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Stadthaushalt Kiel 2023:
Milliarden-Verschuldung wird erwartet
Wir berichten seit 2009 in der LinX regelmäßig über die Entwicklung des Kieler Stadthaushaltes. Anfang 2023 haben wir gewarnt vor den Auswirkungen der ständigen Unterfinanzierung der Städte und Kommunen. Siehe in der LinX 02-2023: „Stadthaushalt Kiel 2022: Unterfinanzierung der Kommunen führt zu Milliarden-Verschuldung“ siehe hier
Für Kiel wird die zunehmende Verschuldung ein ernsthaftes Problem. Nach dem Finanzbericht ist die Gesamtverschuldung auf 1227,7 Mio. Euro angewachsen.
Notwendige Investitionen mussten zurückgeschraubt werden. Im Nachtragshaushalt wurde durch OB Kämpfer kurzfristig das Investitionsvolumen von 129 Mio. auf 82 Mio. reduziert. Eingespart werden musste vor allem bei dringend nötigen Investitionen in Sanierungen und Neubau von Schulen, Schloss-Sanierung, Sportanlagen, Rettungsdienste, Kaikanten, Straßensanierungen usw.
Aber der Investitionsbedarf bleibt bzw. steigt weiter, so das auch die Stadt davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren sowohl der Haushalt ins Minus kommt, als auch die Verschuldung stark zunimmt. Wenn dann die Bankzinsen steigen wird das teuer. Die Landesregierung hatte den Städten max. 10 Mio. für neue Kredite zugelassen um die „Schuldenbremse“ einzuhalten. Dem ist die Stadtverwaltung glücklicherweise nicht gefolgt musste aber dafür den Haushaltsbericht durch die Kommunalaufsicht genehmigen lassen.
Aber dieses Jahr hatte die Stadt viel Glück. Eine unerwartete Gewerbesteuernachzahlung brachte zusätzliche 83,4 Mio. in den Stadthaushalt. Wie immer sind die Informationen aus welchem Gewerbe das Geld kommt, aus Datenschutzgründen geheim, auch wenn es das Allgemeinwohl betrifft. Von den profitablen Kieler Rüstungsfirmen kommen diese Einnahmen nicht, denn die zahlen ihre Gewerbesteuer dort wo der Firmensitz gemeldet ist und nicht wo die Wertschöpfung über den Mehrwert durch Ausbeutung der Arbeiter entsteht. Wie bereits im Haushaltsjahr 2022, können wir nur vermuten, dass die Gewerbesteuereinnahmen von der bereits abgewickelten und privatisierten HSH-Nordbank kommt. Ein schöner Geldsegen für die Stadt, doch leider nur einmalig.
Zusätzlich hatte die Stadt dieses Jahr ein weiteres Glück, vermutlich auch nur einmalig, weil erheblich mehr Finanzzuweisungen vom Bund als Ausgleich für die gestiegenen Sozial-Transferaufwendungen (Bürgergeld, Sozialhilfe, Ausgaben für Flüchtlinge und Asylbewerber) kamen (Konsolidierungshilfe). Aber bei steigendem Rüstungsetat der Bundesregierung, wird dann immer weniger Geld für die Kommunen zur Verfügung stehen.
Die größten Ausgabenposten der Stadt sind die Sozial-Transferleistungen, die auf 517,4 Mio. Euro gestiegen sind und die Personalkosten mit 332,2 Mio. Euro.
Wo kann die Stadt noch sparen? Freiwillige Ausgaben? Beim Personal?
Die freiwilligen Zuschüsse für Vereine und Verbände betragen nur 15,7 Mio. haben aber große Auswirkungen auf das soziale und kulturelle Leben in der Stadt. Weil es aber sogenannte freiwillige Ausgaben der Stadt sind, werden sie immer wieder gerne eingespart. Aber es ist ein kleiner Posten im Verhältnis zu dem Investitionsbedarf.
Beim Personal wurde schon öfter versucht zu sparen, oder zu digitalisieren, aber dann musste man feststellen, dass immer mehr Aufgaben auf die Städte und Kommunen zukommen und auch digitalisierte Daten müssen noch bearbeitet werden.
Zu den Prognosen bezüglich der Hoch-Verschuldung der Stadt, heißt es im Jahresabschluss des Kieler Stadthaushaltes 2023:
„Mit höheren Gewerbesteuererträgen und der nicht zu veranschlagenden Konsolidierungshilfe liegen die Gründe für den Jahresüberschuss in Einmal- bzw. Sondereffekten. Eine nachhaltige Stabilisierung der finanzwirtschaftlichen Lage der LH Kiel ist daher aktuell nicht ersichtlich oder zu erwarten. Die geplanten Defizite in der mittelfristigen Finanzplanung visualisieren die schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konsolidierungshilfe im Jahr 2023 ausgelaufen ist.
Die Unterfinanzierung der kommunalen Aufgaben und Leistungen kann künftig nicht mehr im bisherigen Umfang über den Haushaltsvollzug kompensiert werden. Eines der grundlegenden Risiken für den städtischen Haushalt bleibt somit auch zukünftig die strukturelle Unterfinanzierung der LH Kiel. Ob sich durch die notwendige Überarbeitung des kommunalen Finanzausgleichs positive oder weitere negative Effekte ergeben, bleibt abzuwarten.
