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Georg Weber – Arzt, Revolutionär und Briefpartner von Marx
Kiels erster Kommunist
“Um unsern Zustand zu vermenschlichen, ist es vor allem nöthig, daß wir den wirklichen, ganzen Menschen als berechtigt anerkennen. Sein Bedürfniß gibt den Werth.“ Georg Weber (1844)
2016 jährt sich der 200. Geburtstag und 125. Todestag des Kieler Arztes Georg Weber, Kommunist, gendfreund und Briefpartners von Marx: Am 9.4.1816 in Kiel geboren und dort am 8.12.1891 gestorben. „Deutscher Arzt, Mitarbeiter der Pariser Zeitung 'Vorwärts!', wirkte 1846 aus Kiel für das Kommunistische Korrespondenzkomitee; Teilnehmer der Revolution 1848/49 und am Krieg in Schleswig-Holstein gegen Dänemark; emigrierte 1851 in die USA, kehrte 1861 nach Kiel zurück; reund von Marx.“ (1) Soweit die kurze Information in der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). nd auch in einer Dissertation des Pathologischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität Kiel aus dem Jahre 1960 über die Kieler Arzt- und Gelehrtenfamilie Weber wird Georg Weber eher beiläufig gewürdigt. Über sein politisches Engagement heißt es dort lediglich, dass er 1848 in der schleswig-holsteinischen Armee kämpfte und diese 1851 verließ und nach Amerika ging, da er „politisch sehr 'freisinnig'“ war.(2)
In dem bisher auf 13 Bände angewachsene "Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck" der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte" ist er lediglich als Fußnote zu seinem Vater und zu seinem Onkel namentlich erwähnt.(3) Und auch in den Publikationen zur Erforschung der Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein, so den Bänden des vom sozialdemokratisch orientierten „Beirat für Geschichte“ herausgegeben Jahrbüchern „Demokratische Geschichte“ (seit 1986 lfd.) oder im Standardwerk von Paetau und Rüdel (4) sucht man vergebens nach Georg Weber, geschweige denn nach der Existenz einer Gruppe des Bundes der Kommunisten in Kiel.
Im Bund der Kommunisten (und in dessen Vorgängerorganisation Bund der Gerechten) haben Ärzte eine überdurchschnittlich große Rolle gespielt. So stand zum Beispiel mit Ewerbeck von 1841 bis 1846 ein Arzt an der Spitze des Bundes der Gerechten (der später auch Mitglied des Bundes der Kommunisten war). Und mit Andreas Gottschalk war ein Armenarzt im Revolutionsjahr 1848 Organisator großer Protestaktionen in Köln und Gründer des Kölner Arbeitervereins. Zum Kreis dieser revolutionär-politisch engagierten Ärzte zählt auch der Kieler Georg Weber.
Sohn einer bekannten Kieler Arztfamilie
Georg Weber promovierte 1842 an der Kieler Christian-Albrechts-Universität zum „Dr. med et. chir.“ Dabei war die Berufswahl dem jüngsten Sohn des angesehenen Medizin - Professors der Kieler Universität quasi in die Wiege gelegt worden. Sein Vater, Georg Heinrich Weber (1752 – 1828), war seit 1780 ordentlicher Professor der Medizin und Botanik an der Christian-Albrechts-Universität. Die Medizinerausbildung in den Herzogtümern Holstein und Schleswig befand sich bis dato in einem beklagenswerten Zustand. Um diesen Missstand zumindest zu lindern, richtete Weber 1788 in der Prüne (einer damaligen Vorstadt von Kiel) eine privat betriebene Poliklinik ein, in der die Patienten unter seiner Anleitung von Medizin-Studenten der Kieler Uni behandelt werden konnten.
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1 MEGA III/2, Apparat, S. 1193
2 Gunschera: Die Kieler Gelehrtenfamilie Weber in ihrer Bedeutung für die Universität und das Gesundheitswesen in Schleswig.Holstein. Inaugural-Dissertation Kiel 1960
3 Bd. 7, Wachholtz-Verlag, Neumünster 1985, S. 317 und S. 320. Gleiches gilt für den von der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte herausgegebenen Band "Kieler Lebensläufe aus sechs Jahrhunderten". Wachholtz, Neumünster 2006
4 Paetau / Rüdel (Hg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert. Neumünster 1987
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Dadurch wurde „erstmals eine ärztliche Versorgung der ärmeren Bevölkerung Kiels in größerem Maße gewährleistet und ein medizinischer Unterricht am Krankenbett ermöglicht.“ (5) Vier Jahre darauf gab G.H.Weber den Anstoß zur Gründung der „Gesellschaft der freiwilligen Armenfreunde“ und 1803 legte er den ersten Botanischen Garten der Universität Kiel an; sowohl zur Lehre als auch zur Genesung der Kranken. 1812 wurde in Kiel auf seine Initiative hin ein Vaccinationsinstitut (Impfinstitut) gegründet. „Weber nterrichtete in Impflehrgängen Wundärzte, Prediger, Schullehrer und andere gebildete Einwohner in der praktischen Durchführung der Impfung gegen Pocken und der richtigen Beurteilung des Impferfolges.“(6) Georg Webers Bruder Friedrich (1781-1823) war seit 1815 bis zu seinem Tode Professor für Medizin an der Universität Kiel ebenso wie dessen Sohn Ferdinand Weber (1812-1860 Kiel).
Als Arzt in Kiel, Paris, der Schleswig-Holsteinischen Armee, in Nordamerika und wieder Kiel
Nach seiner Promotion und seiner „politischen Bildungsreise“ nach Paris ( auf die noch näher eingegangen werden wird) arbeitet Georg Weber ab 1845 in Kiel als praktischer Arzt und Geburtshelfer; umgangssprachlich seinerzeit als „Armenarzt“ bezeichnet. 1847 und 1849 publiziert er zwei medizinische Fachbücher: Eins trägt den schlichten Titel„Rhachitis“, das andere „Theorie und Methodik der physikalischen Untersuchungsmethode bei den Krankheiten der Athmungs- und Kreislaufs-Organe“.
