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Kurdistan-Kulturwochen:

Gedenkveranstaltung für Rojava und die Politik der AKP

Nach dem Sieg Erdoğans und der AKP – Die Situation der Kurd*innen nach den Wahlen in der Türkei

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Nach den „Kulturwochen-Kiel“ zu Afghanistan, Syrien und Iran, wird 2023 die Region Kurdistan mit Politik, Kultur und den Kämpfen für ein menschenwürdiges Leben dargestellt. Mit Ausstellungen, Musik, Theater, Tanz, Kochkursen, Filmen, Lesungen, Vorträgen und Diskussionsangeboten soll sich der Region Kurdistan genähert werden.

Festgestellt wird auf der Internetseite zu den Kurdischen Kulturwochen: „Kurdinnen erleben als Geflüchtete in vielen Ländern anhaltende und systematische Diskriminierung. Kurdische Gebiete wurden in den letzten Monaten vermehrt durch Länder wie beispielsweise der Türkei angegriffen. Recepp Tayyip Erdogan benutzt in Bezug auf seine Ziele Wörter wie „Ausrotten“. Auch das iranische Regime geht besonders hart gegen die aktuellen Proteste in kurdischen Gebieten vor. Dennoch wissen viele Personen der deutschen Mehrheitsgesellschaft kaum etwas über die prekären Lebenssituationen von Kurdinnen.“
Ayse Fehimli, Mitglied im Kurdischen Frauenverein Jiyana Jin e.V., schreibt: „Wenn Kulturen miteinander bekannt werden, dann schwindet die rassistische Wand, vor der wir stehen, immer mehr.“

In zwei Veranstaltungen haben das Kurdistan Solidaritätskomitee Kiel, Defend Kurdistan Kiel und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Schleswig-Holstein über die politische Situation in den Ländern, in denen kurdische Bevölkerungen leben, informiert. Dies kann ein Beitrag zum Schwinden dieser rassistischen Wand sein.

Die Situation der Kurd*innen nach den Wahlen in der Türkei und dem Sieg Erdoğans und der AKP analysierte Kerem Schamberger, Kommunikationswissenschaftler und Autor. In dem zur Wahl im Mai 2023 geführten Wahlkampf wurden kurdische Aktivist*innen vom Erdoğan-Regime durch Festnahmen ausgeschaltet. Trotz der Krisen und Kriege, in denen sich die Türkei befindet, hat die AKP die Wahl gewonnen.
Der Referent gab zunächst einen Blick in die Geschichte der türkischen Republik seit 1923. Dabei wies er auf den mit der Gründung erfolgten Versuch hin, die ideologische Grundlage des Staates die „Homogenität des Staatsvolkes“ herzustellen. Dargestellt wird dies in dem Spruch: „Tek Vatan, Tek Millet, Tek Bayrak, Tek Devlet“, also „Ein Vaterland, ein Volk, eine Fahne, ein Staat“ und man könnte ergänzen: „eine Sprache und eine Religion“, so Schamberger.
„Alles, was nicht in das Identitätsbild des neuen türkischen Prototyps passte, wurde entweder vertrieben, assimiliert oder ermordet.“

Hinzu kommt die ökonomische Ebene. Die Enteignungen der ArmenierInnen, der kurdischen Bevölkerung, die Zwangsumsiedelungen, das Verbot der kurdischen Sprache, kurdischer Namen und kurdischer Kultur machten eine politische Beteiligung für diese Bevölkerungen unmöglich. Dies entwickelte andererseits den Widerstand der Kurd*innen gegen die türkische Politik und Regierung. Als Reaktion auf die Unterdrückung wurde die PKK 1978 gegründet.

Seitdem gab es einige Friedensprozesse in der Türkei, die jedoch von der AKP beendet wurden, als Reaktion auf den Wahlsieg der Partei der kurdischen Freiheitsbewegung HDP im Juli 2015 in Istanbul. Die daraufhin einsetzende Selbstermächtigung der kurdischen Bevölkerung über die von ihnen bewohnten Gebiete wird seit 2015 mit brutaler Gewalt des türkischen Militärs unterdrückt.

