glauben, daß man von hier aus die republikanische Staatsform für Deutschland einfach dekretieren könne." Man denke!
Auch aus Kiel wird Bedenkliches berichtet, deshalb geht der Artikel auch darauf noch ein. Und zwar so: " Und zum Schluß ist noch eine ernste Forderung zu erheben, die durch die Vorgänge in Kiel zu einem drängenden Problem geworden ist. Es handelt sich um die Einschränkung der militärischen Dienstgewalt für den Fall von Straßenunruhen. Die militärischen Dienstordnungen, die für solche Fälle vorgesehen sind, entstammen einer Zeit, in der das Volk nur als Objekt der Regierung, als Untertanenmasse in Betracht kam. Ein Volksstaat, in dem das Volk zur Mitregierung berufen ist, und in dem das Heer allein die Aufgabe hat, das Land gegen äußere Feinde zu verteidigen, kann Instruktionen nicht dulden, wie sie kürzlich von der 'Leipziger Volkszeitung' ans Tageslicht gezogen wurden, Vorschriften, nach denen Straßenunruhen mit Maschinengewehren zu unterdrücken sind. In Kiel hat es sich gezeigt, wie leicht der Befehl zum Schießen auf das Volk gegeben wird und wie schwer durch solche Behandlung die öffentliche Ordnung gefährdet, anstatt beruhigt wird. Eine Änderung dieser Instruktionen ist unbedingt geboten. Der Einwand, daß die öffentliche Ordnung gegenüber Tumultuanten oder Putschisten nicht wehrlos gemacht werden dürfe, erscheint nicht stichhaltig für das Maß der Abwehr. Die Kriegstechnik hat zahlreiche Mittel an die Hand gegeben, um Aufläufe zu zerstreuen und unschädlich zu machen, ohne daß ein Massenblutvergießen notwendig erscheint. Wir vertrauen der Einsicht des Reichstages, hierin rasche und gründliche Abhilfe zu schaffen. (...) Ob blutige Zusammenstöße unter allen Umständen vermieden werden können, steht hier nicht in Frage, - darüber wäre jeder Streit müßig. Aber es muß vermieden werden, den Elementen, die nach solchen Zusammenstößen drängen, in diesen unruhigen Zeiten auch noch den Zündstoff zu liefern, indem Straßenkundgebungen mit unnötiger Schärfe unterdrückt werden."
Unbekümmert ob dieser noch am Siegestage der Revolution betriebenen konterrevolutionären Propaganda hieß es im "Correspondenzblatt" eine Woche später unter der Überschrift "Deutschland - ein Volksstaat": "Gewaltig sind die Ereignisse und Umgestaltungen, die sich binnen wenigen Tagen in Deutschland vollzogen haben. Das Volk im Waffenrock und im Arbeitskleid hat die alte Staatsordnung gestürzt und ist in der Aufrichtung einer neuen Ordnung begriffen, die den Volksstaat verwirklichen soll..." Gestern noch hatte man der Regierung Ratschläge gegeben, wie man Massenaufläufe zerstreuen könne, ohne allzu viel Blut zu vergießen, heute sah man sich als Träger des neuen Staates und hoffte, dass die Gewerkschaften bald wieder aus ihrer Stellung im Hintergrund heraustreten und zu anerkannten Organisationen der Arbeiterschaft mit entsprechend großem Einfluss auf die Politik werden könnten.
Max Schippel, Leiter der Sozialpolitischen Abteilung bei der Generalkommission, hat eine bemerkenswerte Beschreibung der Stellung der Gewerkschaften zur Revolution gefunden: "Die Revolution wiederum entwurzelte zum Teil jene allmählich herangereifte reformistische Anschauungsweise, ohne die ein vollentwickeltes Gewerkschaftsleben kaum denkbar ist."[44] Die Revolution entwurzelt den Reformismus - sehr schön gesagt. Aber das stimmte eben nur zum Teil.
