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Rede und Schlusswort von Alexis Tsipras im EU-Parlament am 8. Juli 2015 im Wortlaut

Meine Damen und Herren Abgeordneten,

ich danke Ihnen für ihre Einladung; das Wort zu ergreifen an diesem hohen Ort der europäischen Demokratie, mich an die gewählten Vertreter des europäischen Völker zu wenden in einem entscheidenden Moment für mein Land, Griechenland, für die Euro-Zone und für die Europäische Union, ist für mich eine Ehre. Vor einigen Tagen haben wir beschlossen, das griechische Volk zu konsultieren und es gebeten, in den Gang der Verhandlungen einzugreifen und sich über seine Zukunft zu äußern. Vor einigen Tagen hat sich das griechische Volk mit starker Stimme geäußert. Das Mandat, das es uns anvertraut hat, gibt uns den Auftrag, die Anstrengungen zu verdoppeln und zu einer sozial gerechten und wirtschaftlich tragfähigen Lösung zu gelangen – weit entfernt von den Irrtümern der Vergangenheit, die unserer Wirtschaft einen verhängnisvollen Schlag versetzt hat, weit entfernt von der Austeritätspolitik, die diese in die Falle eines deflationistischen Zirkels geführt und die Gesellschaft in eine tiefe und anhaltende Depression eingeschlossen haben.

Angesichts eines unerhörten Drucks, der Schließung der Banken, eine wirklichen Kampagne der Einschüchterung – die Mehrheit der Medien wiederholte, dass die Entscheidung für das „Nein“ eine für den Bruch mit Europa sei -, hat das griechische Volk den Mut gehabt, seine Stimme zu Gehör zu bringen. Ich freue mich, in diesem Tempel der Demokratie zu sein, denn ich habe die Überzeugung, dass die Argumente hier gehört werden, dass sich jeder hier zu Argumenten äußert – dass man zuhört, vor man urteilt.

Mit seiner couragierten Entscheidung hat sich das griechische Volk nicht ausgesprochen für einen Bruch mit Europa, sondern für eine Rückkehr zu den Gründungsprinzipien der europäischen Integration: Demokratie, Solidarität, gegenseitige Achtung und Gleichberechtigung. Seine Botschaft ist ganz klar: ohne Demokratie wird Europa – die europäische Konstruktion, die Union – alle Mühe haben, die gegenwärtige Krise zu überwinden. Die Verhandlungen der griechischen Regierung mit ihren Partnern, Verhandlungen, die jetzt ihrem Ende entgegengehen, müssen einen doppelten Respekt an den Tag legen: Respekt der Gemeinschaftsregeln und absoluten Respekt der demokratischen Entscheidung der Völker.

Meine Regierung und ich selbst haben vor wenig mehr als fünf Monaten unsere Funktionen übernommen, aber die Rettungspläne sind seit fünf Jahren in Kraft. Wenn ich voll und ganz die Verantwortung übernehmen für die Tätigkeit in diesen fünf Monaten, kann uns die Verantwortung für die Sackgasse, in der sich heute die griechische Wirtschaft und ganz Europa befindet, nicht auferlegt werden; sie liegt bei diesen fünf Jahren Programmen, die keinen Ausweg aus der Krise boten. Unabhängig von dem Urteil, das jeder über diese Reformen fällt, über ihr Gut-Begründetsein oder ihren irrigen Charakter, will ich Ihnen sagen, dass das griechische Volk in fünf Jahren enorme Anpassungsanstrengungen unternommen hat, die seine Belastbarkeit erschöpft haben. Griechenland ist natürlich nicht das einzige Land in diesem Boot. Austeritätsprogramme sind in zahlreichen Ländern Europas durchgeführt worden. Ich habe den größten Respekt für die Völker, die schwierigen Maßnahmen unterworfen worden sind, für die Regierungen, die sie angenommen haben. Aber nirgends waren diese Programme so hart und auch so langdauernd wie in Griechenland. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass mein Vaterland seit fünf Jahren ein Versuchslabor der Austerität ist. Es ist an der Zeit einzugestehen, dass das Experiment gescheitert ist.

