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Pandemie:

Corona und die Spaltung der Gesellschaft

Nach einem kurzen entspannten Sommer werden wieder düstere Zeiten einer vierten Corona-Welle mit hohen Inzidenzwerten im Herbst und Winter vorhergesagt. Inzwischen haben sich in Deutschland über 60 Prozent der Bevölkerung zweimal gegen COVID-19 impfen lassen. Die Impfquote liegt bei Risikogruppen zwischen 80 und 90 Prozent.

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Besonders dieser hohe Anteil hat dazu geführt, dass sich die Anzahl der Menschen, die laut RKI an bzw. mit Corona starben, von 437 im September 2020 (34. KW) auf 38 am 2. September 2021 deutlich verringert hat. Mit 1.244 Toten erreichte sie am 14. Januar dieses Jahres ihren Höhepunkt.
Auch in den Intensivstationen der Krankenhäuser kommt es derzeit zu keinerlei Überlastungen durch Corona-Erkrankungen. Laut RKI betrug die Hospitalisierungsrate (Behandelte pro 100.000) im Dezember 2020 (52. KW) 12,6 und Anfang September 2021 1,6 (34. KW). In Schleswig-Holstein schwankte die Hospitalisierung von Mitte August bis Mitte September zwischen 60 bis 67 Erkrankten. Im gleichen Zeitraum lagen die täglichen Todesfälle zwischen 0 und 5.
Trotz saisonaler Effekte ist aufgrund der bestehenden Impfquote nicht mehr von einer Rückkehr zu den Hospitalisierungsraten des Vorjahres auszugehen. Selbst in der letzten 3. Welle waren ohne die heutigen Impfquoten die Intensivstationen in einigen Hotspots zwar belastet, aber insgesamt ergab sich in Deutschland keine Überlastung des Gesundheitssystems durch Covid-19-Infektionen. Regionale Verteilungen zwischen hoch und weit weniger belasteten Krankenhäusern waren gut möglich. Dabei ist die Manipulation mancher Kliniken, um an die Fördermittel des Bundes zu kommen, nicht einmal berücksichtigt. Für diese Mittel war eine Auslastung der Intensivstation von 70 Prozent Voraussetzung.

Vor Redaktionsschluss (17.9.2021) sanken die Inzidenzwerte bundesweit seit Tagen und in Kiel innerhalb einer Woche von 82,7 auf 60. So ist zurzeit eine 4. Welle zwar möglich, aber aufgrund der bestehenden Werte noch nicht absehbar.

Trotz dieser Entwicklung und neuer Erkenntnisse zur Übertragung des Virus scheinen führende Politiker im Bund und in den Ländern, gestützt durch das Robert-Koch Institut, weiterhin die Fata Morgana einer Herdenimmunität zu verfolgen. Doch diese Herdenimmunität wird es durch Impfungen nicht geben. Zum Einen wird das Corona-Virus, wie von vielen Virologen und Infektiologen vorhergesagt, weiter mutieren, und zum Anderen belegen neue wissenschaftliche Studien, dass auch Geimpfte andere Menschen anstecken können, möglicherweise im selben Maß wie Ungeimpfte.

Somit scheint die Impfung weitgehend ein Selbstschutz und weniger ein Fremdschutz zu sein. Damit verliert das Argument, man solle sich aus Solidarität impfen lassen, um andere zu schützen, heute an Überzeugungskraft, zumal inzwischen genug Impfstoff für Menschen vorhanden ist, die sich durch eine Impfung schützen wollen. Die, die das nicht wollen, tragen besonders in der Risikogruppe ein erhöhtes, aber auch selbstbestimmtes Erkrankungsrisiko.

Dennoch wurde im Bundestag auf den letzten Metern der Legislaturperiode mit der Mehrheit der großen Koalition für weitere drei Monate die „Verlängerung der pandemischen Lage“ auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Mit dieser Selbstentmachtung des Parlaments auf Zeit wird ohne absehbare Überlastung des Gesundheitssystems den Regierungen in Bund und in den Ländern weiterhin die Möglichkeit eröffnet, durch Maßnahmenkataloge tief in die Grundrechte einzugreifen. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung kassiert.

Hinsichtlich des Risikos, an Corona zu erkranken, ist auch die Impfkampagne, die Kinder zwischen 12-17 Jahren an die Impfnadel bringen soll, höchst fragwürdig. Es ist inzwischen hinlänglich erwiesen, dass Kinder das Virus zwar übertragen können, aber höchst selten daran erkranken.