Die anhaltenden multiplen Krisensituationen und gesellschaftlichen Herausforderungen, führen zu erheblichen finanziellen Auswirkungen. Insbesondere die Erträge, hinsichtlich des Gewerbesteueraufkommens, den Gemeindeanteilen der Einkommens- oder Umsatzsteuer oder die Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich sind geprägt durch Unsicherheiten. Gleichzeitig entstehen auf der Aufwandsseite zunehmend höhere bzw. neue Belastungen, z. B. durch steigende Sozial- und Transferleistungen (nicht zuletzt auch durch die zuletzt kontinuierlich und deutlich steigende Anzahl geflüchteter Menschen), inflationsbedingte Kosten- und hohe Tarifsteigerungen. ...
Ohne eine adäquate finanzielle Beteiligung auf Bundes- und Landesebene sind die pflichtigen und freiwilligen kommunalen Aufgaben nicht finanzierbar. Anforderungen für Zukunftsherausforderungen, wie z.B. Ganztagsbetreuung, Krankenhäuser sowie Klimaschutz, und die nötige digitale Transformation erweitern das vielfältige Portfolio der LH Kiel.“
Ohne eine andere Verteilung der Steuereinnahmen auf Bundesebene wird es keine Lösung geben. Woher soll das Geld kommen für den notwendigen Sozialen Wohnungsbau, für öffentlichen Personalverkehr, Wasser-, und Abwassernetze, für Kitas, Schulen, Schwimmbäder und Straßen, für Klimaschutz oder für Soziales und Kultur?
Einige Gewerkschaften, wie ver.di und auch Kritiker bei Attac fordern schon länger eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Einkommen- und der Umsatzsteuer auf mind. 20 Prozent.
Das würde ca. 50 Milliarden Euro zusätzliche Mittel für Städte und Gemeinden bedeuten. Die Einkommensteuer wie auch die Mehrwertsteuer wird von allen Bürgerinnen und Bürgern bezahlt und sollte deshalb auch vor allem kommunal, vor Ort wieder ankommen.
Die Kommunen wären dann nicht so abhängig von den Einnahmen aus den Gewerbesteuern, die sehr unzuverlässig sind je nach Wirtschaftslage und Standort.
Auf Bundesebene gäbe es genügend Möglichkeiten das Geld dort zu holen, wo es ist. Dazu seien hier nur drei Möglichkeiten genannt, die bei der nächsten Bundestagswahl zur Debatte gestellt werden sollten:
• Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer
• Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes
• Eine Finanztransaktionssteuer zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger, wodurch schon mit einem kleinen Prozentsatz abgeschöpft werden kann, was dann nur die Millionäre und Superkonzerne trifft, aber genügend Finanzen in das reale Leben der Kommunen und Städte überführt.
(Uwe Stahl)
ZAHLEN AUS DEM KIELER STADTHAUSHALT 2023
Erträge: 1.482,6 Mio.
Aufwendungen: -1.365,7 Mio.
Ergebnis Verwaltung: +106,4 Mio.
Schuldenstand Verwaltung Stadt Kiel: -685,9 Mio.
Schulden aus Investitionen (incl. Eigenbetriebe und Beteiligungen): (Kreditverbindlichkeiten aus Investitionen 31.12.2023) - 662,4 Mio.
Kassenkredite: 0,0 Mio.
Zinsen: 10,5 Mio.
Schuldentilgung: 43 Mio.
Kreditaufnahme: 186,9 Mio.
Gesamtverschuldung 2023: 1.227,7 Mio.
Eigenkapital: (2009 bilanziert 457 Mio)
Eigenkapital 2023: 479,0 Mio.
Einnahmen aus Finanzausgleich und Steuern 2023
Einnahmen Anteil Einkommensteuer (12,8%)+ Umsatzsteuer (2,2%): 154,9 Mio.
Einnahmen aus Gewerbesteuer: 187,3 Mio.
(Nachzahlung eines Gewerbesteuerfalls von 83,4 Mio.)
Einnahmen aus Finanzzuweisungen von Bund und Land
(z. B. für Sozialtransferaufwendungen): 505,7 Mio.
Summe aller Deckungsmittel: 679,8 Mio.
Ausgaben (größte 2 Posten):
Sozial-Transferaufwendungen:
(Sozialhilfe, Bürgergeld usw.): 571,4 Mio.
Personalaufwendungen: 332,2 Mio.
Freiwillige Zuschüsse:
für Vereine und Verbände (2022): 15,7 Mio.
Investitionen in 2023:
Geplante Investitionen wurden von 129,8 auf 82 Mio. reduziert.
Betrifft: vor allem Sanierungen und Neubau von Schulen, Sanierung Schloss, Sportanlagen, Rettungsdienste, Kaikante, Straßensanierungen
Bürgschaften für Investitionen in 2022:
(Bürgschaften fast 100% für Seehafen Kiel): 102,7 Mio.
Quelle: Jahresabschluss 2023 der Landeshauptstadt Kiel