Im Verlauf dieser Periode haben die Arbeitslosigkeit und die Armut kritische Höchstwerte erreicht, die soziale Ausgrenzung hat sich verstärkt, die öffentliche Verschuldung ist explodiert: sie machte 120 Prozent des Nationalprodukts aus vor der Verwirklichung der Austeritätspläne und entspricht heute 180 Prozent des BIP: Eine Mehrheit der Griechen fordert jetzt, dass ein Ausweg gefunden wird. Das ist eine Tatsache, keine bloße Ansicht. Und diesen Wunsch, in direkter und demokratischer Weise zum Ausdruck gebracht, ist unsere Regierung verpflichtet, zu konkretisieren. Wir möchten mit unseren Partnern zu einer Vereinbarung kommen, aber zu einer Vereinbarung, die das Signal für einen definitiven Ausweg aus der Krise gibt, die es gestattet, Licht am Ende des Tunnels wahrzunehmen. Eine Vereinbarung, die Reformen einschließt, deren Notwendigkeit niemand verneint, aber auch eine Umverteilung der Lasten: die Bürde, die auf den Lohnabhängigen, den Arbeitenden, den Rentnern lastet, muss verlagert werden auf die Schultern derjenigen, die dazu in der Lage sind und die die vorhergehenden Regierungen nicht zu Beiträgen herangezogen haben.

Diese Vereinbarung wird eine Politik der Umverteilung zugunsten der Bedürftigsten, der kleinen und mittleren Einkommen in der Perspektive eines ausgewogenen und dauerhaften Wachstums  einschließen müssen. Der Vorschlag, den wir unseren Partnern vorlegen, umfasst

• ein Ensemble von glaubwürdigen Maßnahmen, gegründet auf eine gerechte Verteilung der Lasten und auf das Bemühen, die möglichen Rezessionseffekte zu reduzieren;

• ein Ersuchen um mittelfristige Finanzierung, begleitet von einem soliden Programm der wirtschaftlichen Entwicklung für die kommende Periode – denn wir werden nicht aus der Krise herauskommen, wenn wir nicht die Frage der Entwicklung behandeln; unser erstes Ziel muss es sein, gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen und die Unternehmen zu unterstützen;

• die Verpflichtung, eine Grundsatzdiskussion über die Frage der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung und ihre Lösung zu beginnen.

Es kann unter uns keine Tabus geben. Wir müssen der Realität in die Augen sehen und Lösungen suchen, so schwierig sie sein mögen. Dieser Vorschlag ist der Eurogruppe und dem Gipfel der Staatschefs, der gestern stattfand, vorgelegt worden. Wir legen heute ein Ersuchen in diesem Sinn dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vor. Wir sind verpflichtet, diese Vorschläge innerhalb von zwei Tagen zu präzisieren; ich wünsche, dass es uns innerhalb der gesetzten Frist gelingen wird, den Anforderungen dieses entscheidenden Augenblicks gerecht z u werden, im Interesse Griechenlands wie der Euro-Zone – im wirtschaftspolitischen Interesse aber in erster Linie und vor allem im geopolitischen Interesse Europas.

Damit die Dinge klar sind: die Vorschläge der griechischen Regierung hinsichtlich der Finanzierung ihrer Verpflichtungen und die Umstrukturierung der Schulden haben nicht das Ziel, das Budget der europäischen Steuerzahler in Anspruch zu nehmen. Sagen wir die Dinge, wie sie sind: die für Griechenland freigegebenen Fonds sind nie an das Volk gegangen, sondern wurden für die Rettung der griechischen und europäischen Banken verwendet. Außerdem hat Griechenland seit dem Monat August 2014 keine der von dem damals gültigen Hilfsprogramm vorgesehenen Zuweisungen einkassiert, einem Programm von 7,2 Milliarden Euro. Zwischen dem August 2014 und Januar 2015 hatte Griechenland jedoch eine andere Regierung. Wenn die vorgesehenen Summen nicht überwiesen wurden, wenn die damalige Regierung sich enthalten hat, dieses Programm zu verwirklichen, geschah das nicht, und zwar aus gutem Grund, aus Motiven ideologischer Art, sondern sehr wohl, weil diese Maßnahmen in eine Ablehnung einmündeten. Es genügt nicht, dass ein Programm unserer Sichtweise entspricht, damit es auch in Kraft tritt, es muss auch die Zustimmung der gesellschaftlichen Mehrheit finden. 

