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Kiels neues Kraftwerk:

Auch Erdgas heizt das Treibhaus

Nun hat Kiel also ein Gaskraftwerk, ein Kraftwerk, das zunächst und auf absehbare Zeit mit Erdgas betrieben wird. Die örtlichen Honoratioren klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, weil das Kohlekraftwerk stillgelegt wurde. Zwar wollten sie es eigentlich durch ein neues, viel größeres Kohlekraftwerk ersetzen, wovon sie erst heftiger Bürger-Protest abbringen musste. Aber davon reden sie nicht so gerne, schließlich wollen sie die Kieler nicht ermutigen, ihnen noch mal in den Arm zu fallen.
Nun also Erdgas. Und damit ist die Klimakrise abgewendet? Mitnichten. Erdgas ist zwar besser als Kohle, denn bei seiner Verbrennung wird deutlich weniger Kohlendioxid freigesetzt, aber eben nur weniger, nicht null. Auch das neue Kraftwerk wird eine Quelle von Treibhausgasen sein.

Der Klimanotstand

Wie passt das aber mit dem Beschluss des Klimanotstands zusammen, den die Ratsversammlung letztes Jahr gefasst hat? Klimawissenschaftler wie Stefan Rahmstorf von Potsdam Institut für Klimafolgenforschung – der übrigens in Kiel promoviert hat – mahnen seit Jahren unermüdlich, dass wesentlich mehr geschehen muss.
Wenn Deutschland seinen auch nur halbwegs gerechten Anteil zur Erfüllung der Pariser Klimaziele beitragen will, müssen die Emissionen bis 2035 auf Null runter sein, so Rahmstorf. Das Ziel lautet, die globale Erwärmung auf „deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“ und nach Möglichkeit auf 1,5 Grad Celsius. 1,1 Grad Celsius ist bereits erreicht.

Werden die Emissionen nicht in den nächsten Jahren drastisch reduziert, dann könnten 1,5 Grad globale Erwärmung bereits in den 30er Jahren erreicht sein. Die Folgen wären u.a. das Absterben sämtlicher Korallenriffe in den tropischen und subtropischen Gewässern, zunehmende Dürren, deutlich gewalttätigere Stürme und eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass an den Polen einige der großen Eismassen unwiederbringlich destabilisiert werden.

CO2-Emissionen

Erdgas kann also besten Falls eine Übergangslösung sein, denn bei der Verstromung von Erdgas fallen in einem modernen Kraftwerk immer noch 410 bis 430 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde elektrischer Energie an. In einem Braunkohlekraftwerk sind es hingegen in den besten 980 und in vielen älteren Anlagen, wie sie in Deutschland immer noch laufen, bis zu 1280 Gramm pro Kilowattstunde. Die Steinkohlekraftwerke liegen mit 790 bis 1080 Gramm pro Kilowattstunde dazwischen.

Die Angaben stammen aus der Süddeutschen Zeitung und berücksichtigen auch die Emissionen aus dem Energieaufwand für Gewinnung und Transport der Brennstoffe sowie dem Bau der Kraftwerke. Sie setzen unter anderen voraus, dass konventionelles Erdgas eingesetzt wird, wie in Deutschland bisher üblich. Mit den geplanten Flüssiggasterminals an der Nordseeküste, eines davon in Brunsbüttel, könnte jedoch künftig auch Fracking-Gas aus den USA ins deutsche Gasnetz eingespeist werden. Dazu unten mehr.

Die Emissionsbilanz des Kieler Kraftwerks verbessert sich zudem in dem Maße, wie es gleichzeitig Fernwärme liefert, also Emissionen überflüssig macht, die andernfalls durch Heizungen in den Häusern entstehen würden. Wie stark dieser positive Effekt zu Buche schlägt, hängt aber stark von der Nutzung des Kraftwerks in der Praxis ab:

Wird es tatsächlich nur in dem Maße betrieben, wie es Bedarf an seiner Abwärme gibt? Oder wird es eher so betrieben, dass möglichst viel Strom produziert und am Markt verkauft wird? Letzteres wäre aus Sicht der Energieeffizienz und damit der Emissionsminderung nur sinnvoll, wenn die gerade nicht benötigte Wärme für späteren Bedarf gespeichert werden könnte.

