Daten/Fakten  

   

Beiträge

Kommentar

Die verratene Jugend

Nach mehr als eineinhalb Jahren Pandemie hat die Stadt es nun geschafft, ein paar Luftfilter für die Kieler Schulen und Kitas anzuschaffen. Zehn Stück. Leider gebe es nur eine beschränkte Förderung. Eigene Mittel einzusetzen, sieht sich die Landeshauptstadt offensichtlich nicht in der Lage. Dennoch war sie so stolz auf ihre „frühzeitige“ Entscheidung „zehn Luftfilter anzuschaffen, die voraussichtlich den Förderbedingungen entsprechen würden“, dass sie Mitte August zu deren Einweihung zu einem Pressetermin in eine Kita einlud.
Mit derlei wird die städtische Presseabteilung beschäftigt, und sich gleichzeitig über die hohen Infektionszahlen bei den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vornehm ausgeschwiegen. Im August lag Kiel hier zeitweise bundesweit auf Platz eins. Bei Redaktionsschluss betrug bei den Fünf- bis 14jährigen die Inzidens 237 und bei den 15- bis 34jährigen 113, während es in der Gesamtbevölkerung 77 waren. Anderswo das gleiche. Überall in Schleswig-Holstein gibt es bei den Kindern und Jugendlichen, die keinen oder kaum Impfschutz haben, deutlich höhere Infektionsraten als bei den Erwachsenen. Trotzdem werden die Schulen wieder im Normalbetrieb gefahren, ohne für die notwendigen Vorkehrungen zu sorgen.
Der Eindruck drängt sich auf, dass den Verantwortlichen das Schicksal der Kinder und Jugendlichen egal ist. Für die Lufthansa werden, kaum ist die Pandemie ausgebrochen, neun Milliarden Euro locker gemacht, für die Automobilindustrie gibt es trotz satter Dividenden Kaufprämien, aber für Luftfilter gibt es auch im August 2021, als sich längst die nächst Infektionswelle in den Zahlen ankündigt, kein Geld.
Gleichzeitig verkünden die Kanzlerkandidaten von Union und SPD, dass sie die besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke möglichst bis 2038 weiterbetreiben wollen, ihnen somit der Klimaschutz und die Zukunft der heutigen Kinder und Jugendlichen vollkommen egal ist. So egal, wie der Landesregierung, die unbedingt mit Steuergeldern ein Flüssiggasterminal bauen will, um Frackinggas zu importieren.
Und wenn die Jugendlichen diese ganze Verarschung und den ganzen Corona-Stress einmal vergessen und im Schrevenpark oder auf der Reventlouwiese ein bisschen feiern wollen, dann schickt ihnen die Stadt Polizei und Security auf den Hals, die erst zuschlagen und dann fragen. Weil die lieben Bürger sich gestört fühlen und vielleicht auch um den Lack ihrer Stadtpanzer fürchten. Schöne neue Welt. (wop)