In ihrem Rückblick auf das Jahr 1918 schrieb die Generalkommission im "Correspondenzblatt" am 4. Januar 1919: "Die deutschen Gewerkschaften wurden durch den Verlauf der Revolution etwas in den Hintergrund gedrängt. Das mag für die Revolution in höchstem Maße nachteilig gewesen sein, insofern diese der organisatorisch geschulten Kräfte beraubt wurde. Für die Gewerkschaften selbst war es kein Nachteil, denn sie blieben dadurch von dem leidenschaftlichen Zersetzungsstreit verschont, der in allen politischen Lagern entbrannt ist, und konnten sich so mehr ihren wirtschaftlichen Aufgaben widmen, die allerdings durch eine unverantwortliche Streikwut sehr erschwert wurden. (...) Die Gewerkschaften würden ein solches Mißtrauensvotum, wie es das selbständige Vorgehen der Betriebsbelegschaften darstellt, verdienen, wenn sie ihre Zeit nicht begriffen, sondern der großen Umgestaltung gegenüber untätig zugesehen hätten. Wie wenig sie dieser Vorwurf treffen kann, beweist der große Centralvertrag, den die Gewerkschaften mit den Arbeitgeberverbänden abgeschlossen haben. Dieser Vertrag sichert die Durchführung der Übergangswirtschaft, die eine Lebensfrage für das ganze deutsche Volk ist, durch eine Centalarbeitsgemeinschaft aller Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände auf völlig paritätischer Grundlage, mit Arbeitsgemeinschaften in den einzelnen Industrien, Branchen und Bezirken. Und er beruht auf einer Ordnung der Arbeitsverhältnisse, die die kühnsten Erwartungen der organisierten Arbeiterschaft erfüllt. Anerkennung des Koalitionsrechts und der Gewerkschaften, Beseitigung der gelben Organisationen, Einführung von Tarifverträgen in allen Berufen, Einsetzung von Arbeiterausschüssen und Schlichtungsinstanzen, paritätische Regelung des Arbeitsnachweises, Einführung des Achtstundentages, Anerkennung des Rechtes auf Arbeit für alle Kriegsteilnehmer - alle diese Forderungen, für die seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten gekämpft wurde, sind schon vor der Revolution auf der ganzen Linie durchgesetzt und vertragsmäßig festgelegt worden. Unzählige Reibungen und Widerstände, die nach dem Kriege befürchtet werden mußten, sind durch dieses Abkommen glatt hinweggeräumt und der Arbeiterklasse eine Periode ruhiger Erholung nach den erschöpfenden Kriegsjahren gesichert. (...) Die Gewerkschaften haben der Revolution wacker vorgearbeitet ... "[45]
Hier wird, nachdem das Wüten des mit Hilfe der SPD organisierten weißen Terrors in den Straßen Berlins schon begonnen hatte - von wegen "ruhige Erholung" - , Geschichtsklitterung getrieben. Die Bedingungen, die die meisten Unternehmer zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften getrieben hatten, werden nicht erwähnt. Und dass die in der Zentralen Arbeitsgemeinschaft (ZAG) getroffenen Vereinbarungen - nach den Verhandlungsführern beider Seiten auch "Stinnes-Legien-Abkommen" genannt - bereits vor der Revolution "auf der ganzen Linie durchgesetzt" worden seien, ist eine glatte Lüge.
Die Gespräche über die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern hatten tatsächlich bereits vor der Revolution begonnen. Aber ihre wesentlichen Inhalte wurden erst spät definiert. Wie Leipart auf der Vorständekonferenz am 3.12.1918 klarstellte, waren die Kapitalisten noch am 8. November keineswegs damit einverstanden, dass die formale Anerkennung der Gewerkschaften auch schon zur allgemeinen Vereinbarung von Tarifverträgen führen sollte. Ja, sie erklärten dieses Ansinnen für "praktisch unmöglich". "Ebenso war in den Verhandlungen vor dem 9. November von dem Achtstundentag noch keine Rede (...). Der Hauptgegenstand der Verhandlungen vor der Revolution war die Bildung der Arbeitsgemeinschaft; dann kamen die Revolutionstage. (...) Am Morgen des 11. November habe ich mit Legien telephonisch gesprochen und ihm gesagt, daß nach meinem Dafürhalten die Verhandlungen jetzt ein anderes Gesicht bekommen müßten; wir würden jetzt nicht einfach nur die Arbeitsgemeinschaft zu bilden haben und eventuell, wie die Unternehmer das ... in Aussicht gestellt hatten, ein paritätisches Schlichtungsorgan zugestehen unter Ablehnung von tariflichen Vereinbarungen, sondern wir würden jetzt erheblich weitergehende Forderungen zu stellen haben: den Achtstundentag, allgemeine Vereinbarung von Tarifverträgen für sämtliche Berufe und vor allem auch die Forderung, daß die Arbeitgeber die Gesamtheit der Arbeitgeberverbände zu diesen Verhandlungen zuziehen müßten. Bis dahin waren nur die Metall- und Schwerindustriellen aus dem Rheinland vertreten. Legien erklärte sich mit dieser Anregung sofort einverstanden."[46]
Die ZAG wird gern als größte Leistung Legiens neben seinem Anteil an der Niederringung der Putschisten um Kapp und Lüttwitz bezeichnet. Dabei werden die Bedingungen ihres Zustandekommens in aller Regel äußerst ungenügend berücksichtigt.