Erdgas und Alternativen

Noch besser wäre es allerdings, wenn ganz auf Erdgas verzichtet würde, denn auch dieser Brennstoff ist alles andere als unproblematisch. Zum einen enthält Erdgas im Rohzustand allerlei giftige Bestandteile, die ausgewaschen werden müssen. Dazu gehören neben CO2, Quecksilber, Schwefel, Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff.

Gereinigtes Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan und kann einen kleineren Teil Wasserstoff enthalten. Methan ist auch der wichtigste Teil des Biogas, weshalb gereinigtes Biogas – auch aus diesem muss u.a. Schwefel entfernt werden – problemlos ins Erdgasnetz eingespeist werden kann.

Das Problem beim Biogas ist natürlich, dass es viele Flächen braucht, die dann für die Erzeugung von Nahrungsmitteln fehlen. Daher ist eine weitere Ausweitung eigentlich kaum sinnvoll. Besser ist es, Biogas aus Abfallstoffen zu gewinnen, was sicherlich vermehrt geschehen könnte.

Die bisher üblichen Maiswüsten, mit denen die Biogasanlagen gefüttert werden, müssen nicht unbedingt sein. Das Gas könnte, mit leicht verminderter Ausbeute zum Beispiel aus speziellen Blumenwiesen mit viel Lupinen und anderen mehrjährigen Pflanzen gewonnen werden. Dafür wäre gezielte Förderpolitik und ein bisschen mehr Forschung nötig.

Außerdem kann Wasserstoff elektrolytisch mit Strom erzeugt und dem Erdgas beigemischt werden. Letzteres ist eine Option, die zur Speicherung eines Überangebots von Wind-Strom diskutiert und zum Teil auch in einigen Pilotprojekten bereits praktiziert wird. Zum Beispiel seit 2016 in Hamburg oder ab diesem Jahr in Haurup bei Flensburg.

Methan-Emissionen

Beim Bio- wie beim Erdgas muss man besonders aufpassen, dass es nicht in die Atmosphäre entweicht. Zum einen natürlich, weil das Verschwendung wäre und Brandgefahren verursachen kann. Zum anderen aber, weil Methan ein sehr potentes Treibhausgas ist.

Ein einzelnes Methanmolekül ist wesentlich effektiver als ein CO2-Molekül, wenn es um das Einfangen von Wärmestrahlung also um die Erwärmung unseres Klimas geht. Aber es ist nicht so langlebig. Von dem durch Entwaldung und aus fossilen Brennstoffen emittierten CO2 wird knapp die Hälfte von Pflanzen und Ozeanen aufgenommen, aber die andere Hälfte verbleibt mehrere Jahrtausende in der Atmosphäre. Methan wird hingegen innerhalb weniger Jahrzehnte durch chemische Prozesse abgebaut. Es wirkt also nur kurzfristig, sofern nicht ständig neues Methan nachgeliefert wird.

Daher wird gewöhnlich der Zeithorizont mit eingerechnet, wenn man Methan und CO2 vergleicht. Betrachtet man die ersten 20 Jahre nach der Emission so ist ein Methanmolekül rund 86mal so wirksam wie ein CO2-Molekül, schaut man sich 100 Jahre an, so ist die Wirksamkeit noch 28 bis 34mal so hoch.

Auf jeden Fall also gute Gründe, Methan-Emissionen zu vermeiden und mit Erdgas sehr sorgsam umzugehen. Denn der Methangehalt der Atmosphäre steigt genauso wie der von CO2 an und liegt inzwischen deutlich über dem Niveau zu Beginn der Industrialisierung. In den 1990er hatte es schon etwas voreilige Entwarnung gegeben, weil diverse Quellen wie etwa alte Mülldeponien in der EU, ausgeschaltet werden konnten. Die Konzentration stieg nicht mehr weiter an.