In dieser Situation haben die Wahlen im Mai 2023 stattgefunden. Dezidiert beschreibt Kerem Schamberger, die Wahlen und blickt dann auf das Ergebnis: „70% der Stimmen an rechte, nationalistische Parteien gegangen: AKP + MHP + IYI Partei + Zafer Parti + Teile der CHP – also an Repräsentanten des türkischen Nationalismus in unterschiedlichen Ausprägungen. Mal mehr mal weniger islamistisch. Davon fast 25% an offen faschistische Kräfte. Der türkische Nationalismus in all seinen Ausprägungen ist der Gewinner der Wahlen. Wieder einmal…GenossInnen des Bündnisses der Arbeit und Freiheit kommen auf 10,5% und 65 Abgeordnete, davon 4 von der TIP (2018: 67 Abgeordnete und 11,7%).“
Westliche Regierungen, wie Olaf Scholz für die BRD, gratulierten Erdoğan umgehend zum Wahlsieg. Dass dies trotz der Verhaftungen von Kritiker*innen der Erdoğan-Regierung erfolgte, nimmt dieser als Legitimation und setzt seine Politik der Unterdrückung und Gewalt fort.

Diese erschwert die Diskussionen in den kurdischen Gebieten über das gemeinsame Vorgehen nach den Wahlen. Dabei, so Schamberger, muss die „Konzentrierung auf Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht und einem gegenhegemonialen Projekt: Linke Kräfte, gewerkschaftliche Verankerung, Verankerung in den Städten und Stadtteilen“ folgen.
„Es muss eine Gegenhegemonie von unten aufgebaut werden. Ganz im Gramscianischen Sinne. Weg von reiner Fixierung auf Wahlen – insbesondere Parlament und Präsidentschaftswahlen. … auch (um) dem türkischen Nationalismus entgegenzuwirken. Darum muss es jetzt in der vor uns liegenden Phase gehen – auch um so einen Grundstein zu legen, die „kurdische Frage“ von unten zu lösen. Das ist nicht einfach, vor allem wenn man sich die aktuelle Weltkonjunktur ansieht – aber versuchen muss man es trotzdem.“

Das Gedenken an Konstantin Gedig - Sehid Andok Cotkar zwei Tage nach der Veranstaltung über die Wahlen machte noch einmal deutlich, wie brutal die um ihre Rechte kämpfende kurdische Bevölkerung unterdrückt wird.

Konstantin war ein junger Landwirt aus Schleswig-Holstein, der sich 2016 der YPG im Kampf gegen den IS angeschlossen hatte. Bei der Verteidigung der syrischen Grenzstadt Serêkaniyê (Raʾs al-ʿAin) wurde Andok Cotkar am 16.10.2019 durch die türkische Luftwaffe getötet.
Seine Eltern besuchten im März 2023 Nordostsyrien/Rojava um mit den Menschen zu sprechen, die mit ihrem damals 24-jährigen Sohn gekämpft haben. Auf der Gedenkfeier teilen sie ihre Erlebnisse und Eindrücke von Rojava und Nordostsyrien in einem Vortrag mit Fotos von ihrer Reise und den Erzählungen über Gespräche und Begegnungen. Über die Reise gibt es eine Dokumentation, in der die auf 2500 km besuchten Stationen im Film festgehalten sind.
Zu vielen Grußworten, in denen der Kämpfe und Gefallenen gedacht wurde, gab es eine Videobotschaft von Mazlum Abdi, dem Generalkommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Abdi betonte das Ansehen und die Ehrung, die internationalistischen Freiwilligen in Nord- und Ostsyrien widerfährt.

In einer Live-Schalte nach Rojava wurde von Internationalist*innen über die aktuellen Angriffe des türkischen Militärs, vor allem auf zivile Infrastruktur und Bevölkerung in den letzten Wochen, berichtet. „Der Widerstandsgeist der Bevölkerung ist ungebrochen“ lautet die deren Aussage.
Kerem Schamberger hat in seiner Rede zum Gedenken auf die Errungenschaften der Rojava-Revolution hingewiesen. Er erinnerte daran, dass grundsätzliche Alternativen zum bestehenden kapitalistischen System immer mit brutaler Gewalt von Kräften des Status quo bekämpft werden:
„Die Pariser Kommune 1871, die Arbeiter- und Soldatenräte in Russland 1917, die Spanische Republik 1936 und die sozialistische Regierung von Salvador Allende in Chile, die vor genau 50 Jahren durch einen faschistischen Putsch gestürzt wurde. Veränderung sollte als Ding der Unmöglichkeit erscheinen.
Doch Konstantin hat als Internationalist den Beweis verteidigt, dass die Emanzipation des Menschen und der Gesellschaft möglich ist.“

Wir verharren in der Defensive, sind oft überwältigt von dem derzeitigen Rechtsrutsch und nicht in der Lage eine Utopie zu entwerfen und sie zu leben, sagte Schamberger und endete mit Pablo Neruda: „Nur mit brennender Geduld werden wir die strahlende Stadt erobern, die allen Menschen Licht, Gerechtigkeit und Würde schenken wird.“

Bettina Jürgensen,
ungekürzt auf www.kommunisten.de

   

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