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Das Desaster der Durchseuchung:

Solidarität in den Zeiten der Pandemie

Warum die Idee der kontrollierten Durchseuchung falsch ist und wir stattdessen eine Niedrig-Inzidenz-Strategie brauchen, um die Pandemie zu beenden. Ein Plädoyer für eine linke Antwort auf das Versagen der Regierenden.

Die Pandemie wütet und bricht traurige Rekorde. 2021 hat sich die Anzahl der Infizierten weltweit auf mehr als 310 Millionen gut verdreifacht. Gut 5,5 Millionen sind an Covid-19 gestorben. Viele weitere Millionen Menschen durch Long-Covid verletzt. Warum? Weil fast alle Regierungen weltweit das Virus ein ums andere Mal unterschätzen und sich gegen eine Niedrig-Inzidenz-Strategie (ZeroCovid) entschieden. Nach jeder Welle versprachen sie, dass es die letzte sei und täuschten sich. Ihre Strategie (Flatten-The Curve) musste scheitern, weil sich die Virusverbreitung aufgrund der Tendenz zur exponentiellen Zunahme der Ansteckungen nicht so einfach kontrollieren lässt und durch die massenhafte Zirkulation in der Weltpopulation immer wieder neue Mutationen entstehen können, welche die einmal gewonnene Immunität unterlaufen.

Die Dynamik der Pandemie hat sich dabei weiter beschleunigt. 65 Prozent aller Toten gab es alleine im letzten Jahr und das, obwohl seitdem Impfstoffe zur Verfügung stehen. Doch weder die vielen Long-Covid-Verletzten, noch die vielen Toten sind im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Regierenden setzen bei der Pandemie darauf, dass wir uns an diese „Kollateralschäden“ gewöhnen.

Obwohl die Gefahren, die von Corona ausgehen, wissenschaftlich sehr gut dokumentiert sind, brechen die Forderungen nicht ab, alle Maßnahmen gegen Corona einzustellen. Weil in der Wirtschaft weiter Profite für die Wenigen geschaffen werden sollen, werden riskante Entscheidungen getroffen. Die Regierenden bedrohen mit ihrer „Mit-dem-Virus-Leben“-Linie die Gesundheit von Millionen – es trifft vor allem die Ungeimpften, aber eben auch zunehmend Genesene und Geimpfte.

Ausbaden müssen diese falsche Strategie auch die Beschäftigten in den Krankenhäusern, die unmenschliches leisten – im dritten Jahr der Pandemie. In fast allen Ländern, in denen die Regierungen hohe Ansteckungszahlen erlauben, weil sie auf eine kontrollierte Durchseuchung setzen, sorgt die Omikron-Variante für einen weiteren Anstieg der

Patient:innen in den Krankenhäusern. Im Vergleich zu den früheren Wellen muss zwar – dank der Impfungen – ein wesentlich geringerer Anteil der Infizierten ins Krankenhaus. Dennoch steigt die Zahl der Klinikaufnahmen rasant an – das Gesundheitssystem droht angesichts der Masse an Erkrankten zu kollabieren. Das Einmaleins der Epidemiologie ist Schnelligkeit. Dazu gehört: testen, nachverfolgen, schützen und schließlich impfen. An diesen simplen Grundvoraussetzungen scheitern jedoch viele Regierungen. Die Strategie der kontrollierten Durchseuchung stellt nun auch die kritische Infrastruktur vor enorme Probleme. Dieser Kurs ist eine Sackgasse. Das wäre mit einer Niedrig-Inzidenz-Strategie nicht passiert.

Worüber kaum gesprochen wird, sind die Millionen Long-Covid-Verletzten. Studien zeigen jedoch: Bis zu 80 Prozent der mit Covid-19 Erkrankten leiden unter Langzeitsymptomen. Das Gerede von milden und moderaten Verläufen ignoriert die Tatsache, dass auch Patient:innen mit asymptomatischen Krankheitsverlauf stark verletzt werden können. Die Aussicht, dass das Virus „endemisch“ werde, bedeutet unter diesen Bedingungen nichts Gutes.

Das gilt insbesondere für Kinder. In Deutschland sind erst 10 Prozent der Kinder unter 12 Jahren geimpft, ähnlich die Lage in anderen Ländern. Trotzdem sollen Schulen und Kitas mit aller Konsequenz offen gehalten werden. Das ist falsch und gefährlich. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft knüpft zu Recht die Frage des Schulbetriebs an ausreichenden Infektionsschutz für Schüler:innen und Lehrkräfte. In allen Wellen waren die Schulen ein Ort massiver Ausbreitung der Infektionen. Dies wiederholt sich jetzt. Eltern, Schüler:innen sowie Lehrkräfte müssen ihre Interessen nach Bildungsgerechtigkeit und gesundheitlichem Schutz gemeinsam durchsetzen: Schule braucht eine Niedrig-Inzidenz-Strategie.

Die Regierenden behaupten, eine Niedrig-Inzidenz-Strategie sei unrealistisch. Diese sei zu teuer, müsse international koordinierte Maßnahmen beinhalten und würde gegen den Freiheitsbegriff im „Westen“ stehen. Wir meinen: Natürlich kostet eine nachhaltige Pandemiebekämpfung Geld. Aber die Gesellschaften in Europa haben enormen Reichtum angehäuft, den sich allerdings einige wenige Vermögende angeeignet haben. Mit diesem Reichtum sind eine umfassende Arbeitspause aller (Lockdown) und alle solidarischen Maßnahmen problemlos finanzierbar. Für uns ist klar: Die Pandemie kann ohne autoritären Polizeistaat erfolgreich bekämpft werden. Demokratie und Gemeinsinn sind dabei sogar entscheidend; eine internationale Kooperation ist kein Hexenwerk. All dies erfordert jedoch einen Politikwechsel, der die gesundheitlichen Interessen der Weltbevölkerung vor die Profitinteressen der Konzerne stellt. Doch anstatt einen Kurswechsel Richtung nachhaltige Bekämpfung der Pandemie einzuschlagen, wächst mit der Strategie der kontrollierten Durchseuchung die Gefahr neuer Mutationen und damit weiterer Infektionswellen.

Die Linke kann dieses Verbrechen der Regierenden vorerst nicht verhindern. Aber sie könnte es so laut wie möglich als das anprangern, was es ist: ein Massenmord an Geimpften und nicht Geimpften. Die Linke kann zugleich umfassenden Schutz vor Covid-19 auf Kosten der Wirtschaft fordern, wie auch die sofortige Aufhebung der Impfpatente. Eine linke Stimme ist auch deswegen so wichtig, weil wegen der widersprüchlichen Regierungspolitik die Coronaleugner:innen vermehrt Zulauf bekommen und in ihrer Mitte die Nazis aufbauen. Ebenso wie das Virus, ist diese Entwicklung brandgefährlich. Höchste Zeit gemeinsam aufzustehen.

(Yaak Pabst, aus der Mitte Januar erschienen Aktionszeitung Zero Covid der gleichnamigen internationalen Initiative)