Nach Beginn des Krieges gegen Dänemark im Frühjahr 1848 tritt er der Schleswig-Holsteinischen Armee bei und verlässt diese im September 1850 als Oberarzt 2. Klasse und Brigadearzt der 3. Brigade. „Am 27. September 1850 wurde ihm auf Ratsbeschluss der Bürgerbrief der Stadt Kiel übergeben, er nahm ihn jedoch nicht an. Er war (…) politisch sehr 'freisinnig' eingestellt und hat es deshalb im Jahre 1851 vorgezogen (…) nach Amerika zu gehen.“(7) Im Kieler Bürgerbuch wird er allerdings mit Datum vom 7.6.1850 unter der laufenden Nummer 7067 als Neu-Bürger aufgeführt.(8) Über Webers Schicksal in Nordamerika ist nichts bekannt. Es darf aber angenommen werden, dass er auch dort als Arzt praktiziert hat – vielleicht in Davenport (Iowa). Dahin sind nach dem Scheitern der Revolution viele Demokraten aus Schleswig-Holstein ausgewandert und bildeten dort eine große und einflussreiche deutsche Gemeinde. Im Jahre 1861 kehrte er nach Kiel zurück und ließ sich dort als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer nieder. Ob er an dem am 3.Juni 1862 in Kiel gegründeten Akademischen Krankenverein beteiligt war, konnte nicht festgestellt werden. (9) „Am 14.7.1862 heiratete er die Witwe seines Neffen Ferdinand und zog in deren Haus am Sophienblatt.“(10)
Am 10. Dezember 1891 heißt es im redaktionellen Teil der „Kieler Zeitung“ unter „Personalien“: „Am Dienstag, den 8. d. Mts., starb in Kiel Dr. med. et chir. Georg Weber, geboren daselbst um 1815 als Sohn des Konferenzraths Professor Dr. Georg Heinrich Weber. (…) Der nun verstorbene wurde in Kiel 1842 zum Doktor promoviert, war im ersten schleswig-holsteinischen Kriege Militärarzt in unserer Armee, siedelte später auf einige Zeit nach den Vereinigten Staaten von
Nordamerika über und praktizierte seit seiner Rückkehr hier in seiner Vaterstadt. Von ihm ist eine wohlgelungene Übersetzung der Gedichte Beranger's.“(11)
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5 Gunschera, S. 3
6 Gunschera, S. 98
7 Gunschera, S. 149/150
8 Grönhoff
9 Die Dokumente des Kgl. Polizeiamtes im Kieler Stadtarchiv dokumentieren lediglich das Gründungsdokument ohne Namensliste
10 Gunschera, S.150
11 Abschrift im Kieler Stadtarchiv
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Teilnahme an revolutionären Zirkeln in Paris und Freundschaft mit Karl Marx
Während seiner Kieler Studienzeit war Georg Weber mit dem Kommilitonen Ferdinand Wilhelm Hoffbauer befreundet, durch den er in Kontakt mit radikaldemokratischen Ideen kommt.(12) Es ist zu vermuten, dass dieser Kontakt wesentlich dazu beitrug, dass Georg Weber nach Abschluss des Studiums nach Paris geht, dem damaligen Zentrum revolutionärer Ideen und Köpfe. Paris war Anfang der vierziger Jahre auch das Zentrum der deutschen Jakobiner und der fortschrittlichen Handwerksgesellen. Mit den Karlsbader Beschlüssen (1819) hatten sich die deutschen Fürsten in seltener Eintracht auf eine staatenübergreifende Verfolgung jeder Form von radikaldemokratischer Gesinnung geeinigt, was rigorose Pressezensur sowie die Überwachung der Universitäten und aller verdächtigen Vereine (einschließlich der Turnvereine) beinhaltete. Im Jahre 1844 war die deutsche Kolonie in Paris auf über 40.000 Mitglieder angewachsen und es entstanden jede Menge deutschsprachige Zeitungen, man traf sich in Lesekabinetten und es kam zu vielfältigen Vereinsgründungen. Darunter waren auch demokratische und Gesellen-Organisationen sowie die ersten kommunistischen Vereinigungen Deutschlands - als „Auslandsorganisationen“.
Zu nennen ist dabei besonders der 1832 gegründete „Deutsche Volksverein“, der sich aus wandernden Handwerksgesellen und Intellektuellen zusammensetzte und dessen Hauptanliegen die Erkämpfung einer Deutschen Republik war. Eine Verschärfung der Vereinsgesetze in Frankreich Anfang der vierziger Jahre zwang dann auch diesen Verein in die Illegalität und er benannte sich dann in „Bund der Geächteten“ um, aus dem dann der „Bund der Gerechten“ hervorging. Vor dem
Hintergrund des Aufstandes der schlesischen Weber (Juni 1844) kam es zu intensiven Diskussionen zwischen führenden deutschen Radikalen, die die Zeitschrift Vorwärts! herausgaben und den Leitern des auf frühkommunistischen Positionen stehenden Bundes der Gerechten. Im Grunde ging es in der Diskussion darum, wie der Kampf um bürgerliche Volkssouveränität in Gestalt einer deutschen Republik (die nationale Frage) und die zarten Pflänzchen einer deutschen Arbeiterbewegung (die soziale Frage) gegen die territorialen Feudal-Fürsten und die Früh-Kapitalisten strategisch-taktisch verzahnt werden könne.
