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Selbst schuld!

Biedermeier

01. April 2916 Die AfD prescht zweistellig voran, und viele sind sich mal wieder einig, dass das ja bloß ordentliche, irgendwie dann doch berechtigt bedenkenträgerische BürgerInnen sind, die den hahnebüchenen und rassistischen AfD-Parolen nachlaufen. Verblendete sozusagen, die man jetzt zurückholen müsse in den Schoß der bürgerlich demokratischen Mitte.

Obwohl die Vergleiche mit der Situation in der Weimarer Republik Anfang der 30er Jahre, die jetzt zuweilen angestrengt werden, hinken, klingt das doch ähnlich dem, was später zur quasi Entschuldung gesagt wurde: Wir wurden verführt, der Hitler-Faschismus ist über uns gekommen wie eine Naturkatastrophe.

Nicht von Ungefähr wird entsprechend heute – auch von den AfD-KritikerInnen – unbedacht von „Flüchtlings-Strömen“ geredet, statt von MENSCHEN, die sich am Tag 1 nach dem Wahlerfolg der AfD an der griechisch-mazedonischen Grenze verzweifelt in reißende „Ströme“ werfen und darin z.T. sogar ertrinken, wenn dieses (von Europa und u.a. seinen Waffenexporten gemachte) „Schicksal“ sie nicht schon im Mittelmeer ereilte ...

Ich sage Nein zu solcher Deutung und gebe folgendes zu bedenken, indem ich die AfD-WählerInnen so ernst nehme, wie man es leider muss:

(a) Der Hitler-Faschismus ist einst nicht etwa „über uns gekommen“. Hitler und seine rassistischen und mörderischen Konsorten wurden gewählt, wie die Wahlergebnisse der Reichstagswahlen zwischen 1930 und 1932 mit ihren stetig wachsenden Ergebnissen für die NSDAP zeigen. Dass Hitler 1933 Reichskanzler wurde, war keine „Machtergreifung“, sondern eine in (bis 1932 noch freien) Wahlen vom „Wir sind das Volk“ legitimierte Machtübertragung. Schon dadurch, nicht erst als MitläuferInnen wurde eine zunächst wachsende Minderheit, dann Mehrheit der Deutschen mitschuldig an den folgenden Katastrophen 2. Weltkrieg und Massenmord an Juden, Sinti und Roma sowie an Homosexuellen, Menschen mit Behinderung &c.

(b) Immer wieder wird von „Enttäuschten“, „Verlierern“ und „Wutbürgern“ geredet, die den „etablierten Parteien“ mit ihren Kreuzen an der rechtsextremen Stelle auf dem Wahl- einen „Denkzettel“ erteilt hätten. Falsches Verständnis für solche, die sich dafür entscheiden, weil sie eben kein Demokratieverständnis haben. Man mag allzu berechtigte Vorbehalte gegenüber dem System Parteien-Demokratie haben, aber Wahlen sind selbst in solchem nicht dazu da, „Denkzettel“ zu verteilen, sondern die Partei zu wählen, die aus der jeweiligen Ansicht heraus (selbst der beschränkten) die je eigenen Interessen am besten vertritt, deren Programm mensch zumindest in größeren Teilen unterstützt. Dieses Prinzip der Parteiendemokratie haben die AfD-WählerInnen (und vermutlich auch viele der etablierten Parteien) nicht verstanden.

(c) Die Tendenz, dass gut 30 Prozent der Wahl-BürgerInnen sich nicht mit den Parteiprogrammen auseinandersetzen, sondern – wenn sie denn zur Wahl gehen (die Wahlbeteiligung ist zwar gestiegen, aber kann man 70 Prozent wirklich als „Rekord“ verbuchen?) – erst am Tag der Wahl „aus dem Bauch heraus“ entscheiden, wohin sie ihr Kreuz setzen, zeigt das Demokratie- und Bewusstseinsdefizit nicht nur bei den AfD-WählerInnen.

(d) Wer AfD gewählt hat, hat dies großenteils aus bloßem, indifferenten „Protest“ getan. Protest bloß wogegen? Eben nicht gegen das „Teile-und-Herrsche“ in kapitalistischen Demokratien, das nach wie vor gut funktioniert: Die „Schwachen“ gegen die noch „Schwächeren“ ausspielen und aufeinander hetzen.

(e) Die Schuld, welche die so gestaltete Parteiendemokratie, die so genannte „Protest-Parteien“ wie die AfD nicht verhindert, geschweige ihnen entschlossen entgegentritt, sondern ihnen nachläuft wie die CSU und vor allem die AfD-WählerInnen schon jetzt auf sich geladen haben, ist noch nicht zu ermessen. In jedem Fall gilt wie in den 30er Jahren: Selbst schuld!

(jm)