So stellt dann auch Prof. Jan Rupp, leitender Infektionsbiologe am UKSH Lübeck in den KN vom 24.8.2021 fest: „Wir sind uns relativ einig, dass man Infektionen im Alter von Kindern und Jugendlichen laufen lassen kann.“ Sein Kollege Prof. Rosenstiel, Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie am UKSH, ergänzt in der selben Ausgabe: „Wir dürfen Kinder für eine schleppende Impfkampagne nicht in Haft nehmen.“

Anstelle dieser für Kinder weitgehend sinnfreien Impfkampagne sollten die dafür verwandten Impfstoffe besser kostenfrei in unterversorgte Länder des globalen Südens geschickt werden. Das gilt auch für die Impfstoffe, die für eine inzwischen diskutierte dritte Impfung, eine sog. Booster-Impfung, benötigt werden.

75 Prozent der weltweit produzierten Impfstoffe gehen an nur 10 Länder, und die Pharmakonzerne sitzen aus Profitgier auf ihren Patenten obwohl ihre Forschungen mit einem hohen staatlichen Aufwand unterstützt wurden. Sie verbieten darüber hinaus in den Lieferverträgen mit den Vertragsstaaten die Weitergabe der Impfstoffe ins Ausland.

Politischer Druck und gesellschaftliche Ausgrenzung

Besonders vor dem Hintergrund der hier beschriebenen Gesamtentwicklung ist schwer zu verstehen, welchen sozialen Druck Regierungen und Medien auf Menschen ausüben, die sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht impfen lassen wollen. Bedenkt man, dass Pfizer/Biontech in den Verträgen mit der EU die Haftung für mögliche bisher unbekannte langfristige „unerwünschte Wirkungen“ des Impfstoffes ausschließt, und dass diese Verträge noch dazu einer Geheimhaltung von 10 Jahren unterliegen, so ist nachvollziehbar, dass Mensch nach ihrer Risikoabwägung zu dem Schluss kommen, sich nicht impfen lassen zu wollen. Obwohl ich selbst zweimal geimpft bin, halte ich eine solche Entscheidung nicht für irrational, und man sollte sie respektieren.

Pro Forma nehmen auch staatliche Institutionen und führende Politiker solche Position ein, um in der Öffentlichkeit ihre demokratische Haltung zu betonen. Faktisch verhalten sie sich jedoch völlig entgegengesetzt dazu, indem ein immenser Druck auf Menschen aufgebaut wird, um die Impfungen mit allen Mitteln durchzusetzen. Dazu gehört vor allem eine Impfpflicht durch die Hintertür. So kann man nur noch an Veranstaltungen und Dienstleistungen in Räumen teilnehmen, wenn die 3G (geimpft, genesen, getestet) eingehalten werden. Die Tests müssen ab Oktober selbst bezahlt werden.

Bis dahin zahlten die Krankenkassen pro Schnelltest 11,50 € und für PCR Tests 43,56 €. Werden die Preise ab Oktober dem Markt überlassen, erhöhen sie sich mit Sicherheit. So wird allein der Kino- oder ein Schwimmbadbesuch mit der Familie zu einer teuren bis unbezahlbaren Angelegenheit. Durch diese Regelung werden viele ungeimpfte Menschen aus weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens rein finanziell ausgegrenzt.

Diese Entwicklung wird noch dadurch verschärft, dass es privaten Anbietern (z.B. Kinos, Restaurants, Frisören) möglich ist, 3G auf 2G zu verkürzen und dann nur noch Genesene und Geimpfte einzulassen. Die Variante wird sich mit Sicherheit schon aus rein geschäftlichen Interessen durchsetzen, weil dadurch, wie bereits in Hamburg wieder erlaubt, eine volle Raumnutzung ermöglicht wird. Andere Bundesländer werden mit Sicherheit nach den Bundestagswahlen folgen. Die 2G Regelung ist nicht nur diskriminierend, sondern auch noch paradox, da von Geimpften, die das Virus übertragen können, eine höhere Ansteckungsgefahr ausgeht als von negativ Getesteten.
Doch damit nicht genug. Einige Bundesländer gehen inzwischen dazu über, für „Ungeimpfte“ bei einer Corona-Erkrankung die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auszusetzen und über den Impfstatus eine Auskunftspflicht in den Betrieben zu fordern.