Meine Damen und Herren Abgeordneten,

Im Lauf dieser Verhandlungen hat Griechenland bei den Institutionen die Überweisung dieser 7,2 Milliarden Euro verlangt, während es zugleich die Verpflichtung hatte, diesen gleichen Institutionen Tratten in einer Gesamthöhe von 17,5 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Diese Summen konnten nur überwiesen werden, indem die letzten Ersparnisse des griechischen Volkes mobilisiert wurden.

Meine Damen und Herren Abgeordneten,

Trotz dem, was voran ging, gehöre ich nicht zu jenen Politikern, die behaupten, dass die „bösen Ausländer“ an allen Übeln schuld wären, von denen mein Land befallen ist. Wenn sich Griechenland heute am Rand des Bankrotts befindet, dann weil die Regierungen, die sich jahrzehntelang abwechselten, einen Staat der Vetternwirtschaft geschaffen, die Korruption erleichtert, die Kungelei der politischen Macht mit der ökonomischen Macht geduldet oder gefördert, der Steuerhinterziehung der großen Vermögen das Feld überlassen haben. Nach einer Studie der Crédit Suisse besitzen 10 Prozent der Griechen 56 Prozent des nationalen Reichtums. Obwohl die Krise und die Austeritätspolitik voll zuschlugen, wurden diese zehn Prozent ausgespart. ihr Beitrag zu den Lasten steht in keinem Vergleich zu dem der übrigen Bevölkerung. Diese offenkundigen Ungerechtigkeiten sind nicht berichtigt, sondern verstärkt worden durch die Hilfspläne und Memoranden. Keine dieser sogenannten Reformen hat leider die Mechanismen der Steuereinnahme verbessert, die eingefallen sind, trotz der bemerkenswerten Anstrengungen einiger integrer und verzweifelter Beamter. Keine Maßnahme gab es, um den verflochtenen Interessen des politischen Establishments, der Oligarchen und der Banken, diesem in unserem Land seit Jahrzehnten etablierten Dreieck entgegenzuwirken. Keine Reform hat das Funktionieren und die Wirksamkeit des Staatsapparats verbessert, der sich daran gewöhnt hat, mehr den Privatinteressen als dem Allgemeinwohl zu dienen.

Die Vorschläge, die wir vorlegen, konzentrieren sich ihrerseits aus echte Reformen, die den Ehrgeiz haben, Griechenland zu verändern. Es geht um Maßnahmen, die die vorhergehenden Regierungen, das ehemalige politische System und die Initiatoren der Rettungspläne nicht in Griechenland einführen wollten. So sind die Tatsachen. Kampf gegen die oligarchischen Strukturen und die Kartellpraktiken – insbesondere auf dem anarchischen Telekommunikationsmarkt außer Kontrolle, Verstärkung der Kontrollmechanismen der öffentlichen Ausgaben und des Arbeitsmarktes mit dem Ziel, Steuerflucht und Steuerbetrug zu unterdrücken, Modernisierung der öffentlichen Verwaltung: das sind die Prioritäten des Reformprogramms unserer Regierung; wir erwarten natürlich, dass unsere Partner diesen Prioritäten beipflichten.

Wir präsentierten uns heute gestärkt durch das Mandat, das das Volk uns gewährt hat, entschlossen, in Konflikt zu treten nicht mit Europa, aber mit dem Establishment unseres Landes und mit den überkommenen Logikern und Mentalitäten, die den Sturz Griechenlands beschleunigt
haben und dabei sind, den der Eurozone zu provozieren.

Meine Damen und Herren Abgeordneten

Europa befindet sich am Kreuzweg, in einem entscheidenden Moment seiner Geschichte. Was wir die „griechische Krise“ nennen, ist vor allem der Indikator der Schwäche der Euro-Zone, eine endgültige Lösung für die Schuldenkrise zu treffen, die sich ständig selbst im Gang hält. Es geht
um ein europäisches Problem, nicht ausschließlich um ein griechisches Problem. Und dieses europäische Problem erfordert eine europäische Lösung.  Die europäische Geschichte ist eine Geschichte von Konflikten, aber letztlich auch von Kompromissen. Das ist ebenso eine Geschichte von Übereinstimmungen, von Erweiterungen.Eine Geschichte von Einheit und nicht von Spaltungen. Übrigens sprechen wir aus diesem Grund von einem vereinten Europa: lassen wir also nicht dieses Europa sich entzweien. Wir sind heute dazu aufgerufen, einen fruchtbaren und ehrenwerten Kompromiss zu finden, um einen historischen Bruch zu vermeiden, der die Tradition des vereinten Europa abreißen würde.