In diesem politischen Umfeld machte Georg Weber 1844 die Bekanntschaft mit Marx und Mitgliedern des „Bundes der Gerechten“ und nahm an deren politischen Debatten intensiv teil. Namhafte Debattenteilnehmer waren neben Marx und Ewerbeck u.a. auch Michael Bakunin und die Dichter Heinrich Heine, Georg Herwegh und Georg Weerth. Im Ergebnis der Diskussion öffnete der Vorwärts! dem Bund der Gerechten seine Spalten und brachte zunehmend Informationen über kommunistische Bestrebungen deutscher Arbeiter im Ausland und behandelte ökonomische und gesellschaftliche Fragen der beginnenden kapitalistischen Entwicklung. Friedrich Engels schrieb im September 1844: „Wir haben in Paris ein deutsches Kommunistisches Blatt, den Vorwärts.“(13)
Propagandist Marx'scher ökonomischer Erkenntnisse
Georg Weber wurde 1844 Mitglied des „Bundes der Gerechten“ und schrieb für den Vorwärts! nachweislich mehrere Artikel, mit denen die ersten ökonomischen Erkenntnisse von Marx an das Licht der Öffentlichkeit gelangten. In seinem ersten Artikel „Negersklaven und freie Sklaven“ ging Weber von Petitionen französischer Arbeiter aus, in denen diese gegen die menschenunwürdige Behandlung der farbigen Bevölkerung in den französischen Kolonien protestierten. Weber anerkannte die Anliegen des Protestes, wies aber auch auf die Bedingungen der Lohnsklaverei der vor dem Gesetz „freien“ Arbeiter in Europa hin. „Der Industrie-Sclave arbeitet, aber seine Arbeit schützt ihn nicht vor dem Hungertode.
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12 Hoffbauer (1812-1892) betätigte sich als Redakteur der „Berliner Medizinischen Central-Zeitung“, für die auch Georg Weber Beiträge lieferte. Zwischen Mai 1848 und Juni 1849 gehörte Hoffbauer der Frankfurter Nationalversammlung an. Er gehörte dort zur äußersten Linken, der Fraktion Donnersberg, und war Mitglied des
Centralmärzvereins. Nach dem Scheitern der Revolution wegen Aufruhrs und Hochverrats verurteilt entfloh er aus der Haft und emigrierte in die USA.
13 MEW 2, S. 507
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Unter den sechs Millionen Irländern sind stets, nach authentischen Berichten, drei Millionen am Verhungern. Deshalb wünschen die Fabrikherrn auch keineswegs die Sclaverei, weil sie mit sogenannten freien Menschen wohlfeiler producieren können, weil sie die Sclaven füttern müssen, aber die freien Arbeiter verhungern lassen können!“(14) In seinem Artikel „Die Kolonie Ostwald im Elsaß“ setzte Weber sich kritisch mit der Frage auseinander, ob Arbeitskolonien in Form von Gütergemeinschaften ein Weg sein könnten, das Elend der Arbeiter zu beseitigen und humane gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen. Er kommt zu dem Schluss: Gütergemeinschaften und Genossenschaften werden immer Insellösungen für wenige Arbeiter bleiben, die die Arbeiter im Allgemeinen aber ausschließen. „Das hieße an das Capital keine andere Forderung stellen als sich selbst aufzugeben.(...) Nur wenn wirklich eine Radical-Cur der Krankheit, an der die ganze Gesellschaft leidet, vorgenommen wird“ lasse sich das Problem des Arbeiterelends lösen.(15)
Webers Artikel „Das Geld“ wird von Historikern als indirekte Stellungnahme von Marx im Zusammenhang der Auseinandersetzungen in der Vorwärts!-Redaktion mit Auffassungen von Wilhelm Weitling im Bund der Gerechten interpretiert – werden in ihm doch wesentliche ökonomisch-philosophische Begriffe wie „Wert der Arbeit“, „Tauchwert“ und „Entfremdung“ in die Debatte eingeführt.(16) Der Artikel beginnt mit einer Aussage, die aktueller nicht sein könnte: „Die Nationalökonomen möchten uns gerne überreden, daß das Geld eine ganz unwesentliche Sache sei, daß Alles auch ohne das Geld dasselbe Aussehen haben würde.“ Im Weiterem heißt es u.a.: „Wie oft hört man das Geld verfluchen als Hinderniß guter Vorsätze, als Ursache so vieler Leiden! Ich bin indeß weit entfernt das Geld als die Ursache unserer gegenwärtigen Misere anzusehen; vielmehr betrachte ich es als einen Theil derselben.(...), es ist die Brücke zur Brutalität des Eigenthums.“ Darin sehen Weber/Marx das gesellschaftliche Grundübel und sie appellieren.“Um unsern Zustand zu vermenschlichen, ist es vor allem nöthig, daß wir den wirklichen, ganzen Menschen als berechtigt anerkennen. Sein Bedürfniß gibt den Werth.“(17)
Wenn sich der theoretische Inhalt der Weberschen Artikel im Vorwärts! auch stark an Formulierungen von Marx' „Ökonomisch-philosophischen-Manuskripten“ orientiert,(18) so ist es „die journalistische Form, die Webers eigener Anteil ist und die stark von seinem Beruf als Arzt geprägt ist“, wie der französische Historiker Jacques Grandjonc in einer Studie feststellt. „So z.B. vergleicht Weber die Beziehungen zwischen Geld und Privateigentum mit dem Wuchern von Krebszellen, die
Vorschläge der Nationalökonomen zur Abschaffung des Pauperismus mit Heilmitteln von Scharlatanen. (…) Webers Verdienst besteht vor allem in der schriftlichen Darstellung äußerst komplexer Probleme in zugänglicher Form, was Marx selbst (…) erst Jahre später im Kapital gelang.“(19)
Weber hatte Paris im Laufe des Oktober 1844 – im Zusammenhang mit dem Verbot des Vorwärts! - verlassen; „was erklärt, warum er nicht die Ehre hatte, auf der Liste der Botschaft zu figurieren:“(20) Auf Betreiben der preußischen Regierung waren nämlich Ende Dezember alle Redakteure des Vorwärts! vom französischen Innenministerium zu „unerwünschten Personen“ erklärt und ausgewiesen worden. Weber ging zurück nach Kiel, mit dem Auftrag, in seiner Heimatstadt und überhaupt in Schleswig-Holstein im Interesse des „Bundes der Gerechten“ zu wirken. Im November 1845 versuchte Weber für Marx einen Verlag in Altona, Hamburg und Kiel für den Druck der von ihm gemeinsam mit Friedrich Engels verfassten Deutschen Ideologie zu finden, was jedoch misslang.(21)
