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Ölförderung und das deutsche Bergrecht:
Konzernfreundlich, undemokratisch und schädlich
01. Januar 2014 Am 18. April beschloss der Plöner Kreistag einstimmig: „Die Mitglieder des Kreistages Plön lehnen mit Nachdruck das so genannte Fracking-Verfahren zur Erdgas- und Erdölgewinnung im Kreis Plön ab, ebenso die Suche nach unkonventionellen Erdgas- und Erdölvorhaben.“ Morgen, am 5. Dezember, soll der Plöner Kreistag auf Antrag der Bündnisgrünen diesen Beschluss revidieren und u.a. den folgenden Satz verabschieden: Fracking sei „in jeder Form so lange zu verbieten, bis ein wissenschaftlicher und technischer Stand erreicht ist, der Gefahren durch diese Technik sicher ausschließen kann“. Zuvor hatte ich auf der vorbereitenden Sitzung des Umweltausschusses während der Einwohnerfragestunde nach der Begründung für diesen Wandel gefragt. Der Antragseinreicher antwortete, eine pauschale Forderung nach komplettem Frack-Verbot hätte vor Gericht keinen Bestand, also seien solche Formulierungen notwendig, um Fracking gerichtsfest zu verhindern. – Ich nenne dies eine Weichspülmasche im Sinne der Herrschenden. Morgen wird unser Mitglied Bernd Friedrich von der Linkspartei im Kreistag den Antrag stellen, es beim Beschluss vom April zu belassen. Es wird vermutlich die einzige Stimme bleiben, doch damit zeigt unsre Aktionsgemeinschaft in der Öffentlichkeit Flagge! (...)
Das deutsche Bergrecht ist konzernfreundlich ausgelegt und eingebettet in eine konzernfreundliche allgemeine Gesetzgebung. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Grundsatzurteil zur Nutzung der Kernkraft befunden, es sei abzuwägen zwischen ökonomischen Interessen und den Interessen der Öffentlichkeit. Es gehe um die Wahrscheinlichkeit, mit der befürchtete Schäden eintreten könnten. Eine geringe Wahrscheinlichkeit sei als sogenanntes Restrisiko hinzunehmen. Dies ist natürlich für Exxon-Mobil und die anderen Konzerne eine Einladung, durch von ihnen finanzierte sogenannte neutrale Expertenkreise mittels „wissenschaftlicher Studien“ die erwünschten Persilscheine zu erlangen. Unsre Aktionsgemeinschaft entstand in Auseinandersetzung mit Lokalpolitikern von CDU bis Bündnisgrünen, die sich an die Spitze der „Regionalgruppe frackingfreier Kreis Plön“ gestellt haben und diese Strategie indirekt unterstützen. Leider fehlt dem Großteil der Mitglieder der politische Durchblick. Angstgetrieben wollen sie Fracking verhindern und vertrauen den Politikersprüchen von CDU, SPD, Grünen und FDP. Wir werden als „Spalter“ teilweise ausgegrenzt, doch das halten wir aufgrund unsrer Vision einer postfossilen Zukunft aus.
Gestattet einige knappe Bemerkungen zum Bergrecht. Das heutige Bundesberggesetz muss dringend erneuert werden. Es basiert auf dem spätfeudalistischen Bergrecht für die preußischen Provinzen aus dem Jahr 1865, welches seinerseits zahlreiche Reste aus den mittelalterlichen Bergregalen vereinheitlichte. Es war und ist noch immer obrigkeitsstaatlich angelegt. Begriffe wie Umweltbeeinträchtigung oder Artikulation öffentlicher Interessen kamen darin nicht vor. Die Nazis wollten das deutsche Bergrecht im Sinne ihrer Autarkiebestrebungen extrem rigide novellieren, doch das angestrebte Reichsberggesetz kam nicht mehr zustande. Wohl aber gingen Elemente dieser Novellierungsdebatte in die Praxis der Bergämter ein und wirken noch heute. Eines dieser Elemente ist die Rohstoffsicherungsklausel – darauf ist noch einzugehen. Nach 1945 ging das Bergrecht zunächst in die Hoheit der Bundesländer über. Das erwies sich zunehmend als anachronistisch, zumal in den 70er Jahren bereits Ansätze zu einer Vereinheitlichung des Bergrechts auf europäischer Ebene erkennbar wurden. 1982 trat das Bundesberggesetz in Kraft, das dem Bund zwar die entscheidenden Kompetenzen einräumte, aber den Bundesländern eine Mitwirkungsfunktion in Teilbereichen wie z.B. dem Wasserrecht, dem Naturschutz oder der Raumordnung zubilligte. Maßgebend für die Umsetzung sind immer noch die Landesbergämter. Ein Bundesbergamt gibt es nicht. Daher trifft die Behauptung etwa von Minister Dr. Habeck nicht zu, das Land Schleswig-Holstein habe auf Dauer keine Möglichkeit, Fracking zu verhindern. (...)
