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Solidarische Landwirtschaft in Kiel und Umgebung:
Solawi Schinkeler Höfe gründet Verein
Um was es wirklich geht, wurde bereits 2015 auf einer Veranstaltung mit Wolfgang Stränz vom Buschberghof vor der Gründung der Solidarischen Landwirtschaft im Raum Kiel gefragt:
- Wie ist es möglich, angesichts des globalen Super-Marktes naturbelassene, frische Nahrungsmittel zu bekommen ohne sie selbst anbauen zu müssen?
- Wie kann eine bäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft erhalten bleiben, die unsere Ökosysteme und unsere Kulturlandschaft erhält und den Lebewesen respektvoll begegnet?
- Wo können Kinder und Erwachsene erleben, woher Ihr Essen stammt und gleichzeitig mit den Tieren, Pflanzen und der Erde in Kontakt kommen?
Eine bäuerliche Landwirtschaft könnte all diese Bedürfnisse eigentlich erfüllen, doch genau diese Betriebe sind im Verschwinden begriffen. Unter den derzeitigen Bedingungen haben Bauern und Bäuerinnen oft nur die Wahl, entweder die Natur oder sich selbst auszubeuten. Ihre Existenz hängt ab von Subventionen, Markt- bzw. Weltmarktpreisen und Witterungsbedingungen – alles Faktoren auf die sie keinen Einfluss haben. Der Preisdruck in der Landwirtschaft zwingt sie vielfach über ihre persönliche Belastungsgrenzen zu gehen, Böden und Tiere auszubeuten, oder ganz aus der Landwirtschaft auszusteigen. Auch der Ökologische Landbau ist von diesem Mechanismus nicht ausgenommen.
Die Frage ist also, wie kann eine nachhaltig betriebene Landwirtschaft aussehen, die gleichzeitig die Existenz der Menschen, die dort arbeiten, sicherstellt?
Eine Antwort darauf ist eine gemeinschaftlich getragene Landwirtschaft bzw. eine Landwirtschaft, die eine Gemeinschaft von Menschen ernährt – die Solidarische Landwirtschaft.
Solawi gegründet
Vier Bioland-Betriebe aus der Region Schinkel und anfänglich 51 private Haushalte, im Umland von Kiel bis Eckernförde, haben sich 2015 zu dem Verbund „Solidarische Landwirtschaft Schinkeler Höfe“ (Solawi) zusammengeschlossen. Ziel war es, die Betriebe, die Böden und die Landschaft zukunftsfähig zu erhalten und eine große Vielfalt regionaler Lebensmittel unter hohen ökologischen Standards zu erzeugen.
Die Initiative zur Gründung des Verbunds solidarische Landwirtschaft erfolgte von Verbraucherseite. Die beteiligten Betriebe, die die Solawi-Initiative für sich gewinnen konnte, kooperieren bereits seit Mitte der 1980er Jahre in der Ökoregion Schinkel.
Dazu gehören der Milchhof Rzehak (Milchprodukte, Vollmilch, Joghurt, Quark. Käse und Fleisch), der Wurzelhof (Gemüse, Kräuter), der Hof Mevs (Getreide, Kartoffeln, früher auch Ziegenmilch) und die Bäckerei KornKraft (Getreideprodukte, Brot, Kuchen). Seit 2021 ist der Ziegenhof auf dem Hof Mevs (Ziegenkäse, -fleisch) hinzugekommen, was auch durch finanzielle Unterstützung aus der Solawi ermöglicht wurde.
Im Januar 2020 wurde die Solawi sogar beim Bundeswettbewerb ökologischer Landbau mit dem Preis für das besondere „Vermarktungskonzept“ ausgezeichnet. Dabei ist das besondere an dem Konzept, dass es gerade gegen den Markt gerichtet ist. Die Solawi umgeht den freien Markt für Lebensmittel und auch die im Biobereich schwankenden Dumpingpreise. Während der Corona-Krise konnte sich die Solawi bereits auf erfahrene Strukturen stützen.
Mittlerweile ist die Solawi Schinkeler Höfe ein großes Projekt geworden. Ca. 500 Menschen teilen sich 200 Ernteanteile. Es gibt 21 Depots in Kiel, Kronshagen, Eckernförde, Gettorf, Altenholz und Schinkel. Dabei ist interessant, dass ein sehr großer und zunehmender Teil aus jüngeren Menschen und Familien stammt.
