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Kommentar einer Studentin
Warum die Studenten nicht mehr schreien
01. April 2017 In den 60er Jahren war es unter Anderem die Studentenbewegung, die sich lautstark für Humanität und Gerechtigkeit einsetzte. Doch heutzutage ist es still geworden unter den Studenten und es finden sich nur noch wenige, die sich politisch äußern oder gar aktiv werden. So stellt sich nicht nur die Frage, ob die folgende Generation Intellektueller sich vom Weltgeschehen nicht mehr zu Kritischem anregen lässt und sie egoistisch nur ihren eigenen Interessen folgen?
Tatsächlich liegt das Problem an einer ganz anderen Stelle. Durch das neu eingeführte Credit- System, wird den Studenten heute stärker vorgeschrieben, mit was sie sich zu beschäftigen haben, und wie viel Arbeit sie dafür mindestens zu investieren haben, um die begehrten und benötigten Credits zu erhalten. Und häufig wird mehr erwartet, denn ein Credit zählt 30 Stunden, um eine gute Zensur zu bekommen, ist aber mehr Zeit nötig. Es gibt zwar große Unterschiede innerhalb der verschiedenen Studiengängen, das „den Credits Hinterherlaufen bestimmt heute dennoch den Studienalltag Vieler.
Besonders drastisch: ein Wichtiger Punkt geht dabei fast gänzlich verloren, nämlich das Selbststudium über die Vorlesungs- und Seminarinhalte hinaus. Gerade dieses selbstständige befassen mit Themen und Thesen, die den Studierenden besonders interessieren, fördert das spezifische Interesse und arbeitet so die besondere Fachexpertise des zukünftigen Akademikers heraus und bindet Ihn mit persönlichem Engagement an den Beruf. Darüber hinaus fördert es das Selbstständige Denken und regt zu kritischen Auseinandersetzungen an, eventuell auch gegen die Meinung des eigenen Professors. So entstand einstmals eine starke, weitsichtige Bildungsschicht, die die gesellschaftliche Entwicklung vorantrieb.
Ein Student im 21. Jahrhundert hat dafür gar keine Zeit. Neben den Veranstaltungen an der Uni, arbeiten fast alle Studenten, da das Geld der Eltern oder die bewilligten Leistungen des Bafög-Amtes, die noch unter Hartz IV, also unter dem Existenzminimum, liegen, in der Regel nicht ausreicht. Zwar ist der Geldmangel auf absehbare Zeit, doch die Situation ändert sich durch diese Erkenntnis nicht, man lebt schließlich im Jetzt und nicht in 3 Jahren. So kommt es, dass die Mehrheit der Studenten nicht darum herum kommt, ein oder zwei Tage pro Woche sich das Geld zu verdienen, um sich die Studienmittel und die Mensa überhaupt leisten zu können.
Wer Geld haben möchte, muss Zeit investieren und die fehlt dann fürs Studium.
Das Problem des Zeitmangels trifft dabei längst nicht nur Studenten, sondern weite Teile der Bevölkerung und wenn man dann mal doch Zeit hat, sind die Dinge des Privatlebens wichtiger geworden als die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Problemen, schließlich sind die „Freunde ja bereits besorgt, wenn man mal einen Tag nicht auf Facebook war.
Doch zurück an die Uni: Ich kann mich erinnern, in vielen Biografien bedeutender Intellektueller, gelesen und gehört zu haben, dass sie rege Kontakte zu ihren Professoren und anderen Gleichgesinnten hatten. Leider finden sich aktuell in vielen Vorlesungen mehrere hundert Studenten wieder, die Professoren haben so gar keine Chance sich individuell mit Ihren zu befassen und so findet auch kaum ein Austausch statt.
Die gesamte Lage scheint bei oberflächlicher Betrachtung nicht so schlimm, da die Politik dieses Bildungssystem immerhin bewusst so eingerichtet hat, um möglichst vielen jungen Menschen kostengünstig (für den Staat) ein Studium zu ermöglichen, was ja durchaus als ehernes Ziel betrachtet werden kann. Doch wiedereinmal fehlt der Weitblick: Was nutzten tausende Studienabsolventen, die nicht in der Lage sind, die Schwerpunkte mit denen sie sich auseinandersetzten, kritisch zu hinterfragen und damit auch weiter zu entwickeln, wo doch genau darin die Wiege des Fortschritts liegt? Aber es ist eben ein Fortschritt, der nicht nur auf ein wirtschaftliches Mehr aus ist, denn durch den Freigeist entwickelt sich meist eher ein Wunsch nach Mehr im Bezug auf Menschlichkeit.
Die Politik reagiert jedoch nicht, sie feiert sogar ihr Bildungssystem, das schon in den unteren Schulklassen mit Leistungsdruck und Effektivitäts- Denken aufwartet, um ein Heer gleichgeschalteter Menschen zu erhalten, die für freies Denken und Handeln kaum noch Spielraum haben.
Die Einzige Möglichkeit diesem Prozess entgegen zu treten, ist die eigene Persönlichkeit, materielle Aspekte, die Familie, die Freizeitgestaltung und damit auch soziale Kontakte, außen vor zu lassen, um Zeit zu gewinnen, sich für die Gemeinschaft der Menschen einzusetzen. Doch dort sind die Probleme vielfältig, und die ehrwürdigen Menschen, die sich engagieren, sind meist erst mit den sichtbaren konfrontiert (zum Beispiel das Versorgen der Ärmsten, die der Staat im Stich lässt, durch ehrenamtliche Arbeit), was Ihnen dann noch das letzte bisschen Energie raubt und oft auch die Hoffnung.
Kiel, den 09.03.2017, Miriam Grabow
Hinweis: Der Text beruht auf eigenständigen Anschauungen und Überlegungen, weshalb es keine Quellen gibt.