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Flüchtlingsrat:

Für eine schnelle Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in den Schulbetrieb

01. November 2016 Anlässlich der Kultusministerkonferenz (KMK) am 6./7. Oktober 2016 in Bremen forderten Flüchtlingsrat und Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen Schleswig-Holsteins von Bildungsministerin Britta Ernst die ausnahmslose und unverzügliche Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in den Regelschulbetrieb.In Schleswig-Holstein nahen die Herbstferien und viele geflüchtete Kinder und Jugendliche haben auch in diesem Schuljahr das Klassenzimmer einer Regelschule noch nicht betreten. Bundesweit herrscht für schulpflichtige Flüchtlingskinder, die seit Wochen, zum Teil seit vielen Monaten in Deutschland leben, in den Flüchtlingsunterkünften Lager-, statt Schulalltag. 

Die aktuelle Bestandsaufnahme der Landesflüchtlingsräte über den Bildungszugang für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Deutschland dokumentiert deren strukturelle Ausgrenzung vom Lernort Schule. Es zeigt sich, dass insbesondere Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen monatelang vom Regelschulbesuch ausgeschlossen werden. In vielen Bundesländern werden Personen aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ langfristig oder gar dauerhaft in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Sie erhalten, wenn überhaupt, innerhalb der Einrichtung einen Ersatzunterricht für wenige Stunden am Tag. Bundesweit benachteiligt werden neben schulpflichtigen Kindern auch 16 bis 27jährige Flüchtlinge, unter ihnen viele, die als unbegleitete Minderjährige eingereist sind. Sie brauchen Zugang zur Schule, um eine Ausbildung oder ein Studium beginnen zu können, und warten vergeblich darauf, den in ihren im Herkunftsland angetretenen Bildungsweg fortzusetzen. 

 

Hiergegen protestieren der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. und der Beauftragte des Landtags für Flüchtlings-, Asyl und Zuwanderungsfragen nachdrücklich, da es geflüchteten Kindern und Jugendlichen die Erfüllung ihrer Schulpflicht nach § 21 Absatz 1 des Landesschulgesetzes unmöglich macht und sie systematisch aus dem geregelten Bildungssystem ausgrenzt. „Die Praxis, geflüchtete Kinder und Jugendliche aus dem geregelten Schulbetrieb auszuschließen, verstößt darüber hinaus gegen eine ganze Serie von internationalen Verpflichtungen“, kritisiert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat. So verstoße das Vorenthalten des Regelschulbesuchs gegen Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Artikel 14 der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33).

 

Zur Lage in Schleswig-Holstein

Im Bundesland waren nach Angaben des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten in der ersten Hälfte des laufenden Jahrs 852 Kinder in den Landesunterkünften untergebracht. Der Zuwanderungsbeauftragte Stefan Schmidt kritisiert, dass in mehreren Unterkünften des Landesamtes eine „Beschulung“ schulpflichtiger Kinder außerhalb des Regelschulbetriebs und durch MitarbeiterInnen der Wohlfahrtsverbände – also keine ausgebildeten Lehrkräfte – erfolgen soll; es ist ein sogenannter „anderweitiger“ Unterricht vorgesehen. Dieses Vorgehen hält Schmidt für rechtlich fragwürdig. Nach dem Schulgesetz wird die Schulpflicht durch Begründung eines Schulverhältnisses zu einer öffentlichen Schule oder durch den einer Ersatzschule erfüllt. So genannter „anderweitiger“ Unterricht darf nur ausnahmsweise vom Bildungsministerium als Schulaufsichtsbehörde genehmigt werden. Eine Schule im Sinne des Schulrechts ist eine organisierte, auf Dauer angelegte Einrichtung, in der im Laufe der Zeit eine wechselnde Mehrzahl von SchülerInnen zur Erreichung allgemein festgelegter Erziehungs- und Bildungsziele planmäßig durch hierzu ausgebildete Lehrkräfte gemeinsam unterrichtet wird. 

 

Zurzeit kann bezüglich der Beschulung von Flüchtlingskindern und -jugendlichen in Rendsburg, Boostedt und Bad Segeberg aber weder von einer Planmäßigkeit im Sinne eines Lehrplans oder eines anderweitigen Beschulungskonzepts ausgegangen werden, noch werden in den Landesunterkünften „hierzu ausgebildete Lehrkräfte“ eingesetzt.

 

Forderungen

 

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. und der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen fordern die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta Ernst auf, sich bei der Kultusministerkonferenz für den gleichberechtigten Schulbildungszugang für alle in Schleswig-Holstein lebenden Kinder – und damit auch ausnahmslos für Flüchtlingskinder – stark zu machen. Im Einzelnen fordern Flüchtlingsrat und Landesbeauftragter:

 

•die umgehende Bereitstellung ausreichender Regelschulplätze für neu zugezogene schulpflichtige Kinder und Jugendliche,

 

•die Umsetzung der Schulpflicht und des Rechts auf diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung ab dem ersten Tag, spätestens jedoch zwei Wochen nach Ankunft im Land. Voraussetzung hierfür ist eine zügige Verteilung von Neueinreisenden auf die Kommunen und Bezirke.

 

•einen Zugang zu Bildungsangeboten für geflüchtete Kinder und Jugendliche entsprechend ihres Lern- und Bildungsstands sowie ihrer allgemeinen Voraussetzungen,

 

•flächendeckende und systematische Möglichkeiten für junge Menschen bis 27 Jahre, schulische Bildung und Abschlüsse nachzuholen, z. B. über die Erweiterung der (Berufs-)Schulpflicht,

 

•eine Öffnung der Bildungsförderung (BAföG und BAB) für alle Jugendlichen und junge erwachsene Flüchtlinge 

 

(Aus der Presseerklärung des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein vom 6.10.2016)

   

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