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100 Jahre Sozialpartnerschaft DGB/BDA:

Kein Grund zum Feiern

Sozialpartnerschaft

Foto:NGG

01. November 2018 „Sozialpartnerschaft von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in Deutschland gilt im internationalen Vergleich als Erfolgsmodell. In diesem Jahr feiert die Sozialpartnerschaft ihr 100. Jubiläum – denn vor 100 Jahren wurden das so genannte Stinnes-Legien-Abkommen geschlossen“. (DGB Einblick vom 17.10.2018.) Da die Kapitalisten Sorgen wegen revolutionärer Forderungen der Arbeiter hatten brauchten sie „einsichtige“ Gewerkschafter. Sie boten den Gewerkschaften „Sozialpartnerschaft“, um die Sozialisierungwünsche der Arbeiterschaft zu stoppen, an.

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Das Stinnes-Legien-Abkommen

Carl Legien wurde 1919 zum ersten Vorsitzenden des neu gegründeten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) gewählt. Bereits 1913 war er zum ersten Präsidenten des Internationalen Gewerkschaftsbundes gewählt worden.

Ausgehandelt wurde das Stinnes-Legien-Abkommen (auch: „Novemberabkommen“) maßgeblich von Hugo Stinnes auf Arbeitgeber- und Carl Legien auf Gewerkschaftsseite.

In Folge der Novemberrevolution von 1918 zeigten die deutschen Arbeitgeber erstmals Bereitschaft, dauerhaft und gleichberechtigt mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. Aus den folgenden Verhandlungen ging die „Satzung für die Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands“ hervor, wie das „Stinnes-Legien-Abkommen“ offiziell hieß.

In den insgesamt 13 Punkten des Abkommens

•  werden unter anderem die Gewerkschaften von den Unternehmern als „berufene Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt“.

•  wird jegliche Einschränkung der Koalitionsfreiheit ausgeschlossen (alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben also das Recht, sich Gewerkschaften anzuschließen und zu streiken).

•  wird festgelegt, dass Arbeitsbedingungen für ein Gewerbe in „Kollektivvereinbarungen“ (Tarifverträgen) festzulegen sind.

(DGB Einblick)

Es waren allerdings nicht alle Gewerkschaften mit diesem Abkommen einverstanden.

Als Gegenleistung erkannten die Gewerkschaften, die während des Ersten Weltkriegs zur größten Massenorganisation in Deutschland herangewachsen waren, die freie Unternehmerwirtschaft an. Der von der politischen Linken wie dem Spartakusbund geforderten Vergesellschaftung der Produktionsmittel wurde damit eine Absage erteilt.

„In der Folge stieg die Zahl der Tarifverträge rasant an. Ende 1918 profitierten 1,1 Millionen Beschäftigte von solchen tariflichen Vereinbarungen; vier Jahre später waren es bereits vierzehn Millionen. Das Recht von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, Arbeitsbedingungen wie Lohn und Arbeitszeit eigenständig und ohne staatliche Einmischung auszuhandeln und zu regeln, ist heute in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetztes verankert. Darin ist nicht nur die Tarifautonomie geschützt, zu den verfassungsrechtlich geschützten Mitteln gehören auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen zielen.“  (Prof. Dr. Wolfgang Schroeder)

Kapitulation vor den Rendite- und Profitinteressen der Unternehmer, der Aktionäre und Investoren.

Über das Stinnes-Legienabkommen konnte man auf der Webseite des DGB lesen, es sei „ein entscheidender Beitrag zur Zähmung des Kapitalismus und zur Demokratie in der Wirtschaft“ gewesen. Hat die die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung den Schuss nicht gehört? Wollen sie der SPD in die Bedeutungslosigkeit folgen? Wissen die nicht wie die „Sozialpartnerschaft“ heute aussieht?

Wer hat uns verraten ?

Zerfall der Tarifverträge, die Mitgliedschaft in den Arbeitgeberverbänden ist in den letzten Jahren stark geschrumpft, damit wurde die Basis der Tarifautonomie stark gefährdet. Mittlerweise arbeiten weniger als 50 Prozent unserer Kolleg*innen in tarifgebundenen Betrieben. Unbezahlte Überstunden, Arbeit auf Abruf, Leiharbeit, sinkende Löhne und Renten, unbezahlbare Wohnungen, Wohnungsnot, 'Lehrermangel, Pflegepersonalmangel sowie das menschenverachtende Hartz IV Gesetz.

Arm trotz Arbeit - in keinem der EU-Länder ist die Zahl der „arbeitenden Armen“ so stark gestiegen wie in Deutschland. Selbst in den Klinken sind Patienten, eigentlich kranke Menschen, nur noch Kunden, es zählen nur noch die Renditeerwartungen der Aktionäre und Investoren. Auch das Streikrecht würden die Unternehmer („Sozialpartner“) am liebsten weiter einschränken.

Statistisches Bundesamt: Die Zahl der berufstätigen 65- bis 69jährigen nähert sich der 20-Prozent-Marke. Diese ganzen sozialen Schweinereien, die SPD hat immer mitgemacht, manchmal sogar treibende Kraft, und die Gewerkschaften haben zu oft geschwiegen. Das ist die wahre „Soziale Marktwirtschaft“ trotz oder besser auch wegen der Sozialpartnerschaft.

Brauchen wir Gewerkschaften die durch weitgehend moderate Löhne das kapitalistische System am Laufen halten? Die bürgerliche Demokratie“ ist nicht nur in Deutschland zur Zeit stark gefährdet. Statt Sozialpartnerschaft sollten alle Gewerkschaften zum Bollwerk für Grund- und Menschenrechte werden, sie sollten sich verstärkt gegen Aufrüstung und für Frieden gegen Antisemitismus, Rassismus und Faschismus einsetzen. Alle Gewerkschaften sollten sich verstärkt für die Umwelt, ohne Kohle und Braunkohle, durch sozialverträgliche Maßnahmen einsetzen. Während der Tarifverhandlungen sollten sie zukünftig nur einseitig und konsequent die Interessen der Arbeitnehmer*innen vertreten, damit der Mitgliederschwund nicht weiter zunimmt.

Am 28.06.1972 schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Schiller (SPD) hatte die Idee der konzertierten Aktion (Staat & Unternehmer & Gewerkschaften). „In einer Klassengesellschaft sind Institutionen wie Schillers „konzertierte Aktion“, in der gesellschaftliche Gruppen (Gemeint sind Gewerkschaften und Unternehmer) zusammenarbeiten sollen und sich zu verteilungspolitischen Kompromissen verstehen müssen, im Grunde kaum akzeptabel.“

Die Klassengesellschaft mit ihrem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit besteht weiter und daran haben weder die „Sozialpartnerschaft“ noch sämtliche Mitbestimmungsarten (die immer nur kleine Verbesserungen brachten) etwas geändert.

(hg)

   

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