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"Selber Penner!"
Obdachlosigkeit in der sozialen Marktwirtschaft
An Reichtum mangelt es in dieser Gesellschaft wahrlich nicht: die Schaufenster sind voll. Von mp3-Player und Klamotten über Maschinen zur Autoproduktion bis zum Baukran und Bagger ist alles da. Gleichzeit schlafen jeden Tag Leute auf der Straße– und erfrieren dort auch regelmäßig. Wie kann es sein, dass in einer Welt, in der es riesigen Reichtum gibt, Leute überhaupt auf der Straße schlafen müssen? Daran, dass es zu wenig Wohnungen gibt, liegt es nicht. Und selbst wenn, gäbe es ausreichend materielle Mittel (Baustoffe, Bagger, Kräne usw.), um neue zu bauen und den Mangel aus der Welt zu schaffen. Die Vorstellungen darüber, wieso Leute dennoch auf der Straße schlafen müssen, sind unterschiedlich. Jeder kennt Gruselgeschichten über Armutsgestalten, deren Karriere auf der Straße endet: Sie hätten Probleme mit dem Trinken, würden in Beziehungskrisen ihre Familien verlassen, oder hätten sich bei den Bemühungen um Hartz IV einfach nicht genug gekümmert.
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All das macht persönliche Entscheidungen der Leute zum Grund für ihre Obdachlosigkeit. Warum selbst harmlose Schicksalsschläge regelmäßig dazu führen, dass Leute auf der Straße landen, beantwortet keine dieser Erklärungen. Ganz im Gegenteil: so wird Obdachlosigkeit auf Faulheit oder Pech zurückgeführt, also zu einer ungewöhnlichen Ausnahme erklärt. Eigentlich, so die Behauptung könnte es in dieser Gesellschaft jeder zu einem Auskommen bringen - wenn er sich denn nur genug anstrengen würde. Die Wahrheit sieht anders aus:Obdachlose schlafen auf der Straße, weil sie – durch das vom Staat garantierte Eigentum – ganz grundsätzlich von allem ausgeschlossen sind, was sie so zum Leben brauchen, auch von Wohnungen. An die Dinge, die man für ein schönes Leben braucht, rankommen und diesen Ausschluss überwinden kann nur, wer das Geschäftsinteresse des Eigentümers, also auch des Vermieters, bedient. Ein Bedürfnis gilt in der sozialen Marktwirtschaft nichts, hat man das nötige Geld dazu nicht in der Tasche. Erst muss die Miete und die Kaution gezahlt und noch nachgewiesen werden, dass man auch in Zukunft die Miete zahlen kann. Und die Bude, in die die Möbel dann kommen, sieht auch entsprechend aus: Renovieren kostet, und gerade für ärmere Mieter lohnt sich das nicht.
Dass das Interesse des Vermieters gültig ist, dafür sorgt der Staat. Fällt die Zahlung mal aus, droht Zwangsräumung durch Gerichtsvollzieher und Polizei. Ebenso passt der Staat darauf auf, dass sich niemand Wohnraum verschafft, der nicht dafür zahlt. Auch die Verhinderung von Hausbesetzungen fällt darunter. Dabei ist der Staat sehr grundsätzlich: Wer die Bremer Medien verfolgt, weiß, dass auch die Besetzung einer leerstehenden Spedition ein Grund für den Einsatz eines Sondereinsatzkommandos ist. Spätestens da kann man merken: Wohnen ist in dieser Gesellschaft ein Mittel fürs Vermehren von Eigentum in Form von Geld.
