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Stadthaushalt Kiel 2022:

Unterfinanzierung der Kommunen führt zu Milliarden-Verschuldung

Was wir befürchtet hatten, ist leider eingetroffen: Der Kieler Stadthaushalt verschuldet sich immer stärker und gerät unter die Beobachtung der Kommunalaufsicht des Landes. Die Kommunalaufsicht will gerne einen ausgeglichenen Haushalt, was aber in einem kommunalen Haushalt unmöglich ist, denn es wurde 2009 zwar die Konzernbuchführung eingeführt, aber eine Stadt ist kein gewinnorientierter Konzern, sondern hängt an der Finanzierung von Bund und Land und ist laut Gesetz für die örtliche Daseinvorsorge zuständig. Wenn die Landesregierung max. 10 Mio. Euro für neue Kredite zulässt um die sog. „Schuldenbremse“ einhalten, würde das die notwendige Handlungsfähigkeit der Stadt verhindern und ein soziales Chaos hervorrufen. Glücklicherweise folgt die Stadtverwaltung dem nicht.

Die Gesamtverschuldung der Stadt Kiel hat die Milliarden-Grenze überschritten, stieg in 2022 auf 1482,8 Mio. Euro und wird voraussichtlich bis 2025 sogar auf 1.835 Mio. wachsen.
Gleichzeitig wird das Eigenkapital der Stadt, also das 2009 ermittelte Vermögen aller Bürgerinnen und Bürger von 456 Mio. auf ca. 80 Mio. zusammenschmelzen, was bedeutet, dass es für die Banken keine Sicherheiten mehr gibt, mit der sie die Kreditvergabe gegenrechnen können. Die Stadt ist dann insolvent und die Landesregierung muss die Bürgschaft übernehmen.
Bis 2026 rechnet die Stadt mit notwendigerweise langfristigen Krediten von 855 Mio. Euro. Eine zunehmende Abhängigkeit von den Banken, die dann bei steigenden Zinsen sehr teuer werden kann. Verwunderlich ist das nicht, denn die Städte und Gemeinden sind seit Jahren unterfinanziert, müssen aber gleichzeitig immer mehr Aufgaben übernehmen. Dafür stellen Land und Bund dann Kostenerstattungen und Finanzausgleich zur Verfügung, was ca. 40% der Einnahmen in Kiel ausmacht, aber es stellt sich heraus, dass damit die zusätzlichen Ausgaben nicht gedeckt werden können.
Wenn man sich die Verteilung der Erträge bzw. Einnahmen der Stadt anschaut, stellt man fest, dass der Anteil der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer, also die steuerliche Haupteinnahmequelle nur bei 13% der Haushaltseinnahmen liegt, was viel zu wenig ist, um damit einen Haushalt zu decken und die notwendigen Investitionen zu tätigen, die für die Daseinsvorsorge notwendig sind.
Also hoffen viele Städte und Gemeinden auf höhere Gewerbesteuererträge (die zzt. auch ca. 13% der Einnahmen ausmachen). Das erweist sich aber meistens als Irrtum, denn die Stadt muss dafür die Gewerbeflächen bereitstellen und die nötige Infrastruktur, wie Kanalisation und Versorgung schaffen. Dies geht leider auch oft auf Kosten der Umwelt, denn weitere Flächenversiegelung findet statt und wenn es doch keinen Gewerbebedarf gibt, bleiben Brachflächen (wie z.B. Boelckestraße-Nord). Währenddessen verwahrlosen alte Industrieflächen ehemaliger Großkonzerne. Hinzu kommt noch das Problem, dass nur fünf Betriebe fast das gesamte Gewerbesteueraufkommen einbringen. Genau genommen ist es nur ein Betrieb, der den größten Teil bringt. Die Stadt ist also sehr davon abhängig, dass dieser Betrieb auch in Kiel bleibt bzw. hier seine Steuern zahlt. Aufgrund das Datenschutzes ist es nicht möglich den Betrieb zu ermitteln. Vermutlich aber handelt es sich in Kiel um die Rüstungsbetriebe, und hier wohl vor allem um ThyssenKrupp, Rheinmetall und German Naval. Die HSH-Nordbank als ehemals größter Gewerbesteuerzahler wurde ja nach der Finanzkrise abgewickelt.

Im Kieler Haushaltbericht 2022 heißt es zur Finanzlage:
„Die Landeshauptstadt Kiel legt unter diesen Umständen erneut einen Haushalt vor, der unter die Genehmigungspflicht durch die Kommunalaufsicht fällt. In Anbetracht der weiterhin besonderen Situation hat die Landeshauptstadt Kiel die Erwartung, dass die Genehmigungspraxis entsprechend der Maßstäbe in 2021 erfolgt. Diese sollte sich vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen auch in einem erweiterten investiven Kreditrahmen widerspiegeln. Insbesondere die Auswirkungen einer nach wie vor unzureichenden strukturellen Finanzausstattung der Kommunen im Ergebnishaushalt kann nicht zu niedrigeren investiven Kreditvolumina und damit einem weiteren Aufwuchs des Investitions- und Sanierungsstaus führen. Neben einem angemessenen Investitionsniveau bleibt – ungeachtet der besonderen Corona-Situation und Entwicklung – die zwingende Notwendigkeit und damit auch die nachdrückliche Forderung einer auskömmlichen strukturellen Finanzierung der Kommunen bestehen. Nur wenn Kommunen und damit die Landeshauptstadt Kiel in die Lage versetzt werden, ausgeglichene Haushalte zu erwirtschaften und aufgelaufene Defizite abzubauen, können investive Maßnahmen verstärkt durch Eigenmittel anstatt Kreditmittel finanziert werden. Die zentralen Kriterien und Forderungen bleiben auch in diesem Haushalt die Frage nach einer auskömmlichen Kommunalfinanzierung und nach einer Haushaltsgenehmigung mit Augenmaß.“ (S. 58 Bericht/Perspektiven Haushaltsplan/Vorbericht zum Haushalt 2022 der Landeshauptstadt Kiel)

