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8. Mai in Kiel:

Erinnern an den 75. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus

Der 8. Mai 2020, der 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, wurde in Kiel trotz aller corona-mäßigen Einschränkungen auch öffentlich begangen. Dazu hatte der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus sich zu dreierlei verabredet:
Um 16 Uhr fand eine Kranzniederlegung auf dem Gelände des bis 1945 von den Nazis betriebenen Zwangsarbeitslagers in Russee, dem von den Faschisten sogenannten „Arbeitserziehungslager Nordmark“, statt. Um 17 Uhr folgte eine Kundgebung auf dem Asmus-Bremer-Platz. Nach Beendigung der Kundgebung machten sich Zweiertrupps auf, um „Stolpersteine“, die an Opfer des Hitlerfaschismus erinnern, zu säubern.

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Das Zwangsarbeitslager „AEL Nordmark“

Das Lager zwischen Rendsburger Landstraße und Speckenbeker Weg bestand bei Kriegsende aus 17 Baracken, in denen 1400 männliche, 400 weibliche Häftlinge und 250 Angehörige des Wachpersonals, das sich zum großen Teil aus Kieler Fremdarbeitern zusammensetzte, untergebracht waren. Außerdem gab es den „Bunker“, ein großes, fensterloses Gebäude mit 48 Einzelzellen, in denen Häftlinge unter kaum zu ertragenden Bedingungen eingesperrt waren.
Das „Arbeitserziehungslager Nordmark“ war keine „geheime Reichssache“, von der nur wenige wussten. Viele Kieler sahen die Elendszüge der entkräfteten Häftlinge, wenn sie auf klappernden Holzschuhen in Richtung Werft oder Schlachthof marschierten. Zurück kamen sie oft mit einem oder mehreren Toten, die auf einem Lattengerüst, notdürftig zugedeckt, zurück ins Lager getragen wurden.
Als im Zweiten Weltkrieg die Alliierten im Frühjahr 1945 immer weiter auf deutschem Gebiet vordrangen, begann im „Arbeitserziehungslager“ (AEL) „Nordmark“ in Hassee die systematische Erschießung von Gefangenen. Das Register des Friedhofs Eichhof vermerkt für die Zeit vom 16. bis 26. April 119 Bestattungen von Opfern des AEL Nordmark, darunter über 60 Exekutierte. Viele von ihnen waren Mitglieder der Widerstandsgruppe „Scoor“. 1964 machte ein ehemaliger Wachmann des Lagers vor der Kieler Staatsanwaltschaft folgende Aussage:
„Eines Tages wurden über 60 Mitglieder der Widerstandsgruppen im Bunker zusammengefasst. ... Die Opfer wurden in kleinen Gruppen zu fünf oder sechs Häftlingen vom Bunker zum Leichenhaus ... geführt. ... Im Leichenhaus mussten sie sich restlos ausziehen. Ich hatte eine Liste, auf der sämtliche Namen der zu Erschießenden verzeichnet waren. Die Opfer wurden dann aus dem Leichenhaus nackt herausgeführt. ... Dann wurden die Opfer gezwungen, sich hinter dem Leichenhaus mit dem Kopf (Gesicht) nach unten auf die Erde zu legen. ...Wenn der betreffende Häftling auf der Erde lag, wurde er ... mit der Maschinenpistole hinterrücks erschossen. Das Opfer blieb dann liegen und wurde nicht etwa beseitigt. Es wurde dann der nächste Häftling herausgeführt und gezwungen, sich neben die soeben erschossenen Personen zu legen. Dann wurde auch dieser Häftling getötet. ... So ging es insgesamt 60 Mal. Zum Schluss lagen die Häftlinge in zwei Reihen nebeneinander.“ (Detlef Korte: „Erziehung“ ins Massengrab. Die Geschichte des „Arbeitserziehungslagers Nordmark“ Kiel Russee 1944-45, Veröffentlichung des Beirates für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein 10, Kiel,1991)
Die Arbeitserziehungslager sollten der Besserung „arbeitsunlustiger Elemente“ dienen. Genannte Gründe für die Einlieferung waren daher „Arbeitsbummelei“, „Arbeitsuntreue“, „Verstoß gegen die Arbeitsverträge“ und „Sabotage“.
Auch politisch Verdächtige waren im AEL. Hier ging es vor allem um die kommunistische Widerstandsgruppe „Scoor“. Bernhard Scoor, in Gaarden geboren, war im Maschinenamt der Stadt Kiel beschäftigt. Er knüpfte zu „Ostarbeitern“, vor allem zu sowjetischen Zwangsarbeitern, in verschiedenen Lagern Verbindungen. Geplant waren Anschläge beim Zurückweichen der deutschen Truppen. Scoor und weitere 150-200 Personen wurden im Oktober 1944 verhaftet, ins AEL Nordmark eingeliefert und kamen dort großteils im April 1945 um.

Die Haft war normaler Weise auf 56 Tage beschränkt. Während dieser Zeit war härteste Arbeit vorgesehen. Erwies sich der Häftling nach acht Wochen nicht als „erzogen“, erfolgte in der Regel die Einweisung in ein Konzentrationslager.
Die Inhaftierten wurden u. a. zum Bunkerbau und zur Trümmerräumung in der Stadt eingesetzt, wo sie unter Lebensgefahr Blindgänger beseitigen mussten. Manche Häftlinge wurden durch die Gestapo an Kieler Privatfirmen vermietet, z. B. arbeiteten sie bei der Holsten-Brauerei, in der Baufirma Ohle & Lovisa, der Nordland Fisch-Fabrik und im Rüstungsbetrieb Land- und See-Leichtbau GmbH.

Am 4. Mai 1945 befreiten britische Truppen das Lager. Sie fanden einige hundert Häftling im erbärmlichen Zustand vor und entdeckten die Massengräber. Die nackten oder halb nackten Leichen waren planlos übereinander gehäuft. Im Juni 1947 fand die britische Militärbehörde weitere 52 Skelette. Unweit dieser Stelle wurde bei Bauarbeiten 1962 ein weiteres Massengrab entdeckt.

Soweit die sterblichen Überreste der Lagerhäftlinge nicht in ihre Heimatländer oder auf andere Friedhöfe überführt wurden, wurden sie auf dem Friedhof Eichhof auf dem „Kriegs- und Bombenopferfeld der Landeshauptstadt Kiel“ in einem Sammelgrab zur letzten Ruhe gebettet.

Der Lagerkommandant Post und sein Stellvertreter Baumann wurden vom britischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Hauptbeschuldigte für die Morde, der Kieler Gestapochef Fritz Schmidt, konnte erst 1963 verhaftet werden, da er untergetaucht war. Sein Verfahren wurde mangels Beweises eingestellt. (gst)

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