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Statt eines Kommentars

Wettlauf der Schäbigkeiten

01.Juni 2013 Am 26. Mai 1993 veränderte der Deutsche Bundestag das aus historischer Erfahrung entstandene Asylrecht des Artikels 16 GG zur Unkenntlichkeit. Die Verfassungsänderung und die restriktiven Begleitgesetze waren die Initialzündung für einen Wettlauf der Schäbigkeiten gegenüber Schutzsuchenden, der die EU-Flüchtlingspolitik bis heute prägt. Angesichts der dem Beschluss vorangegangenen Pogrome und der auf ihn folgenden Anschläge hatte PRO ASYL der verfassungsändernden Mehrheit vorgeworfen, man habe sehenden Auges in Kauf genommen, dass die Grundgesetzänderung in der rechten Szene als Signal für eine „ethnische Säuberung“ Deutschlands verstanden worden sei. (...)

Die Realität ist geprägt von circa 20.000 Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten, die seitdem an den [EU-] Außengrenzen starben, und von einem System der umfassenden Inhaftierung von Schutzsuchenden. Mussten sich früher Flüchtlingsinitiativen mit den Realitäten in den Verfolgerstaaten auseinandersetzen, so verwenden sie heute einen Großteil ihrer Energie darauf, Flüchtlinge davor zu bewahren, in menschenrechtswidrige Lebensumstände in anderen EU- Staaten abgeschoben zu werden.

Nicht erst seit der Grundgesetzänderung kämpfen Betroffene und die Asylbewegung in langjährigen und zähen Auseinandersetzungen um die Wiederherstellung von Flüchtlingsrechten, durchaus mit Erfolgen:

• Es erforderte zehn Jahre intensiven Einsatzes, bis auch in Deutschland Opfer nicht-staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung in den Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fielen.

• Fast 20 Jahre dauerte es, bis das Bundesverfassungsgericht mit eindeutigen Worten große Teile des Asylbewerberleistungsgesetzes für verfassungswidrig erklärte.

• Nach 18 Jahren erst machten der Menschengerichtshof in Straßburg und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg dem deutschen Sonderweg ein Ende und stellten klar: Ein „blindes Vertrauen“ in die Sicherheit anderer EU-Staaten dürfe es nicht geben.

Für viele Opfer der restriktiven bundesdeutschen und europäischen Flüchtlingspolitik kam solche Gerechtigkeit zu spät. (…) Europa muss endlich asylfähig werden. D.h. keine Lippenbekenntnisse mehr in Sachen Flüchtlingsschutz, stattdessen ein gemeinsames EU-Asylrecht mit hohem Schutzniveau und die aktive Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten.

(Erklärung von PRO ASYL)