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Klimaschutzstadt Kiel:
Stadtwerke/MVV verweigern Umsetzung des Energiekonzeptes
01. Juni 2011 Am 10. Mai 2011 stellte das Umweltamt erstmalig das klimaverträgliche Energiekonzept für Kiel öffentlich zur Diskussion. Den ca. 100 TeilnehmerInnen im Kieler Ratssaal wurden die Ergebnisse der von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten vorgestellt. Grundlage der Gutachten war der Beschluss der Ratsversammlung aus dem Jahre 2008: „In Kiel wird kein neues Kohlekraft gebaut“ und stattdessen ein Energiekonzept mit dezentrale Energieversorgung und Nutzung erneuerbarer Energien umzusetzen.
Ursprünglich war geplant auf einer anschließenden Podiumsdiskussion über die weitere Umsetzung des Energiekonzeptes mit Gutachtern, Stadtwerken, Umweltverbänden und Bürgerinitiative zu diskutieren.
Aber daraus wurde nichts. Die Stadtwerkevertreter sagten kurzfristig ab und ließen stattdessen am gleichen Tag in der Presse verlautbaren, dass sie Besseres vorhaben. Sie präsentierten kurzerhand ihre Zusammenarbeit mit dem Kohlekraftwerk in Neumünster. Für 50-60 Mio. Euro wollen sie eine 40 km lange Fernwärmeleitung bauen und so sollen angeblich Überkapazitäten in NMS genutzt werden. Dafür wollen sie die Minderheitsanteile von EON übernehmen. Was diese Anteile für die Kieler Stadtwerke kosten, wurde nicht berichtet. Das Kieler Gemeinschaftskraftwerk hat nur eine Laufzeit bis 2015 und müsste dann stillgelegt werden oder für ca. 30 Mio. Euro wieder für eine längere Laufzeit restauriert werden, was dem Kieler Energiekonzept widersprechen würde.
Der Umweltdezernent und gerade wiedergewählte grüne Bürgermeister Todeskino konnte nichts zu den neuen Plänen der Stadtwerke sagen. Hinter den Kulissen war aber Bürgermeister Torsten Albig als städtischer Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke mit an dem neuen Deal beteiligt. Offensichtlich hat er einen besseren Draht zur MVV, die sich davon wirtschaftlich mehr versprechen.
Der Oberbürgermeister hält anscheinend nichts von dem klimaverträglichen Energiekonzept der Stadt Kiel. Das ist um so schwerwiegender, weil es bislang noch kein Konzept für die finanzielle Umsetzung gibt.
So sieht also die vielbeschworene gute Zusammenarbeit mit den Stadtwerken/MVV aus. Wenn ihnen das klimafreundliche Energiekonzept nicht passt, lassen sie den Partner mit dem 49%igen Anteil sitzen und stellen die Stadt und das Umweltamt vor vollendete Tatsachen. Und der Sozialdemokrat Albig spielt bei dem Ganzen mit, weil es „handfeste wirtschaftliche Vorteile“ gäbe und angeblich den CO2-Ausstoß in der Region verringern würde (Und was machen sie mit der überschüssigen Wärme im Sommer?). Hier vertritt die Kieler Oberbürgermeister schamlos die Gewinninteressen des Mannheimer Energiekonzerns und fällt dem Umweltamt in den Rücken!
In dem von den Gutachtern vorgestellten städtischen Energiekonzepts ist u.a. von dem Bau eines 400 MW Gas- und Dampfkraftwerkes die Rede, wobei die Bürgerinitiative und der BUND sich für ein kleineres Kraftwerk und mehr dezentralen BHKWs einsetzen. Aber bisher ist völlig unklar, wie dieses, zusammen mit den anderen Vorschlägen der Gutachter finanziert werden soll.
Auf die Nachfrage, warum dies nicht in den Gutachten enthalten ist und welche Vorstellungen das Umweltamt dazu hat, wurde geantwortet: Es gäbe noch kein Finanzierungskonzept, darüber müsse die Politik erst noch reden. Finanzpartner würden gesucht.