Zur Erläuterung: Das deutsche Bergrecht kennt den Begriff des Fracking nicht. Also ist es grundsätzlich erlaubt. Allerdings gibt es Elemente, welche die Antifrac-Inis nutzen können. Das deutsche Bergrecht ist gestuft: Auf der ersten Stufe beantragt das interessierte Unternehmen die Absteckung seines Claims. Dazu muss es einen Arbeitsplan einreichen, aus dem die Grundstrukturen der Förderung ersichtlich sind. § 11 BBergG enthält zehn Ablehnungsgründe, darunter das „überwiegende öffentliche Interesse“ sowie die Zuverlässigkeit des Unternehmens – dies ist relevant für die Beurteilung, ob betriebsbedingte Gefährdungen etc. auftreten können und ob das Unternehmen solvent ist, für mögliche Schäden durch Fracking aufzukommen (dadurch bekommt die Forderung nach Beweislastumkehr ein besonderes Gewicht). Wenn auch nur einer dieser zehn Punkte zutrifft, ist der Antrag abzulehnen. Sollten mehrere Unternehmen um die Ausbeutung eines Feldes konkurrieren, ist demjenigen Antrag stattzugeben, der dem Zweck einer Ressourcen schonenden Ausbeutung des Feldes am ehesten entspricht. Die Öffentlichkeit, z.B. in Gestalt beteiligter Gemeindebehörden, ist gemäß § 15 BBergG vor der Entscheidung über die Claim-Vergabe zu hören. – Auf der anschließenden zweiten Stufe, dem Betriebsplanverfahren, wird über die Förderung selbst entschieden. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Genehmigung auf der ersten Stufe nur dann revidiert werden darf, wenn neue Erkenntnisse sichtbar werden, die auf der ersten Stufe nicht vorlagen.
Hessens Umweltministerin hatte, entsprechend den Bestimmungen des BBergG und gestützt sowohl auf die hessischen Umweltinitiativen, als auch auf die Praxis in NRW, vom antragstellenden Unternehmen eine rechtsverbindliche Erklärung verlangt, ob beabsichtigt sei zu fracken. Alleine der Hinweis auf geplante „stimulierende Verfahren“ reichte aus, den Antrag zu Fall zu bringen. Anders dagegen die Kieler Landesregierung: Sie hatte vor Jahren per Staatsvertrag das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) beauftragt, die Belange Schleswig-Holsteins wahrzunehmen.
Doch gerade die LBEG-Entscheidungen verstoßen eklatant gegen das geltende Bergrecht: Das Amt sieht jede Claim-Absteckung als eine rein formale Angelegenheit an – bei mehreren Anträgen konkurrierender Unternehmen gilt für diese Behörde der Grundsatz: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die Wahrung von Betriebsgeheimnissen verhindere, dass die betroffenen Gemeinden rechtzeitig informiert, geschweige denn an der Entscheidung beteiligt würden. Da wurde selbst eine Grundsatzentscheidung des BVerwG vom 15.10.1998 ignoriert! – mit der Folge, dass auf der zweiten Stufe, dem Betriebsplanverfahren, die Besitzstandwahrung laut Artikel 14 Grundgesetz in Kraft tritt und Einsprüche der Kommunen, und seien sie noch so stichhaltig, faktisch keine Relevanz mehr haben. Ein ähnlicher Skandal besteht darin, dass die zuständigen Beamten des Kieler Umweltministeriums die gesetzwidrige Praxis tolerieren, Minister Habeck sich von ihnen und dem LBEG auf der Nase herumtanzen lässt.
Hier kommt wiederum die oben bereits erwähnte Rohstoffsicherungsklausel ins Spiel. § 48 Absatz 1 Satz 2 BBergG lautet: „Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, daß die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.“
Die Förderung von Kohlenwasserstoffen, besonders im Frac-Verfahren, steht in permanentem Konflikt mit Wasserschutz, Naturschutz und ganzheitlicher kommunaler und überkommunaler Raumordnung. Die Rohstoffsicherungsklausel bietet in Konfliktsituationen ein Schlupfloch für Konzerninteressen, welches die Bergämter, allen voran das LBEG, gerne nutzen. Doch die Kommunen haben es trotzdem in der Hand, der Umsetzung von Frac-Vorhaben entscheidenden Widerstand entgegenzusetzen. Siebenhundert Unternehmen der Wasserversorgung bis hin zu den Bierbrauern haben kürzlich die Gelsenkirchener Erklärung gegen Fracking unterzeichnet. Unsre Aktionsgemeinschaft wird ab Januar den Kontakt zu Gemeinden und Wasserversorgungsbetrieben aufnehmen – möglichst im Bündnis mit Euch Anwesenden hier im Raum. (...)
(Hansjürgen Schulze, Vortrag, 4.12.2013)