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14 MEGA I/2, S. 505
15 MEGA I/2, S. 511
16 Vgl. Hundt: Geschichte des Bundes der Kommunisten 1836-1852, Frankfurt (Main) 1993
17 MEGA I/2, S. 512-516
18 MEW Bd. 40 (=Ergänzungsband, 1. Teil). Erstmals veröffentlicht wurde diese Frühschrift von Marx erst 1932.
19 Grandjonc: „Vorwärts!“ 1844. Marx und die deutschen Kommunisten in Paris, Bonn-Bad Godesberg 1974, S. 77/78
20 Grandjonc, S. 103
21 „Die Deutsche Ideologie“ (MEW Bd. 3), ein Schlüsselwerk des historischen Materialismus, wurde erst 1932
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Als Kieler Repräsentant des Kommunistischen Korrespondenzkomitees im Briefwechsel mit Marx.
Marx und Engels gründeten im Februar 1846 in Brüssel ein sogenanntes "Kommunistisches Korrespondenzkomitee" (KKK). Es sollte durch Briefwechsel und Koordinierung der Propaganda politische Verbindungen zwischen den Kommunisten in den verschiedenen europäischen Ländern herstellen und ausbauen sowie Meinungsverschiedenheiten klären helfen. Durch seine ideologische und organisatorische Tätigkeit sollte es die Vereinigung sozialistischer Ideen und Konzeptionen mit dem Bund der Gerechten und anderer Arbeiterorganisationen fördern und die Gründung einer "revolutionären Partei der Arbeiterklasse" vorbereiten.
In Deutschland gewann das Brüsseler Komitee Konferenzpartner in Berlin, Hamburg, Köln, Königsberg, Leipzig, Magdeburg, Wuppertal, in Schlesien, Westfalen und mit Georg Weber in Kiel. "....Der Kutscher (so der Bundesname von Weber, G.St.) ward von mir für todt gehalten; ich schrieb ihn, und er nicht. Endlich kam 6 Monate circa, nach meinem Briefe, eine Antwort, worin er bezeugt sehr wohl und lebensfroh zu praktiziren und zu propagandiren. (...) Die Antischnappsvereine Holstein's sind nach seiner Meinung höchst wichtig; sie tragen ein gründlich democratisches Element in sich. Republik ist den Leuten ein schon ziemlich geläufiges Wort. Sozialismus weniger; wohl aber Arbeitsorganisirung", schreibt Ende Oktober 1845 Hermann Ewerbeck aus Paris an Karl Marx in Brüssel.22 Und ein dreiviertel Jahr später (22.7.1846) heißt es: "...Von Freund W(eber) aus Kiel weiß ich weiter nichts; er scheint sehr munter 'ins Geschirr zu gehen' wie er sagte. Ich lese daß
die Kieler ungemein tüchtig (bis 200 Kerle) discutiren und selbst den Hamburgern Eifersucht einflößen."(23)
Die Sicht aus Paris auf die deutschen Verhältnisse (hier im Speziellen auf die schleswigholsteinischen) war allerdings doch sehr von Wunschdenken geprägt, die mit den gesellschaftlichen Realitäten vor Ort mitunter nicht viel zu tun hatten. Und Georg Weber, Ende 1844 mit großem revolutionärem Elan aus der Hauptstadt der "revolutionären Alchimisten" (so Marx im Rückblick etwas spöttisch über seine Pariser Zeit) nach Kiel abgereist, muss ein dreiviertel Jahr später ernüchtert feststellen: Lieber Marx, (...) In Kiel haben wir einen Handwerkerverein von jetzt 160 Mitgliedern. Er wächst. Sind das Kommunisten? Gott bewahre. Aber böse Gesellschaft verdirbt gute Sitten. Dein G. Weber (Brief von Georg Weber in Kiel an Karl Marx in Brüssel, 22. 11. 1845) (24)
Und ein halbes Jahr später klingt es noch desillusionierter: "Ihr wollt also eine communistische Parthei in Deutschland bilden; und wenn diese Parthei geschaffen ist, was dann? Seit ich wieder in Deutschland bin, habe ich fester als je die Überzeugung daß Deutschland das ganze constitutionelle Unwesen noch durchzupflügen hat, wie ich schon in Paris beständig aussprach. Ich glaube daß kein Volk weniger geschaffen ist ohne vermittelnden Übergang Sprünge zu machen, wie das deutsche. Halte mir nicht die Explosionen der Misere als communistische That des Volkes vor. Noth kennt kein Gebot. (...) Die deutschen Revolten gingen von keiner Parthei aus. Hätte man erst eine Partei herausfinden können welch ein Fressen wäre das für die Regierungen gewesen. Da hätten wir die verbesserte und vermehrte Auflage der Demagogenschnüffelei zu genießen gehabt. Wollt ihr nun den armen Handwerkern diese Freude zu Theil werden lassen, nachdem die Studenten abgefüttert sind? Ich glaube es ist nicht recht die Handwerker in Deutschland in eine Weise zu organisiren, die über kurz oder lang von den Regierungen entdeckt wird und ihnen dann neue Gelegenheit gibt ihr Müthchen zu kühlen. Die Sache arbeitet sich auch so weiter ohne daß die Handwerker ihre Haut zu vollständig veröffentlicht
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22 MEGA III/1, S. 489-490
23 MEGA III/2, S. 265
24 MEGA III/1, S. 491
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Markte tragen. Ich fragte vorhin, wenn eine Parthei da ist was dann? Die Engländer gehen meiner Ansicht nach richtiger zu Werke, indem sie sich einen bestimmten begrenzten Zweck setzen um dessenwillen sie sich assciiren. Und dieser Zweck muß ein zunächst erreichbarer sein. Als solcher stellt sich für Deutschland in Wahrheit eine Constitution in der sich freie Presse und freies Assciationsrecht erkämpfen läßt. Dann kann man die Constitution durch diese Mittel wieder vernichten und ein besseres schaffen (...) Kurz ich meine man soll den Bogen nicht stärker spannen als er es vertragen kann.