Ich bin überzeugt, dass wir alle den entscheidenden Charakter des Augenblicks wahrnehmen und dass wir auf der Höhe der historischen Verantwortung zu sein verstehen werden, die uns zufällt. Ich danke Ihnen.


Schlusswort von Alexis Tsipras im EU-Parlament am 8. Juli 2015 im Wortlaut

Ich denke, diese Sitzung hätte schon vor geraumer Zeit erfolgen müssen. Weil die Diskussion, die wir heute führen, nicht nur die Zukunft Griechenlands betrifft, sie betrifft die Zukunft der Eurozone. Und diese Diskussion darf wirklich nicht in Sälen mit geschlossenen Türen durchgeführt werden. Und diese Verantwortung liegt nicht bei uns. Fünf Monate lang wurde die Verhandlung in Sälen mit geschlossenen Türen durchgeführt. Es ist jedoch ein vor allem politisches Thema, wie wir voranschreiten werden und wo wir angelangen werden und wie es ausgehen wird. Und dies wurde uns heute aus der sehr fruchtbaren Debatte hier bewusst. Und aus den Kollisionen, die nicht einen Charakter der Kollision zwischen Staaten innerhalb der Eurozone, sondern einen tief politischen und ideologischen Inhalt hatte. Und ich respektiere wirklich alle zu Gehör gekommenen Ansichten, sogar auch jene, die eine besonders polemische Rhetorik hatten.

Ich möchte ebenfalls sagen, dass ich absolut mit der zu Gehör gekommen Ansicht übereinstimme, das Europäische Parlament müsse eine aktivere Rolle spielen. Ich frage mich, wie es möglich ist, dass wir drei Institutionen ermächtigt haben, die Troika und natürlich einleuchtend die Kommission, einleuchtend die Europäische Zentralbank, da sie zahlt, jedoch wie ist es möglich, dass wir innerhalb der Troika den IWF und nicht die par excellence europäische Institution der Demokratie, sprich das Europäische Parlament ermächtigt haben, Entscheidungen zu treffen.

Und ich möchte mit absoluter Aufrichtigkeit sagen: Wenn in dieser europäischen Angelegenheit die Diskussion und die Verhandlung ausschließlich zwischen der griechischen Seite und der Kommission erfolgt wären, wäre seit sehr langer Zeit eine Lösung und Einigung gefunden worden. Leider oder glücklicherweise hatten wir einen Verhandlungsprozess durchzuführen – bitte hören Sie sich die Argumente an und sie werden das Wort erhalten um sie abzuweisen -, wir waren verpflichtet, mit der griechischen Regierung auf der einen Seite und auf der anderen Seite drei verschiedenen Institutionen mit häufig unterschiedlichen und kollidierenden Positionen und Vorschlägen zu diskutieren. Und das ist die Realität.

Ich möchte zur Substanz kommen und auf bestimmte Themen antworten, die bei unserer Diskussion gestellt wurden. Erstes Thema: Wenn die griechische Seite – glaubwürdige oder nicht – Vorschläge vorgelegt hat, werden Sie diese beurteilen. Die griechische Seite hat Vorschläge vorgelegt. Sie hat einen Schriftsatz mit 47 Seiten vorgelegt, der gemäß unserem Erachten – nicht unseren Positionen – das Resultat eines schwierigen und mühsamen Verhandlungsprozesses war. Das Bild, das geschaffen wurde, ist leider, dass sie keine Vorschläge vorgelegt hat. Am vergangenen Montag kam die griechische Seite mit einem neuen Schriftsatz seriöser Vorschläge zurück, der von allen drei Institutionen als Diskussionsbasis akzeptiert wurde. Am vergangenen Montag. In diesen Vorschlägen sind wir offensichtlich auch unsere starke Verpflichtung eingegangen, die auf Basis der Regeln fiskalischen Zielvorgaben zu erreichen, weil wir anerkennen und respektieren, dass Europa Regeln hat. Wir behalten uns jedoch das Recht der Wahl vor, als souveräne Regierung zu entscheiden, wo wir die steuerlichen Lasten ansiedeln und hinzufügen, damit wir die geforderten fiskalischen Zielvorgaben erreichen.

