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Wohnungsmarkt:

Die Rückkehr der Wohnungsnot in Schleswig-Holstein

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01.10.2012  Eine Wohnung gehört zu den Grundbedürfnissen, die ein Mensch zum Leben und für seine Würde braucht. Deswegen muss man es dramatisch nennen, was auf dem Wohnungsmarkt passiert. Zwei Widersprüche sind ausschlaggebend:
 
Besonders in den großen Städten Flensburg, Kiel und Lübeck sowie im Hamburger Rand gibt es deshalb eine wachsende Nachfrage nach kleinem und günstigem Wohnraum. Das Angebot für diese Nachfrage ist aber nicht vorhanden. Eine Sachlage die auf 20 Jahre falsche Politik zurück geht. Durch Privatisierungswahn und Verkaufsorgien haben viele Kommunen ihren politischen Primat im Bereich der Stadtentwicklung verloren. Sie verfügen weder über Wohnungsbaugesellschaften, noch einer größeren Anzahl eigener Wohnungen.

Während die Bevölkerungszahl in Schleswig-Holstein sinkt, steigt die Zahl der Haushalte. Grund ist ein gesellschaft-licher  Trend zu kleinen bzw. Singlehaushalten. Während das Pro-Kopf Einkommen zwischen Nord- und Ostsee steigt, wächst die Zahl der Haushalte, die von Armut betroffen sind. Neben wenigen Absahnern leben immer mehr Menschen von Niedriglöhnen. Dank Renten- und Lohnkürzungen sind ältere MitbürgerInnen zunehmend von Altersarmut betroffen.

Was in der Folge zu beobachten ist, ist das Marktversagen in Reinkultur: Immobilienboom und Renditesucht lassen die Mieten explodieren. Statt billigem Wohnraum entstehen teure Eigentumswohnungen; im schlimmsten Fall nachdem dafür billiger Wohnraum weichen musste. Mitunter lassen Spekulanten ihre Objekte einfach verrotten, um kurzfristig den maximalen Profit zu erhalten. Im Jahr 2017 fehlen in den großen Städten in Schleswig-Holsteins zwischen 2000 und 4000 Wohnungen.  Das allgemeine Mietniveau geht in der Folge steil nach oben, was auch bedeutet, dass die klammen Kommunen mehr Gelder für die Kosten der Unterkunft von SGB II Beziehern aufwenden müssen. Bezahlbarer Wohnraum findet sich nur noch in Randlagen, wo es zu einer Verdichtung von sozialen Problemlagen kommt. Der freie Markt betreibt die sichtbare Spaltung der Gesellschaft.

Der ehemalige Innenminister Ralf Stegner (SPD) hat die Lunte noch verkürzt, als er 2009 die Belegbindung für Sozialwohnungen von 80 auf 35 Jahre herabsetzte. Schon ab 2015 können so bis zu ein Viertel der bisherigen Sozialwohnungen ohne Wohnberechtigungsschein vermietet werden. Es scheint unglaublich: Bei steigendem Bedarf sinkt die Zahl der Sozialwohnungen; der SPD Politik sei Dank. Einkommensschwache Menschen bleiben auf der Strecke, während sich die Wohnungswirtschaft über den neuen Reibach freuen kann.

Die neue Landesregierung aus SPD, Grüne und SSW hat für diese Problematiken in ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 52 ganze 9 Zeilen übrig, das schwarz-gelbe Debakel wird fortgeführt. Für viele Menschen bedeutet  dies, dass sie hoffen müssen, ihre unrentablen Grundbedürfnisse könnten durch ein Wunder profitabel werden. Der freie Markt hat kein soziales Gewissen. Gerade auch kommunal kann hier etwas unternommen werden. Die Kommunen müssen wieder Akteur auf dem Wohnungsmarkt werden. Bebauungspläne müssen Aspekte sozialer Stadtentwicklung enthalten, gerade wenn wieder neue Eigentumswohnungen entstehen sollen. Stadtentwicklung muss dafür Sorge tragen, dass sozial heterogene Stadtviertel erhalten und entwickelt werden. Ganz akut müssen Zwangsumzüge von Hartz IV Betroffenen verhindert werden und das gerade in Quartieren, in denen ihre Zahl unterdurchschnittlich ist. Eine kommunale Wohnungsvermittlungstelle kann Maklern ihr profitables Geschäft vermiesen. Langfristig bedarf es der Wiederkehr von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften.

Ziel muss es sein, die „Entsozialisierung“ des Wohnungsmarktes rückgängig zu machen. Der Glaube an die Wunderkräfte des frei gesetzten Marktes erweist sich in diesen Tagen wieder als Ideologie von Kapitalbesitzern. Die Politik muss jetzt schnell umdenken, denn eine Gesellschaft, die es nicht schafft die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen verspielt ihre Legitimität. Die Rückkehr der Wohnungsnot wird daher eine der zentralen sozialen Fragen der kommenden Jahre.

(Marco Höne, Mitglied des Landesvorstand DIE LINKE)