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Es war Befreiung !
Kiel nimmt in diesen Tagen Abschied von den letzten britischen Truppen. Die Pressestelle der Stadt spricht in einer Mitteilung vom Ende einer 71jährigen Ära, die mit Besatzung begonnen und in Partnerschaft übergegangen sei. Wie verräterisch Sprache sein kann. Ich weiß ja nicht, ob sich der Autor jener Zeilen Gedanken gemacht hat, was er oder sie da schreibt. Für mich ist jedenfalls der Einzug britischer Truppen mit Befreiung verbunden, nicht mit (aufgezwungener) Besatzung. Andernfalls wären wir alle nämlich in einem faschistischen Deutschland geboren und aufgewachsen, einem Land, in dem Kommunisten, Sozialdemokraten, Sinti und Roma sowie Juden auch nach 1945 weiter ermordet worden wären.
Acht-Stunden-Tag, Meinungsfreiheit, Gewerkschaftsrechte, Arbeitsschutz, freie Entfaltung der Persönlichkeit, freie Wahlen etc. pp. könnten wir alles vergessen. Statt dessen hätte mancher von uns wohl das KZ Russee von innen kennen gelernt. Dorthin konnte man schon kommen, wenn man einen Witz über die Nazis erzählte, oder wenn man im Betrieb nicht richtig spurte. Zu häufige Widerworte oder ein nach Meinung der Betriebsführung zu langsames Arbeiten konnten ausreichen, um ein paar Wochen lang im „Arbeitserziehungslager“ durchgeprügelt zu werden.
Das alles soll natürlich nicht heißen, dass heute alles Sahne wäre. Dass dem nicht so ist, kann man unter anderem Monat für Monat in der „LinX“ und im „Gegenwind“ nachlesen. Wir leben selbstverständlich weiter im Kapitalismus, der auf der Ausbeutung der Arbeiter basiert, und um deren Rechte ist es meist nicht zum Besten bestellt. Von der Leiharbeit, den Zeitverträgen und den Verarmungsprogrammen á la Hartz einmal ganz abgesehen. Und es ließe sich hier natürlich noch eine lange Liste anführen, wie wenig Mitspracherechte es gibt und wie sehr die persönlichen Freiheiten in diesem Land eingeschränkt werden können, dessen Staats- und Unterdrückungsapparat im übrigen u.a. Dank der erwähnten Partnerschaft mit den Briten von alten Nazis aufgebaut wurde.
Aber das ist eine andere Frage. Wir sollten immer bedenken, dass die Strafe fürs Vergessen die Wiederholung sein wird. Für mich wäre also der Abschied vor allem ein Anlass, mich für diese Befreiung zu bedanken (ohne dass ich darüber vergessen wollte, dass die britische Führung seinerzeit die Nazis mit Samthandschuhen anfasste und hunderte wenn nicht tausende schwer belasteter hochrangiger Kriegsverbrecher nach Lateinamerika entkommen ließ).
(wop)