Und ich glaube wirklich, dass es das souveräne Recht einer Regierung ist, die Erhöhung derBesteuerung der gewinnbringenden Unternehmen zu wählen und nicht die Beihilfe – sprich EKAS – zu den niedrigeren Renten zu streichen, um die fiskalischen Zielvorgaben zu erreichen. Wenn es nicht das Recht einer souveränen Regierung ist, zu wählen, auf welche Weise sie äquivalente Maßnahmen findet um die geforderten Ziele zu decken, dann haben wir eine extreme und antidemokratische Auffassung zu adoptieren, dass in den Ländern, die sich in Programmen befinden, keine Wahlen stattzufinden haben, Regierungen zu ernennen sind und Technokraten einzusetzen sind und diese die Verantwortung für die Entscheidungen übernehmen.

Und ich möchte dem Plenum mitteilen, dass Sie wirklich Recht haben, in Griechenland gibt es Verzerrungen aus der Vergangenheit, die ausgemerzt werden müssen, wie die Verzerrung der Frühpensionierungen. Und wir waren die ersten, welche die Initiative ergriffen, zu erklären, dass wir – ohne dass es uns jemand sagt – die Frühpensionierungen in einem Land abschaffen wollen, das sich in einer dermaßen furchtbaren wirtschaftlichen Lage befindet. Die Reformen sind also notwendig und unsere Zusagen bezüglich der notwendigen fiskalischen Konvergenz, um Überschüsse und nicht Defizite zu haben, diese Zusagen sind verbindlich. Wir behalten uns jedoch das Recht der Wahl der Umverteilung der Lasten vor, wovon ich glaube und mir sicher bin, dass des die Zustimmung der meisten von Ihnen finden könnte und müssen wird.

Damen und Herren Abgeordnete, es verlautete die Frage: „Haben Sie einen geheimen Plan, Griechenland aus der Eurozone hinauszuführen?“ Ich möchte Ihnen aufrichtig antworten: Während der gesamten vergangenen Woche lautete die überwältigende Mehrheit der Statements europäischer Politiker und Amtsträger, das „Nein“ beim Referendum bedeute automatisch ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Dies war auch den Bürgern bekannt, als sie zu wählen aufgerufen waren, als sie zu den Wahlurnen gingen. Und trotz allem brachten sie ein Ergebnis, das manche Überraschte. Wenn ich zum Ziel haben würde, Griechenland aus dem Euro hinauszubringen, hätte ich mich nicht unmittelbar nach Abschluss der Wahl hingestellt und die von mir abgegebenen Erklärungen gemacht und das Resultat des Referendum als Auftrag nicht zum Bruch mit Europa, sondern als Auftrag zur Verstärkung der Verhandlungsbemühungen interpretiert, damit wir zu einer besseren Vereinbarung gelangen. Zu einer seriöseren Vereinbarung. Zu einer wirtschaftlich tragfähigen und gesellschaftlich gerechten Vereinbarung. Das ist das Ziel. Ich habe keinerlei anderen Plan. Und ich spreche mit offenen Karten.

Schließlich möchte ich Ihnen sagen: Ich hörte von vielen und hauptsächlich von denen, die sich der heftigeren Rhetorik, polemischen Rhetorik bedienten, wie sie über unser Unvermögen sprachen, der Solidarität der europäischen Partner zu entsprechen. Und ich möchte sagen, dass natürlich die Gewährung von Krediten eine Form der Solidarität ist. Daran besteht kein Zweifel. Wir wollen jedoch ein tragfähiges Programm, und zwar genau damit wir in der Lage sind, die erhaltenen Kredite zurückzuzahlen. Und wenn wir eine Senkung der Verschuldung verlangen, verlangen wir diese Senkung genau deswegen, um in der Lage zu sein, diese Kredite rückzahlen zu können und nicht kontinuierlich zur Aufnahme neuer Kredite verpflichtet zu sein um die älteren zu tilgen.