Was Kiel im Besondern betrifft so muß man sagen daß hier ein communistischer Verein überall nicht existirt. Es ist hier ein Verein bestehend größtentheils aus Handwerkern, in dem eine kleine Anzahl Arbeiter (...), einige 'Gelehrte' welche sich zu communistischen Principien bekennen, sowie auch hinreichend Gegner derselben und indifferente. Sociale Fragen bilden natürlich den Knotenpunkt um den sich häufig Debatten drehen. Und nur in sofern dient dieser Verein der allgemeinen communistischen Bewegung. Es ist ein Territorium auf dem man Propaganda machen kann."(25)
Und wenige Tage später schreibt Weber: (...) Proletarier gibt es nun freilich bei uns wie allenthalben, aber darum doch kein Proletariat, kein Pauperismus in einiger Ausdehnung. Wer hier wirklich arbeiten mag, wird selten ganz verarmen. Es geht den Leuten zu gut, als dass sie nach Besserem verlangten. Aus diesem Grunde wird der Kommunismus hier nur äußerst langsam Wurzeln schlagen. Nun aber sprecht ihr immer von „Plan“ und „planmäßig“. Ich wünschte aber gerade einen Plan von Euch zu erhalten. (...) Wenn hier in Kiel etwas aus der Geschichte wird,(26) so beläuft sich die Zahl der Theilnehmer auf 3-4, wofür ich indeß nicht einstehe. (…)
Von hier wird selten genug etwas zu melden sein. Es ist zum Verzweifeln, wie tot alles. Und Kiel ist noch das meiste Leben!“(27)
Aus dem "Bund der Gerechten" wird der "Bund der Kommunisten": Und was macht Georg Weber?
Der „Bund der Gerechten“ nahm anlässlich seines Kongresses im Juni 1847 in London einen neuen Namen an: Er nannte sich von nun an „Bund der Kommunisten“ und ersetzte die Bundeslosung „Alle Menschen sind Brüder“ durch „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Ein halbes Jahr später verfassten Marx und Engels dann das Parteiprogramm, das „Manifest der Kommunistischen Partei“. Dem Rundschreiben des 1. Kongresses des Bundes der Kommunisten vom 9.6.1847 zufolge ist der Bund u.a. auch in Kiel konstituiert.(28) In dem ersten Vierteljahresbericht der Bundesleitung vom September 1847 wird beklagt, dass auf ein Schreiben der Leitung so gut wie keine Antworten aus Gruppen gekommen sind. „Wir fordern daher die Mitglieder unseres Bundes nochmals auf, sich endlich einmal aus ihrem Schlaf zu erheben, und mit Hand ans Werk zu legen, und verlangen, dass man uns zuallererst eine bestimmte Antwort auf das Congressschreiben gebe, damit wir doch wenigstens wissen, auf wen wir zählen können.“(29)
Eine Antwort aus Kiel war nicht dabei. Und ab dieser Zeit sind schriftliche Überlieferungen von Georg Weber überhaupt nicht mehr nachweisbar. So kann man über die folgende Zeit und Georg Webers politische Einstellung allenfalls Mutmaßungen anstellen, zumal die Ereignisse um die 48er-Revolution in Deutschland und in Schleswig-Holstein im Speziellen, alle politischen Aktivisten in den revolutionären Strudel hineinwarfen. Es war jedenfalls nicht die Zeit Briefe schreibender kommunistischer Netzwerker. Im Briefwechsel mit Marx hatte Georg Weber aus seiner Einschätzung über die Einflussmöglichkeiten einer „Kommunistischen Partei“ in der aktuellen Situation keine Mördergrube gemacht und diese eher skeptisch beurteilt.
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25 MEGA III/2, S. 241-242
26 Gemeint ist eine Gruppe des „Bundes der Gerechten“
27 Brief von Georg Weber in Kiel an das KKK in Brüssel, 1.8.1846. In: MEGA III/2, S. 274-78
28 Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien. Band 1, Berlin (DDR) 1970, S. 480
29 Andreas: Gründungsdokumente des Bundes der Kommunisten, Hamburg 1969, S. 66
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Vielleicht wählte er deshalb im Frühjahr 1848 den Weg in die praktische revolutionäre Politik, in der er gleichzeitig seine ärztlichen Kenntnisse zur Anwendung bringen konnte.
