Beiträge
Kreuzfahrtschiffe sollen trotz Corona wieder in See stechen – dagegen wurde in Kiel lautstark protestiert
Seit drei Monaten hatten die weltweit 400 Kreuzfahrtschiffe Zwangspause. Trotz nicht überwundener Corona-Pandemie wollen die Tourismuskonzerne nun aber ihre Kreuzfahrtschiffe so schnell wie möglich wieder in See stechen lassen. Den Auftakt machte am 24. Juli 2020 „Mein Schiff 2“ des Reisekonzerns TUI im Hamburger Hafen. Am 5. August soll in Hamburg die "AIDAperla" ablegen, am 12. August 2020 in Rostock die "AIDAmar" und am 16. August 2020 in Kiel die "AIDAblu".
Das Kreuzfahrt-Unternehmen Aida Cruises hält an diesen Plänen eisern fest - trotz zehn mit dem Covid-19-Virus infizierten Crewmitgliedern. Die betroffenen Mitarbeiter befänden sich in strenger Einzelisolation an Bord eines der beiden Schiffe, die derzeit im Rostocker Seehafen liegen, sagte der Aida-Sprecher. Am 22. Juli 2020 waren 750 Besatzungsmitglieder für die Kreuzfahrtschiffe - unter ihnen die Infizierten - aus Jakarta (Indonesien) und Manila (Philippinen) in Rostock eingetroffen. Die bereits an Bord befindliche Stammbesatzung umfasst gerade einmal 100 Personen.
Die Kreuzfahrtindustrie hat gemeinsam mit den deutschen Behörden ein Hygienekonzept erarbeitet, damit ihr Geschäft auch unter erschwerten Pandemie-Bedingungen lukrativ fortgeführt werden kann. Es sieht unter anderem einen Gesundheitsfragebogen vor der Reise vor sowie eine Temperaturmessung vor dem Check-in. Alle Schiffe werden mit Covid-19-Schnelltests ausgestattet sein. Die Wiederaufnahme der Kreuzfahrten soll in drei Phasen erfolgen: In Phase eins sollen die ersten Schiffe von Hamburg, Rostock und Kiel aus mit Gästen aus dem deutschsprachigen Raum an Bord starten können. Die Schiffe sollen bereits nach maximal sieben Tagen wieder im Starthafen ankommen. In der zweiten Phase dürfen auch ausländische Häfen angefahren werden und in der dritten sollen die Reedereien zu ihrer gewohnten Routengestaltung zurückkehren können. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es noch nicht.
Protest gegen Kreuzfahrtschiffe in Kiel
Rund 150 Umweltaktivisten haben am 26. Juli 2020 am Kieler Ostseekai gegen die Pläne der Kreuzfahrtbranche demonstriert. Ein Bündnis aus Fridays for Future, Extinction Rebellion, der Turbo Klima Kampf Gruppe (TKKG) und weiteren Organisationen fordert einen Stopp für das Anlaufen von Kreuzfahrtschiffen im Kieler Hafen. Dabei knüpfen die Kieler Aktivist*innen an ihre Aktionen und Demonstrationen aus dem Vorjahr an, bei dem u.a. das Auslaufen des Kreuzfahrtschiffs „Zuiderdam“ durch waghalsige Blockadeaktionen um Stunden verzögert werden konnte.
Allein in Kiel waren im vergangenen Jahr etwa 160 Kreuzfahrtschiffe ein- und ausgelaufen. Für dieses Jahr war ein weiteres dickes Plus anvisiert worden; deshalb auch der Bau eines weiteren Abfertigungsterminals. Dabei hatte Stadtverordnung Kiel 2019 offiziell den „Klimanotstand“ ausgerufen, der die Verwaltung der Landeshauptstadt verpflichtet, unverzüglich konkrete Maßnahmen in Sachen Klimaschutz in die Wege zu leiten. Wie Kreuzfahrtschiff-Boom und Lösung des Klimanotstandes zusammengebracht werden können, bleibt das Geheimnis des Oberbürgermeisters.
Neben diesem offenkundigen Widerspruch wurde in den Redebeiträgen auf der Kundgebung vor dem Kreuzfahrer-Terminal weiterhin an folgendes erinnert:
Der Kreuzfahrt-Tourismus treibt weltweit den Klimawandel voran. Nach Berechnungen des WWF beträgt der individuelle ökologische Fußabdruck einer Kreuzfahrt (einschließlich An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung und Aktivitäten wie Landausflüge) bei knapp 1.200 kg CO2. Zum Vergleich: Zuhause hätte man in derselben Zeit knapp 50 kg CO2 verbraucht. „Wenn es die Gesellschaft mit dem 1,5 Grad-Ziel ernst meint, werden wir in den nächsten Jahren einen drastischen Rückbau der Kreuzschifffahrt in Kiel benötigen. Lasst uns mit den noch existierenden Kreuzfahrtschiffen doch lieber die Seenotrettung im Mittelmeer unterstützen“, schlugen die Aktivist*innen in Kiel vor.
Zu den Umweltschäden der Kreuzfahrer kommen schlechte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung der Beschäftigten hinzu. Fast alle dort Arbeitenden sind über Subunternehmen angestellt. Es gibt kaum Arbeitsrechte und für viele Hilfsjobs liegt der Stundenlohn teilweise bei nur 2 Euro. Das kommt dadurch zu Stande, dass jedes Schiff in einem beliebigen Land angemeldet werden kann und dann die Rechte des jeweiligen Landes gelten. Die Reedereien melden ihr Schiff also in dem Land mit den „besten Konditionen”, d.h. die geringsten Steuern und wenige gesetzliche Vorgaben an. Für die Crew heißt das: Arbeitszeiten von 10 Stunden täglich bei einer 7-Tage-Woche an Bord sind eher die Regel als die Ausnahme.
In der Corona-Krise wird die Kreuzfahrtindustrie vom Staat mit Milliarden-Krediten unterstützt, TUI, Teileigentümerin zweier Kreuzfahrtreedereien, hat einen ersten staatlichen Corona-Notkredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro von der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) erhalten. Deutschlands größte Kreuzfahrtreederei AIDA und die Meyer Werft in Papenburg, die sich auf den Bau dieses Schiffssegments spezialisiert hat und in dem Bereich weltweit führend ist, haben ebenso Staatshilfen beantragt. Auf Anfrage des Fernsehmagazins Panorama (11.6.20) teilte ein Sprecher der Meyer Werft mit, man habe einen frischen Kredit mit der KfW in Höhe von 200 Millionen Euro vereinbart. Die Bundesregierung begründet diese Unterstützung damit, dies sei ein Beitrag zur "Sicherung von Arbeitsplätzen und Knowhow in der deutschen Exportwirtschaft". So werde "ein Beitrag zu wirtschaftlichem Wachstum geleistet". (gst)