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Rojava:

Kurden warnen vor Eskalation in Nahost

Die australische Zeitung Green Left hat Anfang Februar Sale Muslim, den Ko-Vorsitzenden der Partei der Demokratischen Union (PYD), der führenden Partei in Rojava, im Nordosten Syriens interviewt. Das Gespräch, das wir hier in Übersetzung wiedergeben, führte Peter Boyle.

Muslim warnte, dass sich aus dem derzeitigen Konflikt ein dritter Weltkrieg entwickeln könnte:

„Alle Hegemonialmächte der Welt, und auch die Regionalmächte, sind in Alarmbereitschaft und bekämpfen sich von Zeit zu Zeit gegenseitig. Das ist eine sehr gefährliche Situation, nicht nur für uns, sondern für den gesamten Nahen Osten. Niemand weiß, was als nächstes passiert, denn es gibt jede Regionalmacht verfolgt ihre eigenen Pläne.“

„Wir befinden uns mitten in diesem Konflikt in Nordost-Syrien und müssen sehr vorsichtig sein. All diese Mächte verfolgen ihre eigenen Interessen. Einige sind hinter den Energieressourcen wie Gas und Erdöl her, andere wollen die anderen Reichtümer der Region“, so Muslim weiter. Die Kurden würden einfach um ihre Existenz kämpfen.

„Wir wollen nur einen ruhigen Ort zum Leben zu haben, ohne zu kämpfen. Aber wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten.“

„Der Syrienkonflikt dauert nun schon 13 Jahren, ohne dass es eine Lösung gäbe, weil die Türkei, der Iran und andere Regionalmächte ihre eigenen Ziele verfolgen, und auch die internationalen Hegemonialmächte haben ihre Pläne haben.“
Die Kurden in Rojava hätten ihre eigenen Vorschläge zur Lösung des Konflikts gemacht, so der PYD-Ko-Chef, doch die seien für die anderen Mächte nicht akzeptabel.

In der Zwischenzeit habe die Türkei den Konflikt in Gaza genutzt, um um ihre Angriffe auf Rojava zu verstärken, mit dem erklärten Ziel, „unsere Infrastruktur zu zerstören und uns das Leben schwer zu machen“, so Muslim. Die Türkei nutzt auch Daesh/Islamischer Staat (ISIS), um Rojava „in den Rücken zu fallen“, indem sie dessen Schläferzellen finanziert und bewaffnet.

Der jüngste Drohnenangriff der vom Iran unterstützten Milizen, bei dem sechs Kämpfer der kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens in Deir ez Zor in Syrien töteten, habe nichts mit dem Krieg in Gaza zu tun, meint Muslim weiter.

Er erklärte seine Unterstützung für das palästinensische Volk und verurteilte den Völkermord, den Israel unter dem Regime von Benjamin Netanjahu in Gaza verübt. Netanjahu wolle „die Palästinenser ausrotten“, aber Muslim glaubt, dass die Hamas keine wirkliche Lösung bietet.

Eine echte Lösung für Palästina könnte „eine Lösung sein, die ähnlich ist wie unser [demokratisch-konföderalistisches] Projekt“, das Arabern und Juden ein friedliches zusammenzuleben ermöglichen könnte.

Muslim weiter: „Die Mentalität von Netanjahu und Hamas wird alle Menschen im Nahen Osten zerstören. In den 1980er Jahren haben sich Kurden den linken Palästinensern im Kampf für demokratische Rechte angeschlossen. Aber sie waren palästinensische Linke, nicht die Hamas. Die Hamas vertritt nicht die Palästinenser. Wir versuchen immer noch, Beziehungen zu linken palästinensischen Gruppen zu unterhalten, aber diese sind [heute] schwach. Das ist ein großer Verlust für die Palästinenser...“
„Wir können nicht mit der Hamas verhandeln. Die hat die gleiche Mentalität wie Daesh hat und will einen islamischen Staat errichten.“

Das Regime von Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei sei in Bezug auf die aktuellen Konflikte in der Region völlig heuchlerisch.
„Er verurteilt Israel für das, was es den Palästinensern in Gaza antut, was richtig ist, aber er tut dasselbe mit dem kurdischen Volk in unseren Gebieten.“

Erdogans ständige Angriffe auf Rojava hätten viele Öl- und Gasanlagen sowie Elektrizitätswerke zerstört, so dass „jetzt mitten im Winter die meisten unserer Gebiete ohne Strom sind“.
„Wenn es keinen Strom gibt, können die Bäckereien nicht arbeiten, wir haben also eine sehr schwierige Situation. Die Türkei will uns das Leben so schwer machen, dass unsere Leute gezwungen sind, dieses Gebiet zu verlassen.“
Kurz gesagt, Erdoğan wolle den Nordosten Syriens von Kurden ethnisch säubern. Dies seien „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, die die Welt verurteilen müsse, so Muslim. „Wir werden uns weiter organisieren, um uns zu verteidigen. Wir sind jetzt stärker als zuvor und werden uns weiterhin mit den anderen Teilen der Bevölkerung in Nord- und Ostsyrien – den Arabern, Assyrern und anderen – zusammenschließen.“

Im Januar feierte Rojava das zehnjährige Bestehen seines demokratischen, konföderalistischen Verwaltungssystems und änderte seinen offiziellen Namen in Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES). Außerdem wurde ein Gesellschaftsvertrag verabschiedet, an dem seit 2013 gearbeitet wurde. Dieser Vertrag spiegelt das Ziel der Revolution wider, ein demokratisches System aufzubauen, das alle Teile der Bevölkerung einschließt, Frauen und junge Menschen stärkt und die Umwelt respektiert.

Trotz aller Herausforderungen, so Muslim, sei die Situation in Rojava heute unvergleichlich besser als die Lage in den von Bashar al-Assad und den russischen sowie Streitkräften kontrollierten Gebieten, die das Regime stützen und seinen Kurs diktieren. „Etwa eine Million Menschen lebt jetzt hier bei uns, die dieser Hölle entkommen sind.“

Rojava Rev verteidigen

Bild: Demonstration für Rojava im Oktober 2023 in Kiel