Die Stadtwerke/MVV haben sich also schon entschieden, dass sie dafür nicht in Frage kommen und so rächt sich erneut die Privatisierung der Kieler Stadtwerke. Die MVV als Mehrheitseigner will vor allem Strom und Fernwärme verkaufen und daran gut verdienen.
Eine dezentrale umweltfreundliche Energieversorgung, in der die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden und die auf Energiesparen ausgerichtet ist, weg von Kohle- und Atomstrom, passt nicht in das Kerngeschäft der MVV, die auch in Mannheim immer noch auf Kohlekraft setzt.
Für ein demokratisches Energiekonzept braucht die Stadt eine eigenständige finanzielle Lösung und keine Investoren aus Energiekonzernen.
Eigentlich wäre es an der Tagesordnung, solch ein Geschäftsgebahren als Anlass zu nehmen, die Energiekonzerne zu enteignen. Mindestens aber die Anteile der Stadtwerke zurückzukaufen, um wieder handlungsfähig zu sein. Die Versorgung mit Strom, Wärme, Gas und Wasser ist eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge und gehört auch in kommunale Hände. Zukunftsfähige Investitionen in moderne und umweltfreundliche Energieversorgung sind nötig. Dafür muss die Stadt die Kontrolle wieder zurückholen.
Wie dies gehen kann, zeigen gerade die Volksbegehren in Hamburg, die sich für den Rückkauf der Netze einsetzen. Es reicht zwar nicht, nur die Netze wieder in kommunalen Besitz zu haben, denn auch die Energieerzeugung gehört dazu. Aber es ist der erste Schritt. Im Jahre 2014 laufen in Kiel die Konzessionsverträge für die Netze aus. Dann hat die Stadt die Möglichkeit die Netze zurückzukaufen. Dafür müsste die Stadt, wenn sie schon nicht die Stadtwerke rekommunalisieren kann (Die Verträge mit der MVV laufen bis 2023 und ob die MVV die Anteile freiwillig rausrücken ist unklar.) selber Geld in die Hand nehmen und z. B. eine eigene kommunale Netzgesellschaft gründen. Das wäre nichts Neues. Auch andere Städte haben bewiesen, dass sie aus Fehlern lernen können und haben neue Stadtwerke gegründet.
Dieser Weg wäre auch für Kiel möglich. Hier könnten dann wieder neue Arbeitsplätze und Anlagen geschaffen werden. Auch wenn es ein schwerer Schritt ist, könnte die Energieversorgung in Kiel im Interesse der Bevölkerung mit demokratischen Mitspracherechten und wenn gewünscht sogar mit finanzieller Beteiligung der Bevölkerung organisiert werden. Hier hätten z. B. auch Bürgersolaranlagen ein Dach. Energiesparberatung, Service, Kleinkredite für energiesparende Geräte und die Gewährleistung von sozialen Tarifen für die Kunden wären möglich. Bedingung ist allerdings, dass die Stadt Kiel die Finanzierung selbstständig und konzernlos tätigt. Dies ist machbar, denn dieser Betrieb ist im Sprachgebrauch der Banken und Geldgeber rentierlich. Kommunen können zinsvergünstigte Kredite erhalten. Eigentlich sollten sie die Kredite kostenlos erhalten, denn der Staat hat Milliarden in die Rettung der Banken gesteckt. Der Kredit kann zurückgezahlt werden aus den Einnahmen, die sonst bei den Aktionären der Energiekonzerne landen. Danach könnte für weitere Zukunftsinvestitionen zurückgelegt werden und gleichzeitig wäre ein sozialverträglicher Strom- und Wärmepreis möglich, solange es keine Sondertarife für Großabnehmer gibt.
Diese Umsetzung eines eigenständigen umweltfreundlichen Energiekonzeptes ist allerdings nur durch den politischen Druck von unten möglich. Jetzt erkennen viele Menschen, dass die Energiekonzerne ihre Gewinne mit Risikotechnologien wie Atomkraft und Kohle auf Kosten von Mensch und Natur machen. Da ist es an der Zeit weiterzudenken und eine Energie- und Wasserversorgung in Bürgerhand zu fordern. Energie, Wasser und Netze jetzt rekommunalisieren!
(uws)