Wie sich die Probleme konkret darstellen beschreibt der Stadtrat und Kämmerers Christian Zierau in seiner Rede zum Haushaltentwurf 2023 „Kommunales Handeln in neuen Zeiten“:

„Investitionen sind grundlegende Voraussetzung für das Gelingen von Transformation und gesellschaftlichem Wandel und im Angesicht eines millionenschweren Sanierungsstaus in allen städtischen Aufgabefeldern dringend geboten.“
„Sagen wir es in aller Deutlichkeit: Kommunen haben in der Pandemie in einem sehr hohen Maße kompensiert. Kommunen in Deutschland müssen bereits seit langem kompensieren, weil es hier vor Ort bei den Menschen ankommt. Auch jetzt sind wir gefragt, die Erwartungen sind hoch, Herausforderungen riesig, Inhalte komplex und es geht so rasant ab, wie selten zuvor. Einige Beispiele:
• Das Wohngeld-Plus-Gesetz vervierfacht mit kurzem Vorlauf bereits zum 1. Januar 2023 die Anzahl der anspruchsberechtigten Haushalte in der Landeshauptstadt. Wir benötigen Personal und geeignete Räumlichkeiten. Verantwortungsübernahme von Bund und Land - im Sinne von „Konnexität“: wer bestellt, bezahlt! - bisher Fehlanzeige!
• Die Anzahl der Menschen, die eine Einbürgerung begehren, ist hoch und wird durch aussichtsreiche Gesetzes-Initiativen im Bund in 2023 sehr wahrscheinlich noch höher. Verantwortungsübernahme von Bund und Land: bisher Fehlanzeige! Vielmehr hat die Landesregierung ihre Einbürgerungskampagne Ende 2021 sang- und klanglos auslaufen lassen (was die bis dahin 2,5 refinanzierten Stellen für die Landeshauptstadt Kiel wegfallen ließ).
• Wir schauen in diesen Tagen auch wieder auf unsere Krankenhäuser. In Schleswig-Holstein haben das Diako Krankenhaus Flensburg und die ImlandKlinik im Nachbarkreis Rendsburg-Eckernförde Insolvenz beantragt. Die Not ist groß, das zeigen auch die Zahlen unseres Städtischen Krankenhauses. Ich bin froh, dass wir hier gemeinsam (Selbstverwaltung und Verwaltung) seit langem bereits Verantwortung auch ausgedrückt in Euro wahrnehmen, wo andere nur reden. Verantwortungsübernahme von Bund und Land: bisher Fehlanzeige!

In praktisch allen Politikfeldern ist die Ausweitung von Leistungen Programm: ob Kita, Verkehrswende (9-Euro-Ticket), auch im Rettungsdienst (Überlasten), Katastrophen- und Bevölkerungsschutz (Warn-Sirenen) oder klassische Verwaltungsdienstleistungen (Führerschein-Pflicht- Umtausch). Alles fordert Ressourcen und muss oft in wenigen Wochen bewegt werden. Und: wir sind agil und agieren, reagieren in diesen Zeiten so schnell wie noch nie. Wir haben alles hier vor Ort auf dem Schirm, wir Kommunen kompensieren: bei Wohngeld, Einbürgerung, Krankenhaus, und bei viel kleinen wie großen Anliegen. Aber wir sind hier – zugegebenermaßen - auch am Anschlag, was wir leisten können.“


Es bleibt eine grundlegende Forderung an den Bund für eine zukunftssichere Einnahmequelle der Städte und Gemeinden zu sorgen. Momentan bekommen sie einen Anteil von 12,8 % an der Einkommensteuer und 2,2% von der Umsatzsteuer. Das ist völlig unzureichend.

Die Gewerkschaft ver.di und attac fordern schon seit längerem eine Anhebung auf 20%, als Einnahmeanteil für die Städte und Gemeinde. Auch eine Finanztransaktionssteuer zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger, die allein den Städten und Gemeinden zu Gute kommt, wäre denkbar. Hier wäre auch in Zukunft viel machbar, statt das Geld auf dem Finanzmarkt den Spekulationen zu überlassen. Nur dann sind auch die notwendigen Investitionen in die Zukunft machbar.

Und hier gibt es viel zu tun in Kiel: Mehr Geld für die Schulen und Kitas, für den sozialen Wohnungsbau, für eine menschen- und umweltfreundliche Entwicklung der neu geplanten Stadtteile, dabei ausreichender sozialer Wohnungsbau und kommunale Wohnungen mit bezahlbaren Mieten. Die Rekommunalisierung der Stadtwerke mit eigener regenerativer Energieerzeugung, gepflegten Wasser-, Strom und Gasnetzen in kommunaler Hand. Klimaanpassungsmaßnahmen und Entwicklung der Mobilität hin zum kostenfreien Öffentlichen Nahverkehr mit dem Bau der Stadtbahn ohne ÖPP.

Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer aus Kiel, der auch Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages ist, sollte bestärkt werden, sich dort für eine zukunftssichere Finanzausstattung der Städte einzusetzen.

Eine Enthaltung der Partei DIE LINKE zum Haushaltsentwurf 2023 ist daher aus dieser Sicht unverständlich. Es braucht stattdessen mehr Druck auf die Bundesregierung. Wir brauchen eine Entschuldung der Städte und Gemeinden.
300 Mrd. für eine gerechte Finanzausstattung der Städte und Kommunen, statt 100 Mrd. mehr für militärische Aufrüstung. (uws)