Theodor Leipart berichtet von "Besprechungen ... , die Legien und einige andere Gewerkschaftsführer schon seit Dezember 1917 mehrmals mit den Großunternehmern Stinnes, Hilger, Deutsch, Vögler, v. Siemens, Rathenau, v. Borsig, v. Raumer und anderen geführt hatten", und fährt fort: "Die erste Annäherung war auf Einladung dieser Unternehmerkreise erfolgt, die Besprechungen erfolgten zwanglos und auch ohne ein praktisches Ergebnis, bis im Oktober und Anfang November greifbare Vorschläge gemacht wurden. (...) Sie wurden durch die darauf folgenden Revolutionstage kurze Zeit unterbrochen und führten dann zu dem bekannten Abkommen vom 15. November 1918 ..."[47]
Etwas genauer berichtet Hans v. Raumer, Vorstandsmitglied des Zentralverbands der deutschen elektrotechnischen Industrie, über die Vorgeschichte der ZAG: "Die Anregung, mit der ich im Juli 1918 an einige mir bekannte Führer der Fertigindustrie herantrat, eine organische Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften zu finden, bevor die Flut der Ereignisse über uns alle hinwegging, fand Zustimmung ... " Am 2. 10. traf von Raumer mit Legien, Bauer und Schlicke (DMV) zusammen. "Kennzeichnend für die an diesem Tage geschaffene Atmosphäre war das Wort, das mir Legien auf dem gemeinsamen Heimweg sagte: 'Und wenn aus der ganzen Sache nicht mehr herauskommt, als das wir alle vier Wochen zwanglos um einen Tisch sitzen, so ist schon viel erreicht.'" -!!-
Raumer wurde am 3.11. mit dem Antrag auf Einrichtung der Demobilmachungsbehörde in der Reichskanzlei vorstellig. Dort "empfing mich ... der Vizekanzler von Payer. Auf seine etwas skeptische Frage, in wessen Auftrag ich käme, konnte ich ihm antworten: 'Im Auftrag der einzigen Macht, die heute noch in Deutschland existiert, der vereinigten Unternehmer und Arbeitnehmer Deutschlands.'" Raumer schließt seinen Beitrag mit den Worten: "Man geht nicht zu weit mit der Feststellung, daß die ZAG im ersten Jahr ihres Bestehens Deutschland vor dem Chaos und vor einer bolschewistischen Revolution bewahrt hat. Als alle Autoritäten zusammenbrachen: Monarchie, Staat, Militär und Bürokratie, schuf sie durch den Zusammenschluß der Unternehmer mit den Gewerkschaften eine Macht, die die Wirtschaft und die Betriebe in Ordnung hielt. Der bei allen Revolutionen sonst zu beobachtende Vorgang, daß sich die Arbeiter gegen ihre Arbeitgeber wandten, wurde nicht ausgelöst, weil die Gewerkschaften fest zur Ordnung und zu ihrer Aufrechterhaltung mit den Unternehmern zusammenstanden."[48]
In einem Vortrag vor der Vereinigung der Handelskammern des rheinisch-westfälischen Industriebezirks am 30.12.18 über "Entstehung, Bedeutung und Ziel der 'Arbeitsgemeinschaft" führte Dr. Johann Reichert, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, aus: „Tatsächlich war die Lage schon in den ersten Oktobertagen klar. Es kam darauf an: Wie kann man die Industrie retten? Wie kann man auch das Unternehmertum vor der drohenden, über alle Wirtschaftszweige hinwegfegenden Sozialisierung, der Verstaatlichung und der nahenden Revolution bewahren? Am 9. Oktober saß im Stahlhof zu Düsseldorf eine Anzahl von Eisenindustriellen, die sich über diese Dinge unterhielten. Die Versammelten waren sich einig darüber, daß unter den bestehenden Verhältnissen die Regierung des Prinzen Max von Baden und des Herrn von Payer unhaltbar sei, und daß sie bald gestürzt würde. ... Jedenfalls haben sich die Eisenindustriellen von einer schwachen Regierung keine Hilfe versprechen können. Blickte man weiter und fragte man: kann vielleicht das Bürgertum künftig eine starke Stütze und Hilfe für die deutsche Wirtschaftspolitik werden, so mußte man angesichts der vielen bedauerlichen Erscheinungen und der häufigen Enttäuschungen, die man in all den