Egal ob man wohnen oder essen will, man ist durch staatliche Gewalt gezwungen an Geld zu kommen, weil alle Dinge Eigentum sind. Das heißt: Jemand hat die ausschließliche und damit alle anderen ausschließende Verfügungsmacht über die Dinge. Dieses Verhältnis nutzen die Eigentümer um an Geld zu kommen. Deswegen hängt für die Menschen in dieser Gesellschaft alles davon ab, über welches Eigentum sie verfügen, auch wie und ob sie überhaupt wohnen können. Der Wohnungseigentümer kommt an Geld, indem er die Wohnung vermietet, in der er selbst nicht wohnt. Dann gibt es welche, die haben Produktionsmittel, an denen sie andere Menschen Dinge produzieren lassen, die sie als Waren gewinnbringend verkaufen. Wieder andere haben Geld, das sie Unternehmen zum Gewinnemachen gegen Zins leihen. Den meisten Menschen stehen solche Mittel nicht zur Verfügung. Sie haben kein nennenswertes Eigentum (z.B. eine Fabrik), um an Geld zu kommen. Sie sind nur Eigentümer ihrer selbst und müssen deshalb sich selbst dafür benutzen. Sie müssen ihre Arbeitskraft verkaufen – sich einen Job suchen. Sie sind also auf jemand anderen angewiesen, der ihre Arbeitskraft für seine Zwecke benutzen will. Der Lohn, den sie dafür bekommen, ist genau deswegen niedrig: Damit sie an einen Job kommen, muss sich ein Unternehmen einen Nutzen davon versprechen sie einzustellen. Dafür muss ihre Arbeit mehr Geld einbringen, als sie kostet, und zwar möglichst viel mehr. Unternehmen wollen möglichst viel und intensive Arbeit für möglichst niedrigen Lohn. Das Interesse der Arbeitgeber steht also im Gegensatz zum Interesse derer, die mit Lohn ihr Leben bestreiten müssen. Die Senkung der Löhne ist für die Unternehmen das Mittel Kosten einzusparen um höhere Gewinne zu machen. Sie lassen sich viel besser drücken als der Preis von Maschinen oder Grundstücken: Dass der Lohn das einzige Mittel zum Leben ist und alle um die Arbeitsplätze konkurrieren müssen, macht erpressbar. Ob Lohnabhängige dieses Mittel, das zwar das einzige, aber ein extrem schädliches und untaugliches Mittel zum Überleben ist, überhaupt benutzen können, ist extrem unsicher. Wenn die Unternehmen Lohnabhängige für nicht brauchbar zum Gewinnemachen befinden, werden sie nicht mehr eingestellt oder entlassen und haben gleich gar kein Einkommen mehr. Damit ist spätestens fraglich, ob sie überhaupt wohnen können.
An dem Prinzip ändern Sozialversicherungen oder Harz IV nichts. Solche Maßnahmen sind dafür da, Leute zu erhalten, die gerade oder dauerhaft für die Profitmacherei nicht brauchbar sind und zeigen eines deutlich: Nämlich, dass Armut und gesundheitliche Ruinierung durch die Arbeit in dieser Gesellschaft alltäglich und selbstverständlich sind. Hier springt der Staat mit seinem Sozialsystem ein, aber gar nicht so, dass die Gründe der ständigen Not aus der Welt geschafft werden. Im Gegenteil: die Verhältnisse, in denen das Elend geschaffen wird, werden betreut und am Laufen gehalten.
Genau so ist die „Hilfe“ auch bemessen: Die Verantwortlichen machen gar kein Geheimnis daraus, dass die Arbeitslosenhilfe so niedrig sein soll, dass man möglichst viele „Anreize“ bekommt einfach jeden Job anzunehmen. Mit Absicht soll die Förderung nur ein Leben am Existenzminimum ermöglichen, also zum Leben gar nicht ausreichen. Um in den Genuss dieser paar Euro zu kommen muss man als Empfänger noch eine Reihe von Gängelungen über sich ergehen lassen.Als Langzeitarbeitsloser bekommt man das Sozialgeld nicht einfach so in die Hand gedrückt. Trotz der Tatsache, dass kein Unternehmen jetzt und in Zukunft vor hat einen wieder einzustellen, muss man ständig zeigen, dass man noch immer einen guten Willen zur Arbeit hat – bei Strafe von Leistungskürzungen. Mit der Erfüllung von Bewerbungsquoten, Besuchen von Fortbildungsmaßnahmen und hirnrissigen Motivationstrainings soll man seinen Willen unter Beweis stellen, ausschließlich Arbeit als sein Mittel zum Leben benutzen zu wollen. Auch wenn man ständig die Erfahrung macht, dass es damit gar nicht geht. Wer diese absurde Gängelung nicht mehr aushält, der verliert seinen Anspruch auf diese merkwürdige „Hilfe“ und ist vollkommen mittellos in einer Gesellschaft, die erst Geld sehen will, bevor man was bekommt. Und damit ist endgültig klar, dass so eine Gesellschaft ohne Obdachlose nicht zu haben ist.
An diesem Punkt sollte klar sein, dass sich deine eigene ökonomische Situation gar nicht so groß von der eines Obdachlosen unterscheidet – selbst wenn du das „Glück“ hast, einen Unternehmer gefunden zu haben, der dich für seinen Profit benutzt. Eben weil die Unterworfenheit unter den Staat und die mit seiner Garantie des Eigentums gestiftete Abhängigkeit von feindlichen Interessen (Arbeitgeber, Vermieter, etc.) – nicht nur für die Leute, die wirklich ganz unten angekommen sind gilt, sondern für jeden der nicht gerade Unternehmer oder Bundeskanzler ist.
Die eigene Lage ist also Grund genug sich einmal grundsätzlicher mit den herrschenden Interessen in dieser Gesellschaft zu beschäftigen, denn sie sind es, die diesen Planeten in jeder Hinsicht so wenig wohnlich machen. Einige Hinweise und Lektüreempfehlungen dazu geben wir auf unserer Homepage.
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