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Lübecks Bürgermeister macht AfD-Politik:

Aus dem Wörterbuch des Unmenschen

01. Februar 2016 Am 16. Januar erinnerten das Lübecker Flüchtlingsforum und das Bündnis „Wir können sie stoppen“ an den 20. Jahrestages des Brandanschlages auf die Asylunterkunft in der Hafenstrasse. Auf Transparenten und in Redebeiträgen wurde für die aktuellen Flüchtlinge eine Willkommenskultur, die diesen Namen auch verdient, sowie ein Bleiberecht unabhängig von deren Herkunftsstaaten eingefordert. Insbesondere wandten sich die RednerInnen gegen die neuerlichen Verschärfungen des Asyl- und Ausweisungsrechts und im konkreten gegen die Absichten von Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD), die auf Massenabschiebungen hinauslaufen. 

Saxes Vorschläge bringen seinen Parteigenossen und Amtsvorgänger Michael Bouteiller (Lübecker Bürgermeister von 1988 bis 2000) in Rage. Am16.1. fragten ihn die „Lübecker Nachrichten“: „Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) will bis zu 1000 Asylbewerber abschieben, er schlägt den Flughafen als Abschiebeeinrichtung vor. Säßen Sie heute auf seinem Sessel, hätten Sie genauso gehandelt?“ Bouteillers Antwort: „Einen Teufel würde ich tun. Saxe plant eine Massenabschiebung. In dieser Frage hat er gar keine Zuständigkeit, das Landesamt ist zuständig. Es handelt sich um 1000 einzelne Schicksale, die sorgfältig überprüft werden müssen. Dieser Vorschlag schreckt Flüchtlinge ab und demotiviert die ehrenamtlichen Helfer. Ich habe dafür keinerlei Verständnis.“

Die „LN“ weiter: „Muss sich eine Kommune nicht auch vor einer Überforderung durch Zuwanderung schützen?“ Bouteiller dazu: „Es gibt keine Überforderung. Wo gibt es denn Probleme mit den Flüchtlingen in Lübeck? Ein abschiebefähiger Flüchtling – das ist aus dem Wörterbuch des Unmenschen.“ 

In einer Presseerklärung des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein heißt es dazu:

„Seit Herbst 2015 gilt der Konsens zwischen Bund und Ländern, dass Bleiberechts- und Integrationsförderung für Flüchtlinge nach dem Aschenputtel-Prinzip, einem Programm systematischer ethnisch hergeleiteter Chancenungerechtigkeiten, gestalten werden soll: Denen mit einer „guten Bleibeperspektive“ – eine vom Bundesinnenministerium dekretierte Liste weist hier ausschließlich die Herkunftsländer Syrien, Irak, Iran und Eritrea aus – werden schnelle Asylverfahren und schon vor der rechtskräftigen Anerkennung zugängliche Integrationsförderangebote gewährt. Diejenigen mit „schlechter Bleibeperspektive“ – womit nicht allein Asylsuchende und diskriminierte ethnische Minderheiten aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern, sondern auch die aus allen sonstigen unwirtlichen Weltenorten gemeint sind – haben verstärkt negative Asylentscheidungen, Verweigerung von Förderung und ggf. Aufenthaltsbeendigung zu gewärtigen.

Diese Politik hat mit dem, was noch im Mai 2015 der Kieler Flüchtlingspakt – immerhin mit Unterstützung der Kommunen, Städte und Gemeinden des Bundeslandes – als künftiges Konzept einer integrationsorientierten Flüchtlingsaufnahme versprochen hatte, rein gar nichts mehr zu tun. Irritationen in Verwaltungen und Verbänden sind also kaum überraschend. Die Diskrepanz der politischen Ansätze leistet aber denen Vorschub, die schon immer Anhänger einer restriktiven Asylpolitik waren. Damit, dass Bürgermeister Bernd Saxe sich ausgerechnet im Vormonat zum 20. Jahrestag des Brandanschlages auf die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße mit der Ankündigung 1.000 Flüchtlinge abschieben zu wollen, als Stammtischclaqueur medial inszeniert, bleibt er sich treu. Dass Bürgermeister Saxe dabei "Nacht und Nebel"-Abschiebungen eine Absage erteilt, ist angesichts der laufenden Lübecker Abschiebungspraxis hingegen unglaubwürdig. Dem Bürgermeister fehlen offenbar nicht nur Überblick über die eigene Verwaltungspraxis und humanitäres Gespür sondern auch jegliche Sachkenntnis bzgl. zuwanderungs- und integrationspolitischer Bedarfslagen. (...)

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein lehnt die Vollstreckung von Massenabschiebungen ab. Weder bedeutet Erfolglosigkeit im Asylverfahren das Ende bleiberechtlicher Perspektiven, noch sind Abschiebungsaktionen als Abschreckungsmaßnahmen gegen künftige AsylzuwanderInnen geeignet.


Refugees welcome – Bleiberecht und Integrationsförderung für ausnahmslos alle Flüchtlinge!“