Jahrzehnten erlebt hat, sich sagen: Auf das Bürgertum, wie es einmal in Deutschland ist, ist in wirtschaftspolitischen Dingen leider kein Verlaß. Einen überragenden Einfluß schien nur die organisierte Arbeiterschaft zu haben. Daraus zog man den Schluß: Inmitten der allgemeinen großen Unsicherheit, angesichts der wankenden Macht des Staates und der Regierung gibt es für die Industrie nur auf Seiten der Arbeiterschaft starke Bundesgenossen, das sind die Gewerkschaften... Wenn in der großen Masse der organisierten Arbeitnehmer der Gedanke der Zusammengehörigkeit, der Solidarität, mit den Unternehmern für die großen wirtschaftspolitischen Fragen erweckt werden kann, dann - so schien es - ist ein Weg vorhanden, auf dem man künftig zum Besten der deutschen Industrie weitergehen kann, dann ist eine Aussicht auf Rettung."[49] -
Die ZAG zerbrach bereits ziemlich genau fünf Jahre nach ihrem Zustandekommen, provoziert durch den Erlass einer neuen Arbeitszeitverordnung im Dezember 1923, mit der die strafbewehrte gesetzliche Beschränkung der täglichen Arbeitszeit auf acht Stunden aufgehoben wurde.
Carl Legien kam erst im Januar 1919 wieder nach Schleswig-Holstein - als Wahlkämpfer für einen Sitz in der Nationalversammlung. In Eckernförde bezeichnete er am 12.1. die Novemberrevolution als "größte Revolution in der Weltgeschichte"; offensichtlich trug er den Gefühlen der Massen Rechnung. Diesem Bemühen ist es wohl auch geschuldet, dass er in seinen Wahlkampfreden auf sein größtes politisches Projekt in dieser Zeit, die ZAG, gar nicht einging. Über seinen Auftritt in Kiel berichtete die „Volks-Zeitung“ am 6.1.1919: „Nach den 4 1/2 jährigen Ereignissen sei er heute stolz darauf, daß er am 4. August die Kriegskredite bewilligt habe.“ Wörtlich wird Legien zitiert: „Eine völlige Umgestaltung der politischen Verhältnisse ist eingetreten. Es ist eine soziale Revolution, und was das Erfreulichste dabei ist, mit verhältnismäßig geringen Opfern erkämpft worden. Wir danken dies den Opfern, die im Freiheitskampfe gefallen, auch denen in Kiel. (...) Der Erfolg der Revolution beweist, daß die seit dem 4. August 1914 eingeschlagene Politik der Sozialdemokratischen Partei die richtige gewesen ist. Wären wir den Unabhängigen gefolgt und hätten schon 1917 Schritte unternommen, so wären sie mit Waffengewalt niedergeschlagen worden." - Verwegene Worte aus dem Munde eines Mannes, der selbst überhaupt keine entsprechenden "Schritte" unternommen hatte... "Die Voraussetzung der Revolution war der Zusammenbruch des Militarismus. Die wahnsinnige Idee, den Gegner mit Waffengewalt niederzuschlagen, mußte erst Schiffbruch erleiden. Der Verlauf der Revolution hat auch gezeigt, daß der Eintritt der Sozialdemokratie in die Regierung der richtige war. Die militärischen Gewalten machten die Politik im Lande. Erst durch den Eintritt in die Regierung wurde die Möglichkeit gegeben, die politischen Verhältnisse zu ändern. Auf Drängen der Obersten Heeresleitung wurde das Waffenstillstandsangebot gemacht, worauf die Sozialdemokratie die Abdankung des Kaisers verlangte. (...) Am 9. November trat die allgemeine Arbeitsruhe in Berlin ein. Dann begannen die Verhandlungen mit der USP, den Bruderkampf einzustellen. Prinz Max von Baden erklärte: Nicht die Sozialdemokratie darf aus der Regierung ausscheiden, sondern ich und die bürgerlichen Parteien. Genosse Ebert übernahm die Leitung.[50] Die Taktik der Sozialdemokratischen Partei hat bewirkt, daß die Sozialdemokratie sich auch Anerkennung in bürgerlichen Kreisen erworben hat und ohne Widerstand ließen die bürgerlichen Gewalten die Regierung in unsere Hände übergehen.“ Während seines Vortrags kam es, wie Dähnhardt vermerkt, zu "lebhafter Gegenrede" und gar zu "tumultartigen Szenen".