Als Arzt in der Schleswig-Holsteinischen Armee
Was heute vielleicht für viele Linke und Friedensbewegte etwas befremdlich wirken mag: Georg Weber tritt unmittelbar nach der Erhebung der Herzogtümer gegen die dänische Herrschaft und der Bildung der Provisorischen Regierung für Schleswig-Holstein im Frühjahr 1848 in die Schleswig-Holsteinische Armee ein. Schon 1846 hatte Weber in einem Brief an Marx angemerkt, dass die demokratische Bewegung in den Herzogtümern gegen die dänische Herrschaft zu einer Massenbewegung geworden war. „Wir stecken hier jetzt mitten in der Lösung einer nationalen Frage, denn sie steckt im Hintergrunde aller Bewegungen. (…) Die Bewegung geht durch alle Schichten der Gesellschaft. Früher war hier nur in der Bourgeoisie politisches Interesse, jetzt dringt sie ins Volk und die Bourgeoisie wird von diesem zu manchem Schritt getrieben, den sie lieber nicht thäte. (…) Olshausen wird von der Polizei auf Kabinettsbefehl aus Kiel gestohlen und nach Rendsburg geschleppt.(...) Nun drang die Erbitterung in alle Classen. Am Abend großer Auflauf in Kiel. Man durchzog die Straßen, sang 'Schleswig Holstein meerumschlungen', das Partheilied, brachte beliebten Leuten Hochs, Regierungsmännern Fenstereinschmeißen. (...) Am andern Morgen erschien ein Polizeiplakat welches nach 8 Uhr alles Zusammenstehen von mehr als 3 Menschen verbot. Um 8 standen schon der ganze Markt um die Wache herum und alle Straßen dicht voll von Menschen welche 'Schleswig-Holstein' etc sangen. (...) So sieht es aus als wenn die Bewegung zu was führen könnte.“(30)
Als Arzt in der Schleswig-Holsteinischen Armee gerät Georg Weber beim Gefecht bei Bau (nördlich von Flensburg) am 9. April mit 780 Mann (darunter vielen Freikorps-Kämpfern) in dänische Kriegsgefangenschaft. Bis September 1848 wird er in Kopenhagen „auf dem Kasernenschiff 'Droning-Marie' gefangen gehalten. Er hatte dort das Gefangenenlazarett unter sich (...) Nach dem Waffenstillstand von Malmö erhielten alle Gefangenen ihre Freiheit zurück. Georg Weber blieb bei der schleswig-holsteinischen Armee und rückte im Jahre 1850 zum Oberarzt 2. Klasse und Brigadearzt der 3. Brigade auf.(31)
Die „Schleswig-Holstein-Frage“ in der 48-Revolution
Eine nicht unwichtige Rolle im deutschen Revolutionsgeschehen spielte die sogenannte "Schleswig-Holsteinische Frage". Für die Linke und eben auch für die Mitglieder des Bundes der Kommunisten war in der bürgerlichen Revolution von 1848 klar, dass die Herstellung der nationalen Einheit parallel zur Erkämpfung demokratischer und sozialer Rechte das Hauptziel der Revolution in Deutschland sein müsse. Die erste der „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland" (veröffentlicht Ende März 184832) richtete sich sowohl gegen die „Verpreußung Deutschlands wie gegen die Verewigung der Kleinstaaterei.“ Angestrebt wurde die „endliche Vereinigung Deutschlands zu einer Nation, die allein den von allen überkommenen kleinlichen Hindernissen gereinigten Kampfplatz herstellen konnte, auf dem Proletariat und Bourgeoisie ihre Kräfte messen sollten.“(33)
Und nationale Einheit bedeutete letztendlich Krieg gegen Dänemark, das sich sträubte, Holstein aus dem dänischen Gesamtstaat zu „entlassen“. Und ein Krieg gegen Dänemark rief unweigerlich die europäischen Großmächte auf den Schlachtplan, da eine Veränderung des Status Quo in Schleswig und Holstein das strategische Gleichgewicht in Europas zerstören würde, das auf dem Wiener Kongress 1815 zu Lasten demokratischer und nationalstaatlicher Bewegungen austariert worden war. In die „Schleswig-Holstein-Frage“ war insbesondere auch Rußland involviert. Der Zar hatte als 30 Brief von Georg Weber an Marx in Brüssel, 6. 9. 1846. In: MEGA III/2, S. 305-07
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31 Gunschera, S. 149
32 MEW 5, S. 3-5
33 Engels: Marx und die Neue Rheinische Zeitung. In: MEW 21, S.19
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Oberhaupt des Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf einerseits dynastische Rechte in Holstein, zum anderen war für Russland die geostrategische Komponente mit den eminent wichtigen Ostseeausgängen von herausragender Bedeutung. Deshalb war es für den Zar von großer Bedeutung, die dänische Monarchie in ihrer Gesamtheit zu erhalten. So war die russische Außenpolitik darauf gerichtet, alles zu tun, damit sich die revolutionäre Glut von 1848 nicht zu einem Flächenbrand ausbreitete und zu einer Destabilisierung der multinationalen Staaten Europas führen musste. Somit war Russland die Hauptbastion der reaktionären Heiligen Allianz gemeinsam mit Preußen und der Habsburger Monarchie.
Die Provisorische Regierung für Schleswig und Holstein
Als die Standesvertreter der Holsteiner und Schleswiger Bürger in der Nacht zum 24. März 1848 vor dem Kieler Rathaus die Bildung einer Provisorischen Regierung für die beiden Herzogtümer ausriefen, war dies vor dem Hintergrund europaweiter revolutionärer Erhebungen ein durchaus revolutionärer Akt. Die Bezeichnung „Provisorische Regierung“ war dabei auch bewusst gewählt worden um sich damit in die Reihe der revolutionären Umwälzungen zu stellen. Ihre erste Handlung war die Suspendierung der Herrschaftsrechte des dänischen Königs Friedrich VII. Dies war die einzige tatsächliche Absetzung eines Staatsoberhauptes während der deutschen Revolution 1848/49 – wenngleich dies auch nicht revolutionär sondern in erster Linie legitimistisch begründet wurde – sei's drum: abgesetzt war abgesetzt! Und die neue Regierung erfüllte sogleich aktuelle politischen Forderungen: Presse- und Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Bürgerbewaffnung sowie Abschaffung der Kopfsteuer und des Instengeldes (beides waren Steuern, die in erster Linie die ärmeren Bevölkerungsschichten belastet hatten).
