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Kieler Stadthaushalt 2015:
Ergebnisse geschönt
01. Februar 2016 Im Ergebnis des ersten Nachtragshaushalts für 2015 hieß es noch, daß sich das Defizit von 58,2 Mio. auf 19,2 Mio. verbessert. Auf der Ratsversammlung im Januar 2016 wurde jetzt erst der endgültige Jahresbericht für das Jahr 2014 veröffentlicht, in dem das ursprüngliche Defizit von 94,3 Mio. auf 58.2 Mio. heruntergerechnet werden konnte. In der Pressemitteilung hieß es nun zur Weihnachtszeit, dass der Stadthaushalt für 2015 statt mit einem Minus von 53 Mio. nun sogar mit einem Plus von 17 Mio. Euro endet. Ein Beleg für diese Jubelmeldung gab es bis Redaktionsschluss nicht.
Laut einer Pressemitteilung der Stadt Kiel wird Kämmerer Röttgers zitiert: „Zwar ist das gute Ergebnis stark begünstigt durch Umstände, die sich so vermutlich nicht in die Zukunft fortschreiben lassen, insbesondere durch Gewerbesteuernachzahlungen für frühere Veranlagungszeiträume. Aber es zeigt auch, dass sich bei strenger Ausgabendisziplin, gepaart mit ein wenig Glück, Ergebnisse erzielen lassen, die bis vor kurzem niemand für möglich gehalten hätte.“ Es handelt sich also um einen einmaligen Gewerbesteuereffekt der nun zu dieser Jubelmeldung der Stadtverwaltung führt.
Kämpfer sagte: „Das tolle Ergebnis 2015 bestätigt letztlich, welchen Unwägbarkeiten der städtische Haushalt grundsätzlich unterliegt: Gerade die Gewerbesteuer als eine der wichtigsten kommunalen Einnahmequellen unterliegt starken Schwankungen. Gleichzeitig hat die große Zahl an Flüchtlingen auf der Ausgabenseite zu erheblichen Mehraufwendungen geführt, ohne dass dies von der Stadt hätte im Vorwege gesteuert werden können. Wie sich allein dieser Bereich 2016 und in den Folgejahren entwickeln wird, ist überhaupt nicht abzusehen. Beide Faktoren erschweren eine abschließend verlässliche Planung.“
Mit Mehrkosten von circa 17 Millionen Euro für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge wird gerechnet und es wird hervorgehoben, dass hierfür keine Streichungen oder Einschränkungen im sonstigen Sozialbereich vorgenommen würden. Auch für den Bereich Schulen und Kitas seien zudem erhebliche Mittel (bis zu 17,5 Millionen Euro) aus dem „Kommunalinvestitionsfördergesetz“ vorgesehen, die im Zeitraum 2016 bis 2018 verwendet werden müssen. Dem Sanierungsstau in der Stadtentwässerung soll weiterhin begegnet werden mit Investitionen von jährlich 8 Mio. im Jahre 2015 bis insgesamt 14 Mio. bis zum Jahr 2018.
Trotzdem sinkt das Eigenkapital der Stadt weiterhin rasant. „Bei gleichbleibendem Defizit reicht das Eigenkapital nur noch 2,8 Jahre um die Defizite abzudecken.“ So heißt es in dem letzten Bericht. Das städtische Eigenkapital, ermittelt im Jahre 2009 um die neue doppische Buchführung einzuführen, betrug derzeit 457 Mio. Euro. „Und ist es überhaupt Rechtens das öffentliche Eigentum aller Bürgerinnen und Bürger in den Haushalt als Vermögen mit aufzunehmen, um es dann mit den Bankkrediten gegenzurechnen? Diese städtische Buchführung bedeutet tatsächlich den Ausverkauf des öffentlichen Eigentums.“, schrieben wir in unserem Artikel zum Haushaltsbericht 2013 (Siehe LinX 01/2013). Niemand wagt es, dies zu überprüfen. Im Jahre 2015 schrumpft das Eigenkapital auf 108,5 Mio. Euro. Selbst der Kämmerer geht davon aus, dass spät. 2018 das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Bereits jetzt betragen die langfristigen Haushaltsschulden 456,6 Mio. (2014 waren es noch 437,5 Mio.). Die jährliche Finanzlücke beträgt etwa 50 Mio. Euro.
Gleichzeitig sind die Kassenkredite geradezu explodiert. Die Banken geben lieber kurzfristige Kredite, um ihre Zinsen besser anzupassen zu können und um nicht das langfristige Risiko zu tragen. Diese Entwicklung findet bundesweit in fast allen großen Städten statt und hat sich auch in Kiel mit zunehmender Eigendynamik entwickelt. 2011 gab es gerade mal 70 Mio. Kassenkredite des Haushalts. Bereits 2014 betrugen die Kassenkredite zum Jahresende 247 Mio. Euro. 2015 werden es 304,8 Mio. sein und bis 2018 rechnet die Verwaltung mit 455 Mio.