Gegen die Rätemacht, für die Nationalversammlung argumentierte Legien so: "Eine Diktatur ist zu verwerfen, woher sie auch kommen mag. Lange genug haben wir gelitten unter der Diktatur des Junkertums. Wir sind Demokraten, nicht nur Sozialdemokraten.“ Dieser auch von anderen später häufig wiederholte Satz - geradezu eine Umkehrung des Selbstverständnisses der Arbeiterbewegung, aus dem der Name "Sozialdemokratie" einst entstanden war - begründet die grundsätzliche Ablehnung des Gedankens, die ArbeiterInnenklasse dürfe der übrigen Gesellschaft im Interesse der endgültigen Überwindung der Klassenherrschaft ihren Willen aufzwingen. "Der Wille des Volkes hat zu entscheiden. (...) Das freieste Wahlrecht der Welt, nach dem gewählt wird, hat das Versprechen der sozialistischen Regierung wahr gemacht.“ Schließlich versprach Legien seinen ZuhörerInnen noch die Sozialisierung und den Kampf gegen Liebknecht; zwei Versprechen, von denen immerhin eines gehalten wurde.
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"Der Kaiser ging, die Generäle blieben" - mit diesem geflügelten Wort ist viel über das Schicksal der im November 1918 erkämpften Republik gesagt. In Kiel ging die militärische Gewalt bald wieder in die Hand der Offiziere über. Noske sorgte hier auch für die Aufstellung eines Freikorps, der 3. Marinebrigade unter Leitung des Korvettenkapitäns Wilfried v. Löwenfeld, dessen Angehörige sich als Arbeitermörder im Einsatz gegen Streikende bereits 1919, als Beteiligte am Kapp-Putsch in Schlesien und dann im Dienste der Reichsregierung im Einsatz gegen kämpfende ArbeiterInnen im Ruhrgebiet auszeichneten. Löwenfeld und viele andere wurden anschließend anstandslos in die Reichsmarine übernommen. - „Von Kiel aus wäre, wenn ich die rote Sturmfahne ergriffen und vorangetragen hätte, eine Flut über Deutschland hinweggebraust, deren Ausmaße man sich heute kaum ausdenken kann.“ Diese Äußerung Noskes mag auch dazu gedient haben, seine eigene Bedeutung im Dienste der Konterrevolution besonders herauszustreichen. Unstrittig aber bleibt, dass er die Unerfahrenheit und mangelnde Zielklarheit der Aufständischen in Kiel weidlich für sich ausgenutzt und nach Kräften dazu beigetragen hat, der Arbeiterklasse nicht allein den Weg zum Sozialismus zu verbauen, sondern selbst eine demokratischere Ausgestaltung der Republik, eine wirklich feste Verankerung der demokratischen und sozialen Errungenschaften der Revolution zu verhindern.