Friedrich Engels schrieb in der „Neuen Rheinischen Zeitung“: „Die schleswig-holsteinische Revolution und die aus ihr hervorgegangene provisorische Regierung hatte anfangs selbst noch einen sehr spießbürgerlichen Charakter. Aber der Krieg zwang sie bald auf demokratische Bahnen. Schleswig-Holstein hat durch diese Regierung (...) demokratischere Gesetze erhalten als irgendein anderer deutscher Staat. Von allen deutschen Versammlungen ist die Kieler Landesversammlung die
einzige, die nicht nur auf allgemeinem Stimmrecht, sondern auch auf direkter Wahl beruht. Der ihr von der Regierung vorgelegte Verfassungsentwurf ist der demokratischste, der je in deutscher Sprache abgefasst wurde. Schleswig-Holstein, bisher politisch von Deutschland ins Schlepptau genommen, ist durch den Revolutionskrieg plötzlich zu fortgeschritteneren Institutionen gekommen als das ganze übrige Deutschland. Der Krieg, den wir in Schleswig-Holstein führen, ist also ein wirklicher Revolutionskrieg. Und wer ist von Anfang an auf Seite Dänemarks gewesen ? Die drei konterrevolutionärsten Mächte Europas: Rußland, England und die preußische Regierung“(34)
Der „Scheinkrieg“ gegen Dänemark
Die Frankfurter Nationalversammlung hatte – da es kein Bundesheer gab – Preußen mit der militärischen Führung des deutsch-dänischen Krieges beauftragt. In das preußische Heer einbezogen war als eigenständiger Bestandteil die Schleswig-Holsteinische Armee (die bis 1851 existierte). Diese war entstanden bei Ausbruch der Erhebung im März 1848 aus den auf die deutsche Seite übergetretenen Truppenteile der dänischen Armee in den Herzogtümern: Nahezu sämtliche Mannschaften in Schleswig-Holstein traten über, während der Großteil der Offiziere auf dänischer Seite verblieb. Neben der regulären Armee bildeten sich Freikorps, die unter das Kommando der Schleswig- Holsteinischen Armee traten, was von der Provisorischen Regierung ausdrücklich begrüßt wurde. Freiwillige aus ganz Deutschland strömten in diese Freikorps, weil sie erkannten, dass der Revolutionskrieg gegen Dänemark ein Krieg für die Einheit Deutschlands, für Volkssouveränität und für demokratische und soziale Rechte war. Von Mitte April an kamen vorwiegend zusammenhängende Korps in Rendsburg an, so 150 Mann aus Berlin und 100 Mann aus dem 34 Engels: Der dänisch-preußische Waffenstillstand. NRhZ vom 10. September 1848. In: MEW 5, S. 396 Rheinland; kleinere Kontingente kamen aus fast allen Ländern Deutschlands. "Nationalitäten und Rangunterschiede gingen hier praktisch in einer neuen Einheit auf, in der Einheit der Revolution.
Äußerlich bestand diese Einheit freilich nicht. Wer zum ersten Male das Feldlager einer Freischar betrat, mochte sich wie durch einen Zauberschlag plötzlich in die Welt des Mittelalters versetzt fühlen. Es war unter den Freiwilligen eine unglaubliche Buntscheckigkeit und malerische Nonchalanve der Trachten üblich (...) An fast jeder Kopfbedeckung aber sah man einen schauerlichen Totenkopf mit gekreuzten Knochen, dazu natürlich die deutsche Kokarde."(35) Die radikalsten Freiwilligen schlossen sich in der 6. Kompanie zusammen und pflegten mit blutrotem Band und aufgedruckter Devise "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" aufzutreten. Sie war
zahlenmäßig die stärkste des Korps und viele von ihnen waren Berliner Barrikadenkämpfer der Märztage.
Aber aller Enthusiasmus der revolutionären Kämpfer half nichts, da die preußische Armee von Anfang an nur einen "Scheinkrieg“ führte, der im September 1848 zu dem von Preußen eigenmächtig geschlossene Waffenstillstand von Malmö führte. Die Frankfurter Nationalversammlung konnte dem nur machtlos zusehen - und von nun an wurde die Revolution abgewickelt und den Interessen der alten Mächte, insbesondere Preußens, geopfert.
Kieler Mitstreiter von Georg Weber
Die Schleswig-Holsteinische Armee und die Freikorps waren also das politische und ärztliche Umfeld von Georg Weber 1848-1850. Wie es um die Kommunikation und das Zusammenwirken der Kieler Mitglieder des Bundes der Kommunisten während der Jahre 1847-1850 bestellt war, wissen wir nicht; auch nicht, ob Georg Weber z.B. im Kontakt mit seinem alten Studienkollegen Wilhelm Hoffbauer stand, der als Abgeordneter der äußersten Linken in der Frankfurter Nationalversammlung wirkte. Wir wissen, dass die Kieler Kommunisten während der revolutionären Ereignisse Unterstützung von einem prominenten Mitglied des Bundes der Kommunisten, von Konrad Schramm, erhielten. Schramm wurde auf Geheiß der Zentrale von London nach Kiel entsandt, um hier in deren Sinne zu wirken. Er tat das, indem er unter anderem das Kieler Demokratische Wochenblatt herausgab, das dazu beitrug, den Standpunkt der „Neuen Rheinischen Zeitung“, deren Chefredakteur Marx war, unter der Kieler Bevölkerung zu verbreiten. Daneben wirkte er im „Kieler Demokratischen Verein“ und rief auf Versammlungen und in Kasernen dazu auf, die schleswig-holsteinische Armee in zu unterstützen. Er selber kämpfte zeitweilig auch in einem Freikorps.