Und Ihnen, Herr Weber, möchte ich in Erinnerung rufen, dass der stärkste Moment der Solidarität der modernen europäischen Geschichte 1953 war, als unser Land nach zwei Weltkriegen völlig überschuldet und geplündert war und Europa und die europäischen Völker bei der Londoner Konferenz 1953 die maximale Solidarität zeigten, als sie die Streichung von 60% der Verschuldung Deutschlands sowie auch eine Wachstumsklausel beschlossen. Dies war der signifikanteste Augenblick der Solidarität in der modernen europäischen Geschichte.

Ich hörte meinen Freund Gi Ferhofstat – wir kandidierten im vergangenen Jahr beide für den Vorsitz der Kommission und kennen uns gut und haben ein gutes Verhältnis -, wie er sich fragte, „wie werdet ihr der Situation begegnen, mit welchen Reformen, Ihr habt keine Reformen vorgeschlagen, was habt Ihr getan?“. Ich möchte antworten: In diesen letzten fünf Monaten haben wir tatsächlich mehr verhandelt als regiert. Unter Umständen des finanziellen Erstickens waren unsere Fürsorge, unsere Sorge, unsere Überlegung mehr, wie wir es schaffen werden, die griechische Wirtschaft am Leben zu erhalten. Trotz allem haben wir Dinge vollbracht, mein werter Freund Gi.

• Wir waren es, die nach drei Jahren die berüchtigte Lagarde-Liste öffneten, die Liste, die gewisse Minister der vorherigen Regierungen in ihrer Schublade verschwinden ließen.

• Und wir waren es, die sich bemühten und viele von denen, die Steuern hinterzogen hatten, auf die Anklagebank brachten. Die vorherigen Regierungen haben es nicht getan.

• Wir waren es, die zu einer Vereinbarung mit der Schweiz schritten, damit die Griechen Steuern zahlen, die ihr Geld ins Ausland geschafft haben.

• Wir waren es, die zu einem Gesetz schritten, um die Dreiecksgeschäfte einzuschränken. Das hatte keine vorherige Regierung getan.

• Wir waren es, die von den Eigentümern der Massenmedien in Griechenland verlangten, ihre Steuern zu zahlen. Das hatte keine vorherige Regierung getan.

• Wir waren es, die die Zollkontrollen verstärkten, um den Schwarzhandel zu schlagen. Natürlich schulden und haben wir die Verpflichtung vor uns, noch viel mehr zu tun. Wir hatten nicht die Zeit, viel zu tun. Und wir ersuchen Sie um Ihre Unterstützung, damit wir Griechenland verändern. Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, Griechenland zu ändern, und daraus werden wir beurteilt werden. Abschließend möchte ich Ihnen sagen: Wir nehmen alle wahr, dass die Diskussion sich nicht ausschließlich auf ein Land bezieht. Sie betrifft nicht ausschließlich ein Land. Sie bezieht sich auf die Zukunft unseres gemeinsamen Gebäudes der Eurozone und Europas. Und hier kollidieren zwei diametral gegensätzliche Strategien bezüglich der Zukunft der europäischen Vereinigung. Lassen wir uns alle unsere Verantwortung übernehmen.

Trotz unserer ideologischen Differenzen, trotz allem, was uns intern trennt, haben wir, die griechische Regierung – und das möchte ich sagen – in einer kritischen nationalen Moment die Fähigkeit, Kräfte zu vereinen. Und vorgestern fanden sich die politischen Kräfte unter dem Präsidenten der Republik am selben Tisch ein und wir einigten uns auf einen positionellen Rahmen. Und auf der Basis dieses Rahmens werden wir morgen erneut unsere konkreten Vorschläge für eine tragfähige und gesellschaftlich gerechte Vereinbarung vorlegen, Vorschläge für Reformen, seriöse Reformen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen jedoch noch Folgendes sagen: Viele bezogen sich auf die antike griechische Tragödie. Ich respektier absolut die Gesetze, welche die EU und die Eurozone regeln. Ohne Gesetze vermag niemand voranzuschreiten. Nachdem Sie sich jedoch auf die antike griechische Tragödie bezogen, habe ich Ihnen zu sagen, dass einer der bedeutendsten antiken Tragiker, Sophokles, uns mit seinem Meisterwerk „Antigone“ lehrte, dass es Momente gibt, in denen das höchste der Gesetze der Menschen das Recht der Menschen ist. Und ich glaube, dass jetzt ein solcher Moment ist.


(Übersetzung: Griechenland-Blog www.griechenland-blog.gr/ )