Der bewaffnete Aufstand der Arbeitermassen mit und ohne Uniform im November 1918, der in Kiel begann, ermöglichte mit einem Schlag die Verwirklichung vieler Forderungen, für die die arbeitenden Menschen jahrzehntelang gekämpft hatten. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht, das nun auch für Frauen galt, gehört an vorderster Stelle dazu. Dies war aber nicht der "wackeren Vorarbeit" der Gewerkschaftsführer geschuldet, sondern denen, die "über ihre Köpfe hinweg" entschieden hatten, es wurde den ArbeiterInnen nicht gegeben als "Preis für ihre Kriegsleistung" und nicht "um der Gerechtigkeit willen". Der von SPD und Gewerkschaften herbeigesehnte siegreiche Ausgang des Krieges in Deutschland hätte wohl gerade die Kräfte gestärkt, die die Hilfe der Sozialdemokratie zwar gern angenommen hatten, sie aber ebenso gern wieder in ihre untergeordnete Stellung verwiesen hätten, sobald sie dieser Hilfe entbehren konnten. Genau diese Kräfte blieben nach der Revolution weitgehend unbehelligt. Schließlich blieben nicht nur die Generäle. Es blieben auch die Kapitalisten.
Hugo Stinnes hatte nicht nur auf die Sozialdemokratie gesetzt bei seinem Bemühen, die Herrschaft des Kapitals zu retten. Er gehörte auch zu den Finanziers von Verbänden wie der Antibolschewistischen Liga, unterstützte Kapp, Lüttwitz und Ludendorff und pflegte früh Verbindungen zu Röhm und Hitler. Am 23. Januar 1920 erklärte er: „Es ist das Zeichen einer wahren Demokratie, daß sie in Zeiten der Todesgefahr ihren Diktator findet“[51]. Am 20. Mai 1922 fand Stinnes in einer öffentlichen Ansprache über seinen Sozialpartner folgende Worte: „Es wäre eine häßliche Unaufrichtigkeit, wollte ich hier behaupten, Carl Legien und ich seien nicht in vielen Grundauffassungen durchaus verschiedener Auffassung gewesen. Werdegang und Lebenserfahrungen mußten verschiedene Auffassungen mit sich bringen. Ich habe aber kaum einen zweiten Mann kennengelernt, der mit größerer Objektivität einen anderen Standpunkt hören und ihn würdigen konnte, wenn er ihn auch nicht teilte, der ein zwar scharfer, ja rücksichtsloser Verfechter seiner Ideen war, aber in einer auch für den Gegner erträglichen Art. Als im Herbst 1918 der Krieg den unglücklichen Ausgang nahm, als das staatliche Gebäude bis in die Grundfesten erschüttert war, als die Demobilmachung, deren Schwierigkeiten damals nur wenige in ihrer vollen Tragweite übersahen, Deutschland in ein Chaos zu stürzen drohte, damals ist Carl Legien einer der Lebensretter Deutschlands geworden.“ Die von Stinnes gegründete Schiffahrts-AG ließ an diesem Tag einen neuen Dampfer vom Stapel, den dritten einer Serie, die „je auf den Namen großer deutscher Männer getauft werden sollten“. Hugo Stinnes gab ihm den Namen „Carl Legien“. Die beiden zuvor gebauten Schiffe der Serie trugen die Namen „Hindenburg“ bzw. „Ludendorff“...[52]
Carl Legien starb im Jahr 1920. Sein Nachfolger wurde Theodor Leipart, der im April 1933 versuchte, die Gewerkschaften auch noch in den nationalsozialistischen Staat einzugliedern. Für die theoretische Untermauerung der Politik des ADGB war seit 1924 Leiparts Vertrauter Lothar Erdmann zuständig, und dieser erklärte die Politik des ADGB von 1933 zur zwangsläufigen Folge der "Politik des 4. August."[53] Mit Carl Legien, davon bin ich immerhin überzeugt, wäre dies nicht zu machen gewesen. Die Grenzen seiner Vorstellungswelt sind hinreichend deutlich geworden. Vor allem im Kampf gegen Kapp zeigte sich aber auch seine Bereitschaft, die in Folge der Revolution erreichten Errungenschaften, die er für wichtig hielt, zu verteidigen. Mit dem Reichswehrminister Noske, der nach dem Sieg der ArbeiterInnen über die Putschisten seinen Hut nehmen musste, hatte er hier nicht mehr viel gemein.