Für das Haushaltsjahr 2015 ergibt sich rechnerisch eine Gesamtverschuldung von 1.015 Mio. Euro, sofern die Kassenkrediten und die Kredite für städt. Unternehmen und Gesellschaften mit eingerechnet werden. Das entspricht einer Verschuldung von 4.204 Euro pro Einwohner. Inwieweit sich der angekündigte endgültige Nachtragshaushalt für 2015 durch Abschreibungen oder geänderte Vermögensberechnungen zu anderen Ergebnissen kommt, bleibt abzuwarten. Die hier im Bericht verwendeten Zahlen sind dem 1. Nachtragshaushaltsplan 2015 entnommen. Die Bürgschaften der Stadt Kiel betrugen 2015 allein 84 Mio. Damit sind größtenteils die Kredite von über 100 Mio. Euro der städtischen Seehafengesellschaft gemeint. Diese Gesellschaft mit einem Kapital von derzeit 166 Mio. Euro erwirtschaftet damit ein jährliches Minus von 766.000 Euro, während es für die Fähr- und Reedereigesellschaften die Infrastruktur der Hafenanlagen mit erheblichen Investionskosten zur Verfügung stellt.
Als Schlussbemerkung im Nachtragshaushalt heißt es:
„Der Haushalt 2015 mit hohen Defiziten im Ergebnisplan, nach wie vor ausschließlich kreditfinanzierten Investitionen und dem sich anbahnenden Verlust des Eigenkapital im Jahr 2017 macht deutlich, dass sich die Landeshauptstadt Kiel auch weiterhin in einer äußerst angespannten Finanzlage befindet, in der jegliche kommunalpolitische Spielräume verloren zu gehen drohen. Diese finanzielle Problemlage nehmen auch die kreditgebenden Banken in den Blick. Das Amt für Finanzwirtschaft muss zunehmend feststellen, dass Banken der Stadt vom Volumen her nur ein begrenztes Kreditkontingent, insbesondere bei den kurzfristigen Kassenkrediten, einräumen. Als Folge muss versucht werden, Kreditaufnahmen bei möglichst vielen Banken zu platzieren, auch wenn das nur zu teilweise deutlich schlechteren Konditionen möglich ist. Diese Problematik in Verbindung mit einer möglichen Zinssteigerung in der mittel- bis langfristigen Perspektive birgt ein signifikantes Risiko für den Haushalt. Gemessen am beispielsweise hohen Zinsniveau für Kassenkredite im Jahr 2008 i. H. v. rd. 5 %, würden heute die Zinsausgaben für Kassenkredite um rund 10 Mio. EUR pro Jahr höher liegen, d. h. dieser Haushaltsansatz würde um rd. 50 % steigen. Bei den nachhaltig vorhandenen Defiziten: Tendenz steigend.“
Die wegbrechenden Einnahmen und die Unberechenbarkeit bei der Gewerbesteuer werden zu einem immer größeren Problem. Die Stadt Kiel wird zwar wie ein Konzern verwaltet, aber Städte sind aufgrund ihrer Aufgaben nicht gewinnorientiert, wie andere Konzerne. Selbst die eigenen Betriebe arbeiten im wesentlichen kostendeckend. Der Öffentliche Nahverkehr muss immer bezuschusst werden. Und dies obwohl die Fahrpreise auch jetzt schon auf einem unsozialen Niveau angelangt sind. Was würden die aufständischen Studenten aus den 68ern wohl heute sagen, wenn sie hören, dass sie für einen Einzelfahrschein bei der KVG jetzt 5 DM bezahlen sollen. Nur die Stadtwerke sind mit Konzessionsabgabe und Dividende von zusammen 23,3 Mio. Euro das ertragreichste Unternehmen mit städtischer Beteiligung. Der Eigenbetrieb Beteiligungen trägt mit -1,9 Mio. auch zum Minus bei, aber es geht hierbei auch um die Kosten für Gesundheit und Daseinsvorsorge. Eine Aufgabe in städtischer Verantwortung. Eine Stadt ist eben doch kein Konzern, auch wenn einige neoliberale Politiker es gerne so haben würden.
Die Stadt Kiel hat am 21.2.2013 ein Haushaltskonsolidierungsgesetz beschlossen um dem Haushaltsdefizit und dem absehbaren Handlungsverlust entgegenzusteuern. Hoffnungen wurden auf Verbesserungen durch den Finanzausgleich der Gemeinden gesetzt, die das Problem aber nicht beseitigen. Jetzt soll ein „nachhaltiger“ Konsolidierungsprozess beginnen bei dem Verwaltung und Politik davon ausgehen, dass es nicht ohne konkrete Einschnitte gehen wird. Der Oberbürgermeister hat dazu bereits einen „Runden Tisch Haushaltskonsolidierung“ ins Leben gerufen. Bei den Personalkosten wurden in den vergangenen Jahren die Arbeitsprozesse intensivert um Personal einzusparen. Leider auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten, denn die Verwaltung hat einen sehr hohen Krankheitsstand erreicht. Schließlich musste sogar mehr Personal eingestellt werden, um den zunehmenden Aufgaben z.B. bei der Flüchtlingsaufnahme gerecht zu werden. Trotz Tarifsteigerungen hat sich die Personalaufwandsquote (Personalkosten im Verhältnis zu den Ausgaben) sogar von 26,9% auf 25,7% verringert. Da läßt sich also nur auf Kosten von Qualität und Personal sparen.
