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Demokratie geht nicht immer, denn das Leben ist kein Ponyhof

demkapital-meyer

01. September 2015 Aus der linken Szene und von demokratischen Fundis wird immer wieder behauptet, dass wir in keiner richtigen Demokratie leben würden. Sie machen unsere politische Ordnung als „Bürgerliche Demokratie“ als „Fassadendemokratie“ oder als „Scheindemokratie“ madig. Ganz Schlaue reden von „Postdemokratie“. Dabei vergessen diese feinen Demokraten, dass es in unserer rauen Wirklichkeit nun mal nicht immer um Ideale geht. Das Leben ist kein Ponyhof. Die Sache ist doch ganz einfach.

Zuerst kommt die Wirtschaft, denn wie heißt es so schön: „Ohne Moos nichts los!“ Und die Wirtschaft funktioniert nun einmal nicht nach demokratischen Spielregeln, sondern nach dem Prinzip der Profitmaximierung. Auf dem freien Markt möchte jeder Unternehmer, Aktionär oder Banker möglichst viel rausholen. Das geht nun mal im harten Wettbewerb auch auf Kosten anderer.

Niedrige Löhne und möglichst geringe Sozialabgaben erhöhen die Gewinne. Die Stärksten setzten sich durch. Das wissen wir schon seit Darwin. Das Leben ist ein Überlebenskampf, und da hilft auch eine Neiddebatte nicht weiter.

Wenn man nun durch demokratische Regeln oder all möglichen sozialen und ökologischen Klimbim diesen Verlauf stört, kommt der Motor ins Stocken. Schließlich haben Unternehmer, Aktionäre und Banker keinen Bock auf geringere Gewinne. Sie können auch ganz woanders investieren oder in das Finanzcasino gehen und dort mit ihrem Geld zocken. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen!

Es gab mal eine Zeit, da hat man dem freien Markt soziale Auflagen und Regulierungen abgerungen. Das wurde „Soziale Marktwirtschaft“ genannt. In den Zeiten des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg und des Aufschwungs gab es noch mehr zu verteilen und man musste auch noch mit den „Realen Sozialisten“ von „Drüben“ konkurrieren. Die sind ja nun platt und im Zuge der Globalisierung ist der Spaß eh vorbei. Schließlich stehen wir mit der ganzen Welt im Wettbewerb. Daher muss für Höchstleistungen das Konkurrenzprinzip alle Lebensbereiche durchdringen. Es muss sich von der Schule über die Uni, die Arbeitsplätze und Betriebe bis zu den Nationen erstrecken. Machen wir uns nichts vor, „Solidarität“ und „soziale Gerechtigkeit“ sind eben nur Begriffe für Gutmenschen und für die politische Lyrik an Festtagen. Für unseren Alttag sind sie absolut unbrauchbar. Unter den heutigen harten Konkurrenzbedingungen kann man sich auch demokratische Sperenzien nicht mehr leisten. Deswegen wird immer wieder von Politik und Wirtschaft zurecht betont, dass wir eine „Neue Soziale Marktwirtschaft“ mit viel freiem Markt und wenig demokratischem und sozialem Gedöns brauchen.

Genau darum geht es auch zurzeit in ganz Europa. Den Griechen mit den Spielern und linken Abenteurern Tsipras und Varoufakis an der Spitze wurde schon mal sehr eindeutig gezeigt, wo der Hammer hängt, wenn man die notwendigen Lohn- und Rentenkürzungen sowie den Verkauf des Staatseigentums verweigert. Jetzt wird Griechenland von der EU verwaltet und Tsipras ist nur noch Statthalter. Außerdem geht es den meisten Griechen richtig dreckig. Okay, demokratisch ist das nicht, aber notwendig. Denn diese Strafmaßnahmen machen auch anderen Wackelkandidaten in Südeuropa klar, was passieren kann, wenn man sich nicht mit drastischen sozialen Kürzungen um mehr Wettbewerb kümmert.

Unser Herr Schäuble schlägt daher zurecht eine europäische Aufsichtsbehörde vor, die die Haushalte der einzelnen EU-Länder überwacht und Strafmaßnahmen verhängt, wenn nicht genug gekürzt wird. Damit wären dann die nationalen Haushalte endlich unter deutscher EU-Kontrolle und Politiker könnten vor allem im Süden Europas keinen Mist mehr mit den Staatsfinanzen machen. Natürlich wäre das eine Entmachtung der nationalen Parlamente und die Macht ginge an eine zentrale EU-Behörde möglichst unter deutscher Leitung. Doch für ein wettbewerbsfähiges Europa geht das nun mal nicht anders. Wie heißt es schön: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.

Wenn die Lohnkürzungen und der Sozialabbau im Süden Europas zu einer Verbesserung der Exporte in diesen Ländern führen sollten, kann es durchaus sein, dass wir uns in Deutschland wieder mehr um unsere Wettbewerbsfähigkeit kümmern müssen. Doch was das Soziale und die Löhne anbelangt, ist bei uns ja Gott sei Dank noch genug Luft nach unten.

Wir sehen also, dass die Marktgesetze und die Globalisierung zwangsläufig zu einem Abbau von Demokratie führen müssen. Unsere kluge Kanzlerin spricht daher auch von einer „marktkonformen Demokratie“. Was sie damit meint, lässt sich auch mit der Faustformel ausdrücken: So viel freier Markt wie möglich und so viel Demokratie wie nötig.

Doch demokratische Einschränkungen sind doch nicht so schlimm, wenn man bedenkt, dass wir noch ganz andere Wahlmöglichkeiten haben. Wir können in Supermärkten, Warenhäusern und im Internet zwischen einem riesigen bunten Warenangebot wählen. Natürlich hängen die Wahlmöglichkeiten dabei auch ein bisschen vom Geld ab. Doch zum Glück haben wir ja unsere Kreditkarten. Wir können darüber hinaus zwischen zahlreichen Fernsehprogrammen wählen und in den sozialen Medien frank und frei unsere Meinung sagen. Wenn es sein muss, kann man dort auch mal so richtig anonym einen ablassen.

Es gibt also genug Möglichkeiten, zu wählen und seine Meinung zu äußern. Das ist auf diese Art auch wesentlich amüsanter, als sich mit Politik zu beschäftigen. Viele von uns haben das begriffen und gehen deshalb gar nicht mehr zu den Wahlen.

Einige meinen, man hätte durch seine Stimmabgabe eh keinen Einfluss auf wichtige politische Entscheidungen. Im Prinzip stimmt das, denn die politischen Entscheidungen sollte man lieber den Experten aus Politik und Wirtschaft überlassen. Meist sind die Themen so kompliziert, dass wir sie eh nicht verstehen.

Solange uns unsere Spielwiesen bleiben, ist doch alles okay – oder? Das haben schon die alten römischen Herrscher kapiert: „Brot und Spiele“ war ihre Devise.

Ein Idol der alten 68er-Linken, Che Guevara, hat einmal die Parole ausgegeben: „Sei realistisch, versuch das Unmögliche!“

Diesem linksradikalem Quatsch kann ich nur entgegnen:

„Sei realistisch und füge dich!“

Mensch Meyer