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Räumung in Lützerath:
Das war erst der Anfang
Es ist wirklich schwer verdaulich, was da Anfang Januar im Rheinischen Braunkohlerevier zwischen Aachen und Köln geschah. Nicht nur das Ausmaß der Polizeigewalt gegen größtenteils gewaltfreie und ungeschützte Demonstrantinnen und Demonstranten. Nicht nur die Zerstörungswut der Beamten oder die Nonchalance mit der nach Berichten der Betroffenen das Leben von Menschen in den Baumhäusern und auf Pfahlkonstruktionen gefährdet wurde. Sondern das all das geschieht, um wertvollen Acker mit Deutschlands bestem Boden zu zerstören und den dreckigsten aller fossilen Energieträger aus der Erde zu buddeln. Und das rund 34 Jahre nachdem erstmalig ein Bericht einer Bundestags-Enquete-Kommission umfangreich die Ursachen und Gefahren des Klimawandels aufgezeigt hatte und nicht ganz 31 Jahre nach Unterzeichnung der Klimaschutzrahmenkonvention auf dem großen Erdgipfel in Rio de Janeiro.
Doch NRWs Innenminister Herbert Reul (CDU), der im Hitzesommer 2018 schon den illegalen Polizeieinsatz im nahegelegenen Hambacher Forst zu verantworten hatte, bei dem seinerzeit ein Video-Journalist starb, wirft den prominenten Aktivistinnen Luisa Neubauer und Greta Thunberg vor, sich nicht von den „Radikalen“ abzugrenzen. Wobei „radikal“ für Reul jeder zu sein scheint, der eine Polizeiabsperrung umgeht, um direkt in Lützerath oder an der Tagebaukante gegen die Räumung zu protestieren. Dem kann man nur mit UN-Generalsekretär António Guterres entgegen halten: „Die gefährlichen Radikalen sind in Wirklichkeit jene Länder, die die Produktion fossiler Brennstoffe steigern.“
Dem Vernehmen nach hat RWE die Räumung hinter vorgehaltener Hand nicht zuletzt politisch begründet. Die Protestierer dürften nicht ermutigt werden, sonst sei womöglich auch andernorts mit Blockaden zu rechnen. An diesem Punkt hat man sich ganz offensichtlich erheblich verrechnet. An den Tagen nach der Räumung wurden im Rheinischen Revier mehrere der der riesigen Braunkohlebagger besetzt. Auch eine Werkbahn, die das im gleichen Revier stehende Braunkohlekraftwerk Neurath versorgt, wurde mit einer Sitzblockade gestört. Außerdem machten Demonstrantinnen und Demonstranten die Zufahrt zum Tagebaus Garzweiler II dicht. An den darauffolgenden Wochenenden gab es weitere Demonstrationen am Tagebau und in der Nachbarschaft Lützeraths. Solidaritätsaktionen gab es auch andernorts, zum Beispiel in Berlin, wo Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Scientist Rebellion sich vor den Eingang der nordrhein-westfälischen Landesvertretung setzen und Kohlestücke verteilten.
Alles sieht danach aus, als ob die Räumung nicht der Endpunkt sondern ein neuer Höhepunkt der Klimaschutzbewegung gewesen ist, und das wäre auch bitter nötig. Der Klimawandel macht nämlich keine Pause. Allein im vergangenen Hitzesommer sind in West- und Südeuropa über 100.000 Menschen gestorben. Und das ist erst der Anfang. Der Kampf um Klimagerechtigkeit ist dringender denn je. (wop)