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75. Jahrestag des "Unternehmens Barbarossa"
Am 22. Juni 1941 fiel die deutsche Wehrmacht in die Sowjetunion ein, um dem Nazi-Regime und den hinter ihm stehenden Führungseliten aus Wirtschaft und Gesellschaft „das Tor zur Weltherrschaft“ aufzustoßen. Kernstück dieser seit Beginn des 20. Jahrhunderts verfolgten Zielsetzung des deutschen Imperialismus ( „Der Griff nach der Weltmacht“- so der Historiker Fritz Fischer) hieß nun „Operation Barbarossa“.
Diesem Thema und des Umgangs damit in der BRD in der Nachkriegszeit und in der Gegenwart widmete sich am 25.6. eine Veranstaltung des Zusammenarbeitsausschusses der Friedensbewegung Schleswig-Holstein (ZAA) und der VVN – Bund der Antifaschisten in Neumünster.
Als Referent konnte Hannes Heer gewonnen werden.
Hannes Heer, Jahrgang 1941, Historiker, Regisseur und Publizist, ist vor allem bekannt als Leiter der Wehrmachtsausstellung („Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“), die als Wanderausstellung von 1995 bis 1999 erstmalig die Kriegsverbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auch für die breite Öffentlichkeit dokumentierte. Die Ausstellung wurde von fast einer Million Menschen besucht.
Hannes Heer charakterisierte den „Plan Barbarossa“ als „Massenmord nach Plan“, den die Wehrmacht als „Teil des faschistischen Gesellschaftsprojekts“ in die Tat umsetzte.
Dem entsprachen die Befehle für die zehn Millionen Soldaten an der „Ostfront“ und entsprechend fiel das Ergebnis aus. Der Ostfeldzug war von Anfang an als Vernichtungskrieg gegen den "jüdischen Bolschewismus" und das "Slawentum" angelegt und sollte mit der endgültigen Besetzung und Ausplünderung der landwirtschaftlich und industriell entwickelten Territorien der UdSSR enden. Die „Opfergruppen“ waren für die Wehrmacht dabei klar definiert: Politische Kommissare waren sofort zu erschießen, den Kriegsgefangenen wurde ihr international geschützter Status verwehrt, die Zivilbevölkerung verfiel als latent partisanenverdächtig dem Terror der Besatzer und bei der Judenvernichtung hatte die Wehrmacht „deren Prolog zu organisieren“.
Die nackten Zahlen der „Operation Barbarossa“: Jeder dritte Bewohner der UdSSR – bis zu 65 Millionen Menschen – litt unter der deutschen Besatzung. 26,6 Millionen Menschen starben, gut zwei Drittel davon Zivilisten. Zudem ließen die Deutschen rund drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene verhungern. Ein vielfach unbekannten Aspekt ist, dass gut vierzig Prozent der jüdischen Holocaust - Opfer im Zusammenhang mit den Vernichtungskriegen in der Sowjetunion und des Balkan zu beklagen sind. Dieser Prolog sollte dann in den Vernichtungslagern wie Auschwitz seine „Endlösung“ finden.
Angriffskrieg 1941 ohne Platz in der deutschen Gedenkkultur
Helmut Welk (ZAA) und Christoph Ostheimer (Friedensforum Neumünster) konstatierten, dass der 22. Juni keinen Platz in der Gedenkkultur der Bundesrepublik hat. Wer wieder Panzer an die russische Grenze schickt müsse geflissentlich das Gedenken an die Folgen des letzten Ostfeldzugs vermeiden. Während Russland und die anderen Staaten der damaligen Sowjetunion der Invasion mit Staatsakten gedachte, wurde in Berlin erst auf Drängen der Linken dann noch eine Stunde (!) in der Tagesordnung des Bundestages freigeschaufelt.
Es entspreche "dem Verständnis der Gedenkstättenkonzeption des Bundes, dass die Bundesregierung die Aufarbeitung von Geschichte sowie entsprechende Gedenkveranstaltungen nicht in Eigenregie durchführt", hieß es in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zum 75. Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion. So versuchte man in Berlin zu erklären, weshalb die Regierung den Jahrestag des "Unternehmens Barbarossa" ohne einen eigenen Beitrag hatte verstreichen lassen wollen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte in seiner Rede am 22.6. im Bundestag vor einer "Entfremdung" zu Russland. Man dürfe nicht zulassen, "dass Reflexe und Vorurteile aus längst vergangenen Zeiten wieder auferstehen, als seien sie nie weg gewesen". Tage zuvor hatte er in drei Zeitungen ehemaliger Sowjetrepubliken – in der russischen Tageszeitung "Kommersant", der ukrainischen Wochenzeitung "Zerkalo Nedeli" und der weißrussischen Tageszeitung "Sowjetskaja Belarusia" – einen Beitrag veröffentlichen lassen, in dem er konstatierte, dass das Wachhalten der Erinnerungen an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und an die deutsche Schuld eine "unverzichtbare, zwingende Voraussetzung für die Aussöhnung zwischen unseren Ländern"sei. Diese Äußerungen fielen zeitgleich mit seiner Kritik am "Säbelrasseln" der NATO gegenüber Russland – was für mediales Aufhorchen und teilweise für Entrüstung bei Politikern des Koalitionspartners sorgte. Gregor Gysi (Die Linke) lobte diese zutreffenden Äußerungen des Außenministers, kritisierte die Haltung Steinmeiers zugleich aber als unglaubwürdig - schließlich habe auch Deutschland im Rahmen der völkerrechtlich zweifelhaften Truppenverlegung der NATO gerade 250 Soldaten an die russische Grenze entsandt.
Keine Soldaten und keine Waffen ins Ausland
Zum Abschluss wiesen die Veranstalter auf die Resolution vom ver.di - Bezirksvorstand Südholstein hin, worin es u.a. heißt: „Als Organisation der arbeitenden Menschen vertreten die Gewerkschaften auch das Interesse an der Sicherung des Friedens, an der Verhinderung oder Beendigung von Kriegen. Sie verstehen sich deshalb als natürlicher Teil der Friedensbewegung.
Vor diesem Hintergrund rufen wir die Mitglieder unserer DGB-Gewerkschaften sowie alle Bürgerinnen und Bürger auf:
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Sich kritisch mit dem für Sommer 2016 angekündigten „Weißbuch der Bundeswehr“ auseinanderzusetzen und hierzu auch den gewerkschaftlichen Antikriegstag
am 1. September zu nutzen. -
Die geplante Ausrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen und deren Stationierung in Jagel nicht hinzunehmen.
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Die von den beiden bundesweiten Netzwerken „Kooperation für den Frieden“ und „Friedensratschlag“ gemeinsam geplante zentrale Friedensdemonstration in Berlin (08.10.2016) aktiv vorzubereiten und durch die eigene Teilnahme zu einer unübersehbaren Manifestation des Friedenswillens der deutschen Bevölkerung zu machen.
Text/fotos: gst