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Ernst-Busch-Chor feierte ungerades Jubiläum:

Immer noch aufstehen und singen

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01. Februar 2016 Wer so lange dabei ist, darf sein 40. Jubiläum auch mal ein Jahr später feiern. Denn die politischen Zeitläufe, die der Kieler Ernst Busch Chor seit 1975 mit seinen Programmen kritisch kommentierend begleitet, halten sich auch nicht an „gerade“ Jahreszahlen, kehren vielmehr periodisch wieder. Wie arbeitet ein im Nachgang der „68er“ in der Tradition der Arbeiterbewegung entstandener Chor heute? Wir haben bei einer Probe zugehört – und keinerlei „Midlife-Krise“ entdeckt. 

Viele revolutionäre Lieder, die der 1900 in Kiel geborene Namensgeber Ernst Busch mit kämpferischem Pathos sang, etwa den „Heimlichen Aufmarsch“, in dem die Klassenkämpfer zu den Waffen gerufen werden, könne man heute „so nicht mehr bringen“, weiß Barbara Münz-Wiedemann, die kurz nach der Gründung durch den Kieler Musikwissenschaftler Bernd Sponheuer vor 40 Jahren zum Chor stieß und heute eines der „dienstältesten“ Mitglieder ist. Brecht/Eislers „Lied von der belebenden Wirkung des Geldes“ ist in Zeiten des globalisierten Kapitalismus hingegen aktuell wie nie. „Was bewegt die Gesellschaft, was uns?“, fragt sich der basisdemokratisch organisierte Chor bei der Auswahl der Lieder, die sich über den Kanon der Arbeiterbewegung hinaus längst zu jiddischem und Liedgut der sozialen Bewegungen in den ehemals (und zum Teil wieder) kolonial beherrschten Weltregionen erweitert hat. Dabei gewinnt manches unversehens neue Aktualität wie das Programm „Sicher, sicher, aber ...“ vom Februar 2008, noch vor der gegenwärtigen Diskussion um Vorratsdatenspeicherung. Oder „Ein feste Burg“ über die „Festung Europa“, die ihre Mauern zur Abwehr von „Flüchtlingsströmen“ gerade wieder erhöht.

Aus einem aktiven Repertoire von etwa 50 Liedern kann der Chor schöpfen, wenn er zu Gewerkschaftsveranstaltungen eingeladen wird, regelmäßig bei den Interkulturellen Wochen singt oder vor einem Jahr bei der Demo des Bündnisses „Kiel ist weltoffen“ musikalisch Flagge gegen Fremdenhass zeigte. Regen Austausch gibt es dabei bundesweit mit ebenso sozial engagierten Chören, zum Beispiel beim „Chortreffen gegen Rechts“ 2013 in Hannover. Gegenwärtig arbeitet der ein gutes Dutzend Sängerinnen und Sänger umfassende Chor unter der Leitung von Marianne Kuder an einem Programm über „Die Mutigen“, Menschen die sich „trotz alledem“ (um den Titel eines alten Arbeiterlieds, interpretiert von Ernst Busch, zu zitieren) gegen offenes und systemimmanentes Unrecht stellten.

Am Klavier begleitet Evgeny Kosyakin den Chor – und lässt die Schornsteine der ehemaligen und neuen „Schlotbarone“ nochmal rauchen. „Alles verändert sich, wenn du es veränderst“, heißt es bei Brecht, und so probiert man, wie sich solcher ständige Wandel stimmlich fassen lässt, ohne dass „eine Pause entsteht“. Dass nämlich die Geschichte kein Ende hat, wie Hegel meinte (widerlegt von Marx), sondern ein dynamischer Prozess ist, wenn auch nicht mehr von Klassenkämpfen, belegt ein „Evergreen“: Brecht/Eislers (Inter-) Nationalhymne „Anmut sparet nicht noch Mühe“. An beidem spart der Ernst Busch Chor nicht, wenn er auch nach vier Jahrzehnten immer noch aufsteht und singt.


(Jörg Meyer)

Infos und Kontakt (neue Sängerinnen und Sänger sind stets willkommen): www.ebc-kiel.de. Proben: Freitags, 19.30 Uhr in der Pumpe.

   

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