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Konzerne profitieren, Mensch und Umwelt verlieren!

STOP TTIP und CETA !

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Fotos: Ulf Stephan, arbeiterfotografie-kiel.de

01. Mai 2015 Unter diesem Motto fand am 18.4. ein internationaler Aktionstag gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA bzw. mit Kanada statt. Der weltweite Protest gegen diese Abkommen kam eindrucksvoll durch 750 Aktionen und Demonstrationen in 45 Ländern zum Ausdruck. Allein in Deutschland gingen in fast allen größeren Städten Zehntausende auf die Straße. Auch in Kiel beteiligten sich fast 600 Menschen an einer Demonstration, zu der das Bündnis STOP TTIP/Kiel aufgerufen hatte. Vor der Demonstration informierten an diesem Tag sieben Stände in der Innenstadt über die Handelsabkommen. STOP TTIP/Kiel besteht aus über 20 Organisationen aus den Bereichen der Gewerkschaften, des Umweltschutzes und sozialer Bewegungen.

Was ist gegen „Freihandel“ à la TTIP einzuwenden?

Die übliche Praxis des Freihandels dient der EU und den USA dazu, Zölle, Standards, Regeln und Gesetze so zu deregulieren, dass ein ungestörter, höchst profitabler Zugang zu den jeweiligen Märkten möglich ist. In diesem Zusammenhang bedeutet „freier Handel“ vor allem: möglichst frei von sozialen und ökologischen Standards, frei von einschränkender Gesetzgebung und so weit es geht auch frei von demokratischer Einmischung.

In diesem Sinne ist es für die neoliberalen Freihandelsideologen besonders günstig, dass sich die Entscheidungsebenen immer weiter zentralisieren und globalisieren und sich somit aus der Überschaubarkeit und dem konkreten Lebensumfeld der Menschen entfernen. Das erhöht Ohnmachtsgefühle und den Eindruck, die Dinge nicht mehr beurteilen zu können. Politische Apathie ist häufig die Folge dieser Entwicklung, eine günstige Bedingung für die Herrschaft der Eliten.

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Auf dem Weg in die Lobby-Demokratie

TTIP ist mehr als ein normales Freihandelsabkommen!

Alle nationalen oder europäischen Regulierungen, die sich auf den Handel auswirken und von amerikanischen abweichen, fallen als sog. „tarifäre Handelshemmnisse“ in den Geltungsbereich von TTIP. Das gilt umgekehrt natürlich auch. TTIP würde also tief in die Gestaltung des europäischen bzw. des US-amerikanischen Marktes eingreifen. Als völkerrechtlicher Vertrag zwischen der EU und den USA hätte TTIP künftig Vorrang vor europäischen oder nationalen Gesetzen oder Regulierungen. Das bedeutet, dass sich alle künftigen Gesetze zum Umwelt- und Verbraucherschutz, zu arbeitsrechtlichen Normen im Rahmen von TTIP bewegen müssten.

Das wäre eine drastische Formatierung der Gesetze im Geiste von TTIP und damit auch ein weiterer Verlust an der Souveränität der Parlamente und an demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten.

Geheimverhandlungen und der Einfluss von Wirtschaftsverbänden und Konzernen

Die Verhandlungen zu diesem Abkommen zwischen der EU und den USA werden schon seit Jahren hinter verschlossenen Türen geführt. Alle Dokumente dazu liegen in Brüssel in einer Art Hochsicherheitstrakt, in den EU-Parlamentarier nur mit Papier und Bleistift und der strengen Auflage hineinkommen, ihre Informationen nicht weiterzugeben. Auf immensen öffentlichen Druck werden inzwischen einige Positionen der EU nach Gutdünken von der Kommission veröffentlicht. Die amerikanische Verhandlungsposition bleibt verschlossen. Im Vorfeld und während der Verhandlungen fanden bzw. finden Beratungs- und Gesprächsrunden mit Interessenverbänden und Lobbygruppen statt.

Von bisher 560 dieser Treffen erfolgten 520 mit Wirtschaftsverbänden und Konzernlobbys und nur 26 mit Gewerkschaften, Verbraucherverbänden oder Organisationen der Zivilgesellschaft.

Bei der weitgehenden Geheimhaltung der Verhandlungen kann das Abkommen in seiner mehrere tausend Seiten umfassenden Schlussfassung von den Abgeordneten im EU Parlament und in den nationalen Parlamenten nur noch mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Veränderungen durch die Parlamente sind nicht mehr möglich.

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Entmachtung der Parlamente durch einen „regulatorischen Rat“

Im Vorfeld zu Gesetzgebungsverfahren im Geltungsbereich von TTIP sollen US-amerikanische und europäische Regulierungsbehörden in Kooperation mit den wichtigsten Wirtschaftsverbänden und Lobbygruppen gesetzgeberische Regelungen prüfen, harmonisieren und vorschlagen.

In einem solchen Verfahren wären Wirtschaftslobbyisten schon lange vor einer öffentlichen demokratischen Debatte in Gesetzgebungsverfahren einbezogen. Wie bereits jetzt würden sie in vielen Fällen die Gesetzesvorlagen durch ihre Kanzleien selber schreiben.

Konzerne können Staaten auf Schadensersatz verklagen.

TTIP sieht eine Investorenschutzklausel vor, die ausländischen Investoren die Möglichkeit bietet, vor außergerichtlichen, privaten Schiedsgerichten Staaten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn ihnen durch neue gesetzliche Regelungen Gewinneinbußen entstehen.