Doch zu früh gefreut. Seit etwa 2007 geht es wieder aufwärts. Dafür hat es vermutlich mehrere Gründe, die noch nicht restlos identifiziert sind. Kandidaten sind unter anderem der auftauende Boden in der Arktis sowie Emissionen aus Seen und vom Meeresboden im hohen Norden. Eventuell setzt dort bereits ein selbst verstärkender Effekt der Klimakrise ein.

Aber vor allem wird das zusätzliche Methan auch dem Fracking zugeordnet. Die im vergangenen Jahrzehnt stark expandierte US-Frackinggas-Produktion wird allein für ein Drittel des Anstiegs verantwortlich gemacht. Die USA produzieren inzwischen so viel, dass sie das Gas verflüssigen und mit Tanlern auch exportieren. Hinzu kommt Fracking in anderen Ländern, das nicht selten von US-Firmen betrieben wird, z.B. im Süden Argentiniens. Oder demnächst auch in China. Washington hat Beijing (Peking) gerade ein Abkommen abgerungen, dass den US-Fracking-Firmen dort für einige Jahre freien Zugang gibt.

Erdgas ersetzen

Fazit: Das Kieler Erdgaskraftwerk ist für den Anfang ganz schön – ein Anfang der allerdings schon vor 20 oder 25 Jahren hätte gemacht werden müssen –, aber es sollte vor allem für die Fernwärmeerzeugung genutzt werden. Außerdem darf das Erdgas auf keinen Fall aus Fracking stammen, und es müsste möglichst schnell ergänzt und schließlich ersetzt werden. Diskussionswürdig wären u.a. eine Biogasanlage zur Abfallverwertung direkt neben das Kraftwerk zu setzen. Ebenso wäre eine Elektrolyse für die Wasserstoffproduktion aus Windstrom denkbar. In beiden Fällen könnte eventuell anfallende Abwärme für die Fernwärme genutzt werden.

(wop)

„Blauer“ Wasserstoff

Es gibt eine gewisse Verwechselungsgefahr oder auch ein Etikettenschwindel beim Wasserstoff. Das eine wäre sogenanntes Windgas, das heißt, per Elektrolyse mit überschüssigem Windstrom erzeugter Wasserstoff, der zum Speichern ins Gasnetz eingespeist wird.

Daneben gibt es eine sogenannte Wasserstoffinitiative von Industrie und Bundesregierung bei der es vor allem um den großen Wasserstoffbedarf der chemischen Industrie und nebenbei die nicht besonders sinnvollen Pläne der deutschen Automobilindustrie geht, in der einige meinen, mit einem Wassertstoffantrieb einen Sonderweg gehen zu können.

Bisher deckt die chemische Industrie ihren Wasserstoffbedarf mit Erdgas. Ein Methanmolekül besteht nämlich aus vier Kohlenstoff- und einem Wasserstoffmolekül. Chemisch lässt sich das aufbrechen, wobei aus zwei Methan-Molekülen ein Wasserstoffmolekül (H2) und acht CO2-Moleküle entstehen. Mit anderen Worten: Der Prozess ist CO2-intensiv und kann je nach Erdgaspreis auch teuer sein.

Deshalb soll künftig mehr Wasserstoff per Elektrolyse erzeugt werden. Werden diese Pläne unter den gegebenen heutigen Rahmenbedingungen umgesetzt, werden sie vermutlich dazu führen, die Auslastung der Braunkohlekraftwerke zu verbessern, das heißt mehr Treibhausgase zu produzieren.

Oder anders ausgedrückt: Den Erdgashunger der chemischen Industrie mit Wasserstoff zu befriedigen würde nur Sinn machen, wenn die erneuerbaren Energieträger schneller ausgebaut würden. Im Augenblick geschieht jedoch das Gegenteil: Der Ausbau der Windenergie ist von der Bundesregierung drastisch ausgebremst worden und hat bereits zum Verlust von über 30.000 Arbeitsplätzen geführt. Mancher davon auch in Schleswig-Holstein, wo Senvion im letzten Jahr in Konkurs ging. Nur der kleinere Teil der Mitarbeiter wurde von Siemens Gamesa übernommen. (wop)

   

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