Im Zuge des Kampfes gegen die Putschisten, dieses eine Mal, sah auch Carl Legien drastische Eingriffe in das formale Spiel des Parlamentarismus als Möglichkeit an: eine Arbeiterregierung unter Ausschaltung der Parteien des Großbürgertums schien ihm ein nahe liegender Gedanke. Die nahezu einhellige Ablehnung dieses Gedankens durch die SPD-Führung ließ ihn nicht darauf beharren; auch taktische Überlegungen mögen hier eine Rolle gespielt haben. Doch wir wollen in Erinnerung behalten, was er am 9. April 1920 im "Vorwärts" mit Blick auf einen möglichen "Ausgleich der Gegensätze in der Arbeiterklasse" geschrieben hat: "Aber, wenn auch diese Einigung nicht voll erreicht werden sollte, wissen wir nach den Vorgängen in diesen Märzwochen eines sicher: eine reaktionäre, eine militaristische Regierung kommt in Deutschland nicht wieder. Gegen diese wird die Arbeiterschaft sich immer so zusammenfinden, wie sie es in diesem Abwehrkampf getan hat."
Allerdings wurden dann Truppen, die sich gerade geweigert hatten, den Putschisten entgegenzutreten, und Freikorpsverbände gegen Arbeiter in Marsch gesetzt, die in begründetem Misstrauen gegen die Versprechungen der Regierung ihre Waffen nicht hatten abliefern wollen, und verübten bestialische Grausamkeiten unter der Arbeiterbevölkerung. Im "Correspondenzblatt" wurden die kämpfenden Arbeiter teilweise übel beschimpft. Und zu einem gemeinsamen Abwehrkampf wie 1920 kam es nicht wieder. Die in der Politik des 4. August begründete tiefe Spaltung der Arbeiterbewegung in Deutschland wurde nicht überwunden, viele Möglichkeiten, die die Revolution der Arbeiterschaft und ihren Organisationen in die Hand gegeben hatte, wurden vertan. Die Republik bestand nur 14 Jahre. Dann bestätigte sich, was Carl v. Ossietzky 1928 geschrieben hatte: „Ein verlorener Krieg kann schnell verwunden werden. Eine verspielte Revolution, das wissen wir, ist die Niederlage eines Jahrhunderts.“[54]
[1] Carl Legien in Eckernförde am 12.1.1919; "Eckernförder Zeitung", 13.1.1919
[2] Dirk Dähnhardt: "Revolution in Kiel", Karl Wachholtz Verlag Neumünster 1978, S.61 (Im Folgenden: Dähnhardt)
[3]Wolfram Wette: "Gustav Noske", Droste Verlag Düsseldorf 1987, S. 27/28
[4] Sitzungsprotokoll abgedruckt in "Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert", Bd. 1, Bund-Verlag Köln 1985, S. 74-85. Legiens Äußerung S. 83
[5] Richard Müller: "Vom Kaiserreich zur Republik", Nachdr. Verlag Olle & Wolter, Berlin 1979, S. 75
[6]Zit. in: Jürgen Kuczynski: "Der Ausbruch des ersten Weltkrieges und die deutsche Sozialdemokratie", Akademie-Verlag Berlin 1957, S. 78-80
[7] Ebd., S. 82
[8] W. Keil: "Erlebnisse eines Sozialdemokraten", zit. bei Kuczynski, S. 85
[9] Paul Lensch, "Am Ausgang der deutschen Sozialdemokratie", S. Fischer Verlag Berlin 1919, S. 15
[10] Theodor Leipart: "Carl Legien", Repr. Bund-Verlag Köln 1981 (im Folgenden: Leipart), S. 101
[11] Lujo Brentano, "Mein Kampf für die soziale Entwicklung Deutschlands", zit. bei Kuczynski, S. 130
[12] Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften Bd. VIII, S. 222/223
[13] W. I. Lenin: "Bemerkungen zu den Aufgaben unserer Delegation im Haag", Werke Bd. 33, S. 433/434
[14] Karl Liebknecht: "Klassenkampf gegen den Krieg!", Ges. R. u. Sch. Bd. VIII, S. 27
[15] Hier zit. nach "Die Arbeit" 3/1933, S. 139
[16] "Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Jena vom 14. bis 20. September 1913", Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1913, S. 304
[17] Zit. in: E. Hamburger, "Juden im öffentlichen Leben Deutschlands", J. C. B. Mohr Tübingen 1968, S. 454
[18] Zit. in: H.-U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 4, C. H. Beck 2008, S. 45
[19] "Die Arbeiterschaft im neuen Deutschland", Verlag von S. Hirzel in Leipzig 1915, S. 92 - 97
[20] "Die Arbeiterschaft ...", S. 228/229
[21] Das Buch erschien im Verlag der Internationalen Korrespondenz, Berlin-Karlshorst. Aufsatz Scherm S. 106-112, Müller 142-149. Hervorheb. von mir - D.L.