Die Solawistas unterstützen die fünf Betriebe in Schinkel verbindlich ein Jahr lang mit monatlichen Zahlungen und bekommen dafür die anteilige Ernte. Über einen Lieferbrief werden alle Mitglieder wöchentlich informiert, welche und wie viel Lebensmittel an die Depots ausgeliefert werden und es wird genau und einheitlich festgelegt, wieviel pro Anteil zusteht. Dazu gibt es noch regelmäßig Informationen aus den Höfen und Betrieben, so dass alle Solawistas auch in die Problematik der landwirtschaftlichen Produktion einbezogen werden. Die Solawistas organisieren die Depots selbst und es brauchte einiges an Geduld und Erfahrung die Verteilung vor Ort in den gemeinschaftlichen Griff zu kriegen.
Die Höfe können je nach Bedarf und den eigenen Möglichkeiten von den Solawistas direkt auf dem Acker unterstützt werden. Auch darüber erfolgt die Verbundenheit mit der Landwirtschaft, sowie eine Entlastung der Betriebe.
Alle Entscheidungen, wie z. B. auch die Festlegung der finanziellen Anteile der Betriebe, werden auf einem basisdemokratisches Treffen (die „Schinkelrunde“) von allen Aktiven, den VertreterInnen der Depots und der beteiligten Betriebe gemeinsam getroffen. Es dient gleichzeitig der Entscheidungsvorbereitung und -findung in der Solawi.
Es gibt Arbeitsgruppen zu einzelnen Aufgaben und auch regelmäßige Informationsveranstaltungen werden organisiert. Auf dem nebenstehenden Organigramm kann man erkennen, wie die Solawi funktioniert.
Eine besondere Herausforderung ist die Verwaltung und Logistik bzw. Lieferung. Dies erfordert erhebliche Anstrengungen und extremen persönlichen ehrenamtlichen Einsatz einzelner Solawistas, was bei zunehmender Mitgliederzahl nicht ganz schmerzlos vonstatten ging und ständigen Nachwuchs von aktiven Solawistas braucht. Zudem verursacht die Lieferung und die Verwaltung auch Kosten, die zusätzlich zum Ernteanteil erhoben werden müssen.
Aufgrund der allgemeinen Kostensteigerungen insbesondere auch für die Höfe wurden im kommenden 8. Wirtschaftsjahr ab dem 1. April 2023 für den Ernteanteil 197,- Euro und der zukünftige Vereinsbeitrag (für Transport und Verwaltung) 16,- Euro monatlich festgelegt.
Erfolgreiche Vereinsgründung
Was ist das Besondere an der solidarischen Landwirtschaft Schinkeler Höfe? Sie lebt besonders vom ehrenamtlichen Engagement der Solawistas. Und es beinhaltet laufende Veränderungen, denn die Anforderungen in Verwaltung und Logistik sind groß. Aus dem Zweck und dem Nutzen für alle Beteiligten, Verbraucher und Produzenten ergibt sich die Notwendigkeit für alle das Projekt am Laufen zu halten. Dies ist nur durch starken persönlichen Einsatz vieler Mitglieder erreichbar, aber es gelingt immer wieder, weil der Nutzen für alle einfach unbeschreiblich groß ist. Schließlich geht es ja um eine gesunde Ernährung für alle Beteiligten. Dies ist in unserer wettbewerbsorientierten Gesellschaft für viele eine Vorraussetzung um mit dem zunehmenden Stress klarzukommen und ein möglichst gutes, glückliches und gesundes Leben zu ermöglichen.
Und hier hat sich die Solawi bereits für viele bewährt und gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das gemeinsame Leben und gegenseitiges Kennenlernen ermöglicht. All dies hat die Solawi zu einem Erfolgserlebnis gemacht. Dies gilt insbesondere auch für die beteiligten Betriebe, die durch gesicherte monatliche Einnahmen eine Planungs- und Produktionssicherheit erhalten und nicht von Marktverkäufen oder Verschleuderung ihrer Produkte auf dem Markt der Discounter abhängig sind. Außerdem können sie wertvolle Lebensmittel, die auf einem herkömmlichen Markt wegen Art und Aussehen nicht zu verkaufen wären, trotzdem innerhalb der Solawi verwerten.