Im Gespräch ist nun die Kürzung der freiwilligen Leistungen, die vor allem Soziales, Sport, Kultur, Verbände und Vereine betrifft. Allerdings geht es dabei nur um einen Haushaltsposten von ca. 12 Mio. Euro. Der soziale Ärger und Unmut der Bevölkerung, die sich die Politik damit herbeischafft ist unberechenbar und nebenbei nützt es gar nichts um das Haushaltsloch zu stopfen. Die Stadt Kiel steht mit diesem Problem nicht allein da. Die Ursache liegt in der schlechten Finanzausstattung der Kommunen. Helfen könnten grundlegende Maßnahmen auf Bundesebene wie sie von Attac und von ver.di vorgeschlagen werden:
Gemeindefinanzen stärken: Gemeindewirtschaftssteuer einführen
Mit der heutigen Gewerbesteuer wird nur ein kleiner Teil der Unternehmenswirtschaft in den Kommunen erfasst. Einbezogen werden müssen aber alle, auch die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit inklusive der Dienstleistungsbereiche. Die Gemeindewirtschaftssteuer muss am gesamten Kapitaleinsatz ausgerichtet sein. Wer in der Kommune Infrastruktur für seinen Betrieb nutzt, wird steuerpflichtig. Die Finanzausstattung der Kommunen wird durch die Gemeindewirtschaftssteuer erheblich verbessert.
Bei Bedarf kann sie darüber hinaus noch durch die Senkung der Gewerbesteuerumlage vergrößert werden. Die Kommunen behalten das Recht, den Hebesatz für diese Steuer autonom festzusetzen. Ein gesetzlicher Mindesthebesatz soll die kommunale Konkurrenz bei der Senkung der Hebesätze beschränken.
Kommunalen Anteil am Gesamtsteueraufkommen erhöhen
Derzeit erhalten die Kommunen lediglich 12 Prozent des Gesamtsteueraufkommens. Angesichts der Bedeutung der kommunalen Aufgaben ist dieser Anteil auf 20 Prozent zu erhöhen. Der Kommunalanteil lag schon einmal bei 18 Prozent! Die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Reform der Erbschaftsteuer ermöglicht diese Reform der Kommunenfinanzierung.
Vermögenssteuer und die Neugestaltung der Erbschaftssteuer
1997 wurde die Vermögensteuer ausgesetzt. Derzeit liegt Deutschland bei der Besteuerung von Vermögen unterhalb der Hälfte des OECD-Durchschnitts. Einnahmen von 20 Milliarden Euro sind möglich und anstrebenswert. Die Vermögensteuer führt zu mehr Steuergerechtigkeit. Da die vermögenden Haushalte meist auch über hohe Einkommen verfügen, wird die Steuer nicht mit der Einkommensteuer verrechnet. Wir fordern, große Erbschaften wesentlich höher als bisher zu besteuern. Die bisherigen Freibeträge reichen aus, um eine steuerfreie Vererbung normalen selbstgenutzten Wohneigentums an Ehegatten, Kinder oder Enkel zu ermöglichen. Die Begünstigung des Betriebsvermögens lehnen wir ab. Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Erbschaftsteuer Betriebsübergänge an die folgende Generation behindert und Arbeitsplätze gekostet hätte. Möglichkeiten der Umgehung der Erbschaftsteuer durch Übertragung von Vermögen auf Stiftungen sind zu beseitigen. Insgesamt kann das Aufkommen der Erbschaftsteuer auf etwa zehn Milliarden Euro gesteigert werden.
Ausbau statt Ausverkauf kommunaler Infrastruktur
Für ihre künftige Handlungsfähigkeit brauchen die Kommunen eine eigene, lokal gestaltbare Infrastruktur mit vielfältigen kommunalen Einrichtungen. Bereits begonnene Privatisierungsvorhaben müssen gestoppt, bereits privatisierte Bereiche rekommunalisiert werden. Die noch bestehenden (und nur die privaten Unternehmen schützenden) rechtlichen Schranken für die kommunale Wirtschaftstätigkeit in den Bundesländern müssen beseitigt werden. Kommunale Unternehmen brauchen gleiche Chancen und Möglichkeiten wie private Unternehmen.
(Uwe Stahl)