[22] Carl Legien: "Warum müssen sich die Gewerkschaftsfunktionäre mehr am inneren Parteileben beteiligen?", Verlag der Gewerkschaftskommission Berlins und Umgegend 1915, S. 36-39
[23] Leipart, S. 101. Hervorheb. von mir - D.L.
[24] Eugen Prager: "Das Gebot der Stunde", Dietz Nachf., Berlin/Bonn 1980, S. 49
[25] Dirk Dähnhardt: "Revolution in Kiel", Karl Wachholtz Verlag Neumünster 1978, S. 34
[26] Dähnhardt, S. 42
[27] Von März1916 bis November 1916 war Garbe auch Vorsitzender der Kieler SPD, legte dieses Amt aber wegen Arbeitsüberlastung nieder
[28] Zit. in: G. Beier, "Carl Legien", in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Bd. 67, Heft 9/10, Kiel 1980 (im Folgenden: Beier), S. 190/191
[29] "Correspondenzblatt", 9.12.1916
[30] "Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", Reihe II, Bd. 1, S.506/507
[31] "Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert", Bund-Verlag Köln 1985, S. 354/355
[32] "Ursachen und Folgen", Dokumenten-Verlag Dr. Herbert Wendler & Co., Berlin 1958, S. 236-238
[33] Reprint Verlag Neue Kritik Frankfurt am Main 1970, S. 161/162
[34] Dähnhardt, S. 44
[35] Lothar Popp / Karl Artelt: "Ursprung und Entwicklung der Novemberrevolution 1918", in: "Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung", Sonderveröffentlichung 15 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 1983, S. III-7/III-8
[36] Beier, S. 191
[37] Wolfgang Ruge: "Novemberrevolution", Dietz Verlag Berlin 1988, S. 18/19
[38] Zitate aus Brief und Antwortbrief nach Leipart, S. 103-105
[39] Als Faksimile in: Wolfgang Ruge: "Novemberrevolution", Berlin 1978, S. 24
[40] Beier, S. 199
[41] Wilhelm Groener: "Lebenserinnerungen", Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1957, S. 451
[42] Haeften zit. nach: G. Ritter / S. Miller: "Die deutsche Revolution 1918-1919 - Dokumente", Hamburg 1975, S. 451
[43] "Beschlüsse der Konferenzen von Vertretern der Zentralverbandsvorstände", Berlin 1919, S. 106
[44] "Vom Münchener bis zum Nürnberger Gewerkschaftskongress", in: "Sozialistische Monatshefte" 9/1919, S. 614
[45] "Correspondenzblatt", 4.1.1919, S. 9
[46] "Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung", a.a.O., S. 568
[47] Leipart, S. 107
[48] Raumer zit. in: G. Ritter / S. Miller: "Die deutsche Revolution ...", HH 1975, S. 233-237. Hervorhebung von mir - D.L.
[49] Zit nach: Richard Müller, "Geschichte der deutschen Revolution" Bd. II, Repr. Berlin 1979, S. 111/112 und "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", Berlin 1966, Bd. 3, S. 469/470
[50] Diese Amtsübergabe begründet Prinz Max in seinen Memoiren so: "Ich sagte mir: die Revolution ist im Begriff, siegreich zu sein; wir können sie nicht niederschlagen, vielleicht aber ersticken." Zit. in: W. Ruge, a.a.O., S.44
[51] G. D. Feldman: "Hugo Stinnes. Biographie eines Industriellen", C. H. Beck 1998, S. 574
[52] Leipart, S. 176/177
[53] "Die Arbeit. Zeitschrift für Politik und Wirtschaftskunde", Heft 3/1933, S. 152-161
[54] "Weltbühne", 6. November 1928