Weiter zu nennen ist Christian Bünsow aus Achterwehr, der von 1841-1846 Inhaber einer Verlagsbuchhandlung in Kiel war. Im Frühjahr 1848 beteiligte er sich als Freiwilliger am Krieg gegen Dänemark und war Kompanieführer im 1. Freiwilligenkorps, das eine Gesamtstärke von 550 Mann aufwies. Im Oktober 1848 war er Teilnehmer am Zweiten Demokratenkongress und hier als Mitglied des Bundes der Kommunisten auf dem äußersten linken Flügel. Wie mit dem Schreckgespenst des Kommunismus publizistisch während der Revolution gearbeitet wurde macht ein Beispiel aus den „Wagrisch-Fehmarnschen Blättern“ von 1848 deutlich: In einem Aufsatz „Der Traum vom Sägeblock“, Untertitel „Etwas für Proletarier, Communisten und hartherzige Geizige“ erlebt ein Tagelöhner die verschiedensten Berufe, sieht sich auf einem Auswandererschiff auf stürmischer See und kommt zuletzt zu dem Schluss, dass es ihm bei seiner Knechtsarbeit eigentlich doch ganz gut gehe. Aber da naht ihm der Versucher in Gestalt „des Kommunisten“: “Langes Haar umwallte das Haupt des Jünglings und ein kleines Barett klebte oben
drauf. Der Rock war sogenannt altdeutsch, die übrige Kleidung im Widerspruch damit, neudeutsch oder französisch. Ein Schnauz-und Zwickelbärtchen umspielten Mund und Kinn. Mit der linken Hand umstrich er das Bärtchen, mit der rechten hielt er den Griff eines Dolches gefasst, der aus einer Brusttasche des Rockes hervorragte.“(36)
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35 Schwalm: Volksbewaffnung 1848-1850 in Schleswig-Holstein. Neumünster 1961, S. 115
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Nach der Revolution
Anfang der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts sah es in Deutschland auf den ersten Blick wieder so aus wie im Vormärz. Friedrich Engels schreibt 1851: „Die 'Mächte der Vergangenheit' vor dem Sturm von 1848 sind wieder die 'Mächte der Gegenwart' (…) Eine schwerere Niederlage als die, welche die Revolutionspartei – oder besser die Revolutionsparteien – auf dem Kontinent in allen Punkten der Kampflinie erlitten, ist kaum vorstellbar.“(37) In einem Beschluss der Deutschen Bundesversammlung verpflichteten sich sämtliche Regierungen, „die in ihren Gebieten noch bestehenden Arbeitervereine und Verbrüderungen, welche politische, sozialistische oder kommunistische Zwecke verfolgen, binnen zwei Monaten aufzuheben und die Neubildung solcher Verbindungen bei Strafe zu verbieten.“(38)
Entschiedene schleswig-holsteinische Demokraten wie Olshausen, Hedde und Clausen emigrierten nach Nordamerika, vornehmlich nach Iowa, wo sie sich hauptsächlich in der 1836 gegründeten Stadt Davenport (an den Ufern des Mississippi gelegen) und dem umliegenden County niederließen. Theodor Olshausen gab dort die deutschsprachige Wochenzeitung "Der Demokrat" heraus. „13 Schleswig-Holsteiner gründeten in Davenport 1852 den 'Sozialistischen Turnverein'. Der Verein zählte zwei Jahre später bereits 120 Mitglieder und war eine der angesehensten Organisation in Davenport.“(39) Ob Georg Weber, der Anfang 1851 Kiel ebenfalls in Richtung Nordamerika verlassen hatte, Teil dieser Schleswig-Holstein-Community gewesen war, ist nicht bekannt. Im Jahre 1861 kehrte er nach Kiel zurück und ließ sich hier wieder als Arzt und Geburtshelfer nieder. Über Kontakte von ihm zu den sich in den 60er Jahren neu herausbildenden Arbeiterparteien (Lassalles ADAV, Liebknecht und Bebels SDAP) ist ebenfalls nichts überliefert. In den 70er Jahren hat er dann wieder brieflichen Kontakt mit Karl Marx aufgenommen und ihn 1871, 1873 und 1874 in London besucht. In einem Brief vom 5. Juli 1871 schreibt er, sich in London aufhaltend: :
„Lieber Marx!
Wenn Du diese Zeilen öffnest, wirst Du zuerst nach der Unterschrift sehen. Ich weiß´nicht, ob Du nach so langen Jahren von unserem gemeinschaftlichen Pariser Aufenthalt her Dich meiner noch erinnern wirst. Indes hoffe ich es, da meine Frau (damals die Frau meines verstorbenen Neffen) mir 1849 mitteilte, daß Du in Kiel gewesen warst40 und bei ihr Dich nach mir erkundigst hattest. Ich stand damals mit unsern Truppen im Felde und verlor dadurch das Vergnügen, Dich wieder zu sehen. Inzwischen bin ich eine Reihe von Jahren in den Vereinigten Staaten gewesen, dann seit zehn Jahren wieder in Kiel, jetzt zum Besuch hier, um meine Frau nach längerer Visite bei ihrer hier verheirateten Tochter wieder abzuholen, und ich hoffe nun, daß Du mir Tag und Tageszeit mitteilen wirst, wo ich (wenn es Dir recht ist, nebst Frau und Tochter) Dich in Deiner Behausung aufsuchen dürfe (…).“(41)
Dein alter Freund
G. Weber aus Kiel
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36 Zit. nach Regling: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Neumünster 1965, S. 52
37 Engels, Revolution und Konterrevolution, In: MEW 8, S. 5
38 Zit. nach Schneider, Zur Theorie und Praxis des Streiks. Frankfurt a.Main 1971, S. 22
39 Stolz: Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51. Husum 1996, S. 135
40 Nach einem polizeilichen Visum im Pass von Marx war dieser am 4. Mai 1849 in Hamburg. Möglich, dass er damals auch einen Abstecher nach Kiel gemacht hat.
41 Zit. nach: Schiller: Georg Weber, ein Mitarbeiter des Pariser 'Vorwärts‘. In: Marx-Engels-Archiv. Bd. 2, Frankfurt a.
Main 1927, S. 467.
42 dito
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Ein Brief aus dem Jahre 1874 zeugt davon, dass sein Jugendfreund Marx ihn offensichtlich mit Freuden aufgenommen hat - denn jedes Mal, wenn Georg Weber in der Folge seinen Verwandten in London einen Besuch abstattete, besuchte er auch Marx.
„Lieber Marx!
Um mich von den Anstrengungen der Praxis zu erholen, habe ich wieder einmal eine Reise hierher gemacht und denke bis Ende des Monats hier zu verweilen. Da würde es mir eine große Freude sein, Dich einmal wieder zu sehen und mich des schönen mit Dir in Paris vertobten Jahres zu erinnern. Wenn Du mir einen Tag und die Tageszeit angeben magst, wo ich, ohne Dich zu stören, Dich aufsuchen darf, so erfreust Du
Deinen G. Weber. p. Addr. Mr. Schölermann, Chiswick 18. Gr. Park Road. 4. Juni 1874“42
Günther Stamer
Zum Autor: Jahrgang 1950, Sozialversicherungsfachangestellter, Parteiarbeiter, Sozialarbeiter; seit Anfang der 70er Jahre gewerkschaftlich und politisch engagiert und organisiert. Günther Stamer, Starnberger Str. 84, 24146 Kiel guenther.stamer@web.de 0431-7890903