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Merkels neuer Umweltminister:
Angriff auf die Windkraft
01.09.2012 Nach dem sich in den letzten zwei Jahren die liberalen Wirtschaftsminister und Teile der Union auf den Ausbau der Solarenergie eingeschossen haben, der ihnen offensichtlich zu schnell geht, deute sich nun an, dass Angela Merkels neuer Umweltminister, ihr enger Vertrauter Peter Altmaier (CDU), auch die Windenergie aufs Korn nehmen will. In seinem letzte Woche vorgestellten 10-Punkte-Papier zur Energie- und Umweltpolitik stellt er zum einen die Einspeisevergütung für die erneuerbaren Energieträger zur Disposition. Zum anderen spricht er davon, dass beim Ausbau der Windkraft zu hohe Ausbauraten erreicht würden. Daher schwebt ihm ein Ausbauziel ähnlich der kürzlich eingeführten Höchstgrenze für Solarenergie vor. Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass weitere Solaranlagen nur solange gefördert werden sollen, bis die Gesamtleistung 52 Gigawatt beträgt.
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Die Einspeisevergütung stellt bisher zusammen mit der Garantie, Strom aus Wind-, Solar, Wasserkraft und Biogasanlagen jederzeit ins Netz einspeisen zu können, das Rückgrat der Förderung dar. Das deutsche Erneuerbare-Energiengesetz (EEG), dass diese Regeln zusammenfasst, gilt wegen seines Erfolgs international als vorbildlich und ist in vielen Ländern kopiert worden. Immerhin können mit seiner Hilfe Sonne, Wind&Co. inzwischen rund 25 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken. Windkraft lieferte im ersten Halbjahr 2012 allein schon gut neun Prozent. Sollte die garantierte Einspeisevergütung mit der Reform des EEG fallen, die Altmaier ankündigt, dann würden Anlagenbesitzer gezwungen ihren Strom eigenständig zu vermarkten. Das würde für Privatpersonen und die vielen kleinen Bürgerwindparks und Genossenschaften, die im Westen der Republik dominieren, zusätzliche bürokratische Hürden errichten. Außerdem würde der weitere Ausbau der erneuerbaren Energieträger ausgebremst, wenn industrielle Großabhnehmer sich weiter mit vergleichsweise günstigem Braunkohlestrom eindecken können. Auf das Konto der Industrie gehen rund 43 Prozent des Stromverbrauchs, die privaten Haushalten haben hingegen nur einen Anteil von 24 Prozent.
Bemerkenswert ist Altmaiers Bemerkung über zu hohe Zubauraten vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung den stockenden Ausbau von Offshore-Windparks mit aller Kraft fördert. Letzte Woche hatte sich erst ein Treffen norddeutschen Küstenländer mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) darauf geeinigt, dass die Haftung im Falle von Verzögerungen des Netzanbindung schnell geregelt werden soll. Anders als an Land, wo die Windkraftanlagenbetreiber sich selbst darum kümmern müssen, ist auf See der Besitzer des Übertragungsnetzes verantwortlich. Das ist im Falle Niedersachsens und Schleswig-Holsteins der staatliche niederländische Netzbetreiber Tennet. Der hatte 2010 auf Druck der EU-Kommission das E.on-Netz übernommen, und hat nun Schwierigkeiten, die Seekabel zu den geplanten Offshore-Parks termingerecht zu verlegen. Mehrere Vorhaben sind dadurch in Verzug.
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Während SPD und Grüne fordern, dass der Staat sich am Netz beteiligen soll, möchte Rösler, dass den Offshore-Windparkbetreibern – meist entweder große Stromkonzerne oder Kapitalfonds – die Ausfälle durch die Verzögerung von den Stromverbrauchern bezahlt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll demnächst vom Kabinett beschlossen werden. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Matthias Miersch, sagte nach Agenturangaben: „Wir brauchen eine Netz-AG.“ Bärbel Höhn von den Grünen nannte Tennet ein „überfordertes Unternehmen mit zu wenig Eigenkapital“.
Grundsätzlich in Frage gestellt wird die Vorliebe der Bundesregierung vom Verband Euro-Solar, der seit 1988 in verschiedenen europäischen Ländern Werbung für den dezentralen Einsatz erneuerbarer Energieträger wie Wind und Sonne macht. Die geplante Haftungsregelung sein ein „überteuerter Geschenk an die Offshore-Windkraft und damit vor allem an die großen Energiekonzerne, die nun die (von) privaten Stromkunden“ geschultert werden müsse. Wenn Altmaier seine Ankündigung ernst meine, die Kosten der Energiewende im Griff behalten zu wollen, dann müsste er auf die Windkraft an Land setzen, deren Strom nur halb so teuer, wie der auf See erzeugte ist. „Der teure und nicht erforderliche Offshore-Ausbau wird die EEG-Umlage und die Netzentgelte für die Verbraucher nach oben treiben“, heißt es in einer Erklärung des Verbandes. Eurosolar wurde einst unter anderem auf Initiative des langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer gegründet, der auch zu den Vätern des EEG gehörte.
(wop)
Siehe dazu auch
Energiegipfel: Solar- und Windverbände wurden nicht eingeladen
(http://www.heise.de/tp/blogs/2/152675)
und
Energiepolitik zu Lasten der Privathaushalte (http://www.heise.de/tp/artikel/37/37529/1.html)