Neben der sehr weitgehenden Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben müssen „Ungeimpfte“ oft mit pauschalen gesellschaftlichen Ächtungen beispielsweise als „Schmarotzer, die von den Impfungen anderer profitieren“, oder als „Sozial-Darwinisten“ zurechtkommen. Natürlich gibt es im Lager der Querdenker manche skurrilen Positionen und rechte bis rechtsradikale Strömungen. Doch das Lager der Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, geht weit darüber hinaus und ist vorwiegend durch die Skepsis oder Ablehnung gegenüber den Impfstoffen bestimmt. Der „harte Kern“ wird vermutlich letztlich bei 30-35 Prozent der Bevölkerung liegen. Das ist immerhin ein Prozentsatz, über den sich bei der Bundestagswahl jede der großen Parteien sehr gefreut hätte.

In der Geschichte der Bundesrepublik wurde noch nie eine gesellschaftliche Gruppe in diesem Umfang politisch und materiell so unter Druck gesetzt, um eine gewünschtes Verhalten zu erreichen, wie das zur Zeit mit den Menschen geschieht, die sich nicht impfen lassen wollen.

Diese Entwicklung führt nicht nur zu einer gesellschaftlichen Spaltung, sie ist auch unter demokratischen Aspekten höchst bedenklich. Dabei sind hier die Folgen der Lockdown-Politik mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen nicht einmal berücksichtigt. Dass dieser Prozess von demokratischen und auch linken Kräften in ihrer Fixierung auf die „Querdenker“ so widerspruchslos hingenommen und manchmal sogar unterstützt wird, ist fatal.

Darüber hinaus wurde und wird von einer Bevölkerungsmehrheit unkritisch akzeptiert, wie beliebig manche Corona-Maßnahmen und Grenzwerte der Bundes- und Landesregierungen waren und sind. Hier hat sich eine Art Staatsgläubigkeit entwickelt, die erstaunlich ist. Das geht los bei der Einschränkung der Grundrechte ohne ausreichende parlamentarische Beteiligung bis z. T. willkürlichen Maßnahmenkatalogen von Ministerpräsidenten-Konferenzen.

So ließ man uns beispielsweise in Schleswig Holstein bei dem hier üblichem Wind und bei Grenzwerten, die ausgewürfelt erschienen, mit Masken durch Fußgängerpassagen und selbst über Strandpromenaden laufen, obwohl längst durch die Aerosol-Forschung belegt war, dass in Außenbereichen im Unterschied zu Innenräumen die Ansteckungsgefahr gegen Null geht. Es wurden nächtliche Ausgangssperren angeordnet, deren Wirksamkeit nicht untersucht wurde.

Trotz der Befunde aus der Aeorosol-Forschung wurde die Maskenpflicht in Verbindung mit der Anzahl der Teilnehmer*innen zu einem entscheidenden Maßstab für die Zulassung bzw. Auflösung von Demonstrationen. Nun kann man sagen, mit den „Querdenker*innen“ trifft es „die Richtigen“. Man kann solche Begründungen aber auch für eine recht willkürliche und medizinisch nicht ausreichend belegte Einschränkung des Demonstrationsrechts halten, mit der bei Bedarf auch andere politische Demonstrationen verboten werden können.

Dass aus Sicht der jeweiligen Polizeiführung Abstandregeln nicht eingehalten werden oder eine genehmigte Anzahl von Teilnehmer*innen überschritten wird, kann auf einer sehr beliebigen oder auch politisch gewollten Einschätzung beruhen. Allein schon die Prognosen möglicher Regelverletzungen führen zu Demonstrationsverboten. Solche Verfahrensmöglichkeiten stießen in der Auseinandersetzung um das neue Landespolizeigesetz besonders innerhalb der Linken zu Recht auf starke Proteste.

Zu allem Überfluss werden die Corona-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen häufig in einem paternalistischen Stil kommuniziert, der in der Regel auf starke Dramatisierungen und die Betonung von Ängsten setzt. Man scheint dabei auf die althergebrachte Methode der schwarzen Pädagogik zu setzen nach dem Motto: „Entweder du gehorchst und lässt dich impfen, oder du wirst in die Ecke gestellt und darfst nicht mehr mitmachen.“

Eine demokratische Kultur sieht anders aus.

Andreas Meyer

   

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