Ein prominentes Beispiel aus einem anderen Abkommen ist die Schadensersatzklage Vatenfalls gegen die Bundesregierung wegen des „Atomausstiegs“. Der kanadische Konzern Long Pine verklagt über eine US-Tochter den Staat Kanada zu Schadensersatz wegen eines Fracking-Moratoriums. Philip Morris klagt gegen Australien wegen Einschränkung der Werbung auf Zigarettenpackungen. Es ließen sich noch viele weitere Beispiele nennen.

Klar ist, dass über solche Verfahren Konzerne einen erpresserischen Zugriff auf die Gesetzgebung haben. Denn in Furcht vor hohen Schadensersatzzahlungen werden Staaten in der Regel auf solche Gesetze verzichten.

Absenkung sozialer und ökologischer Standards und des Verbraucherschutzes

Gesetze zum Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Arbeitnehmerrechte sind in jahrelangen Auseinandersetzungen erkämpft worden und immer noch weit davon entfernt, Mensch und Natur vor schonungsloser Ausbeutung zu schützen. Doch schon diese minimalen Regelungen sind in vielen Bereichen für Wirtschaftsverbände und Konzernlobbys „Handelshemmnisse“. Sie gilt es folglich aus ihrer Sicht zu reduzieren oder abzubauen.

Im Bereich des Verbraucherschutzes stehen sich in der EU und in den USA zwei unterschiedliche Grundsätze gegenüber. Während in der EU nach dem „Vorsorgeprinzip“ Unternehmen vor der Zulassung ihrer Produkte deren Unschädlichkeit nachweisen müssen, kann in den USA die Zulassungsbehörde erst nach einem Schadensfall „nachsorgend“ eingreifen. Diesseits und jenseits des Atlantiks ist Konzernen das EU-Modell ein Dorn im Auge.

Monsanto möchte genmanipuliertes Saatgut auf den europäischen Markt werfen, die amerikanische Agrarindustrie wünscht sich die Öffnung für Hormonfleisch und Genmais, die deutsche Pharmaindustrie und die deutschen Banken streben Deregulierungen auf dem US-Markt in ihren jeweiligen Bereichen an. So machen alle großen Konzernlobbys in den TTIP-Verhandlungen Druck, um in ihrem Interesse Standards zu senken. Wie erfolgreich sie dabei sind, werden wir bestenfalls erst nach Abschluss der geheimen Verhandlungen in dem tausendseitigen, für Laien undurchsichtigem Vertragswerk erfahren, das den Parlamenten nach dem Motto „friss oder stirb!“ vorgelegt wird. Klar ist, Mensch und Umwelt bleiben bei diesem Geschacher auf der Strecke.

TTIP als „Wirtschafts-NATO“

Seit Jahren stecken die Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Weltmarktes im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) in der Sackgasse. In diesen Verhandlungen wollen besonders die westlichen Industrienationen weiterhin die Exporte ihrer Agrarindustrie subventionieren und gleichzeitig in den Entwicklungs- und Schwellenländern Zölle und andere Schutzregelungen abbauen, um einen ungehinderten Zugang zu den Dienstleistungs- und Rohstoffmärkten dieser Länder zu erhalten und sie darüber hinaus stärker für ihre industriellen Exporte zu öffnen. Dagegen haben sich im Rahmen der WTO die betroffenen Länder bisher mehr oder weniger erfolgreich gewehrt.

Mit TTIP entsteht ein globales Machtkartell mit einem Markt von 800 Millionen Menschen und fast der Hälfte des Welthandelsvolumens. Allein mit dieser Marktmacht können andere Länder erheblich unter Druck gesetzt werden, auch indem man ihnen die eigenen Regeln und Standards aufzwingt. Hilary Clinton bezeichnete TTIP bereits euphorisch als „Wirtschafts-NATO“.

Da Merkel und Gabriel als TTIP-Propagandisten inzwischen die Argumente gegen dieses Abkommen ausgehen, denn die Prognosen von hohem Wachstum und neuen Arbeitsplätzen haben sich inzwischen als Schall und Rauch erwiesen, versteifen sie sich jetzt auf die globale Marktmacht von TTIP. Natürlich meinen sie das im Sinne von „globaler Konkurrenzfähigkeit“ besonders gegenüber „Chinesen“ und anderen „Asiaten“ und – man höre und staune – „um gute TTIP-Standards“ global durchzusetzen.

Wer aber wirklich glaubt, dass amerikanische und europäische Konzerne TTIP dazu nutzen wollen, weltweit höhere soziale und ökologische Standards zu etablieren, ist schlicht naiv. Das sind Merkel und Gabriel natürlich nicht. Sie setzen nur auf Naivität bei ihrem Wählerpublikum. Doch mit überzeugenden und kraftvollen Aktionen wie am 18.4.2015 können wir diese Strategie durchkreuzen. Dabei müssen wir noch mehr werden, denn der politische Gegner ist stark und wird noch viele propagandistische Kampagnen mit den ihm genehmen Medien fahren.

Wir müssen also weiter die sog. „öffentliche Meinung“ mit Veranstaltungen, öffentlichen Aktionen, Infotischen, Webseiten und Demonstrationen davon überzeugen, dass es zu TTIP und CETA eine Alternative gibt. Sie lautet: „Ersatzlos ab in die Tonne!“

Andreas Meyer

Bündnis STOP TTIP/kiel:

www.stop-ttip-kiel.de

TTIP – EU/ USA:

- Transatlantic Trade and Investment Partnership

CETA – Kanada/EU:

- Comprehensiv Economic and Trade Agreement