In den letzten Jahren wurde der Zuwachs der Solawi zu einer Herausforderung für die Organisation und die Lieferung an die Depots. Während dies zu Beginn noch durch ehrenamtliche oder selbstständige tätige Fahrdienste möglich war, musste jetzt darüber nachgedacht werden, wie die gesamte Solawi auf eine rechtlich und haftungstechnisch sichere Basis gebracht werden kann, ohne auf die basisdemokratische Ebene zu verzichten, wie sie sich in der Solawi einzigartig herausgebildet hat.
Außerdem ging es darum einen klar formulierten Satzungszweck der Solawi zu finden, der die ebenfalls einzigartige Zusammenarbeit und Unterstützung der beteiligten Höfe und Betriebe weiterhin ermöglicht.
„Der Zweck des Vereins ist die Förderung kleinbäuerlicher ökologischer Landwirtschaft und der handwerklichen Verarbeitung dieser Produkte, der flächengebundenen, artgerechten Tierhaltung und der Verwendung samenfester Gemüsesorten, die Pflege der Bodengesundheit und der Gewässerschutz. Dies erfolgt auch in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen ähnlicher Zielsetzung.
Dieser Zweck wird insbesondere verwirklicht durch:
a. Die Unterstützung der Kooperationsbetriebe bei der Erprobung und Umsetzung von ökologischer, nachhaltiger und klimagerechter Landbewirtschaftung und von handwerklichen Verarbeitungsmethoden der landwirtschaftlichen Produkte sowie die Vermittlung von Kenntnissen darüber.
b. Darüber hinaus fördert der Verein die Biodiversität und eine regionale und saisonale Ernährung sowie die Schaffung von Bewusstsein für einen achtsamen und nachhaltigen Umgang mit der Natur als lebendigem Organismus.
c. Ermöglichung und Förderung der Zusammenarbeit von Produzent*innen, Verarbeiter*innen und Konsument*innen landwirtschaftlicher Produkte durch Bereitstellung des rechtlichen Rahmens sowie verwaltungstechnischer und organisatorischer Hilfen.
Der Verein ist selbstlos und nicht profitorientiert tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“
Die basisdemokratsche Organisationsweise wurde in der Satzung sichergestellt:
„Schinkelrunde: Die Schinkelrunde besteht aus allen stimmberechtigten Mitgliedern des Vereins und deren Ernteanteilenden, dem Vorstand und den Vertreter*innen der Kooperationsbetriebe.“
Zu den Aufgaben des Vorstandes heißt es: „Der Vorstand vertritt den Verein nach außen. Er ist grundsätzlich an die Entscheidungen der Mitgliederversammlung gebunden. Er soll bei seinen Entscheidungen die Empfehlungen der Schinkelrunde beachten.“
Zukunftsweisend für weiterhin basisdemokratischen Zusammenhalt steht in der Satzung:
„Der Verein versteht sich als Zusammenschluss von Menschen, die sich dem Gedanken des Humanismus, der Völkerverständigung, dem Internationalismus und den Menschenrechten verbunden fühlen. Er ist überparteilich und überkonfessionell. Rassistische, fremdenfeindliche und andere diskriminierende oder menschenverachtende Bestrebungen oder ein Engagement in Parteien und Organisationen, die zu den Zielen des Vereins im Widerspruch stehen, werden nicht geduldet und sind mit einer Mitgliedschaft nicht vereinbar.“
Die Vereinsgründung fand auf der Mitgliederversammlung in der Kieler PUMPE am 20.11.2022 mit 62 Personen statt. Die Satzung wurde beschlossen und fünf Vorstandsmitglieder gewählt. Der Name des Vereins heißt jetzt:
„Schinkeler Höfe – Solidarische Landwirtschaft e. V.“
Es ging darum die Unterstützung der regionalen Landwirtschaft, den Erhalt der ökologischen Landwirtschaft und gesunde Nahrung für alle zu sichern und dem Konkurrenzdruck und der Erpressung durch Discounter und Lieferanten zu widerstehen.
Hoffen wir, dass die Vereinsgründung die Zukunftsfähigkeit der Solidarischen Landwirtschaft unterstützt und weitere Entwicklung ermöglicht.
Es ist sehr erfreulich, dass sich in unserer Nähe jetzt auch seit Herbst 2021 der Hof Wittschap (Melsdorf), seit 2019 der Hof Överdiek (Groß Wittensee) und demnächst der Hof Grossholz (Holzdorf) für die Gründung einer Solidarischen Landwirtschaft entschieden haben. Wir wünschen viel Erfolg. (uws)