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Wohnungsmangel in Kiel:
Stadt will selbst bauen
01. Februar 2016 In der Landeshauptstadt Kiel ist wie in anderen deutschen Großstädten: Es fehlt an bezahlbaren Wohnraum. Mit dem Einstampfen des sozialen Wohnungsbaus, dem Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) vor 16 Jahren und der damit betriebenen Umsetzung sogenannter „Sparmaßnahmen“ im Sinne neoliberaler Politik, wurde der Wohnungsnotstand bis in heutige Tage hinein wieder ein Thema. Und immer Anlass für linke und sozial engagierte Menschen und Organisationen die Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum zu stellen. Getan hatte sich bisher wenig.
In der Ratsversammlung im Januar 2016 in Kiel wurde nun ein Beschluss gefasst, der eine Wende im Wohnungsbau bedeuten kann. In aktuellen Bedarfsschätzungen des zuständigen Dezernats werden 1800 benötigte Wohnungen bis Ende 2017 genannt, bis 2025 sollen es bereits 8000 Wohnungen sein, die zusätzlich in Kiel gebraucht werden. Als Begründung für diese Zahlen müssen die gestiegenen Zahlen von Geflüchteten, in Kiel waren es 3000 Menschen im Jahr 2015, und der Anstieg der Studierendenzahl herhalten. Der im März 2015 vom Oberbürgermeister vorgestellte "Masterplan Wohnen" wird als Grundlage gesehen, um jährlich 800 neue Wohnungen zu bauen. Mit über 1.000 Wohnungen im Jahr 2015 wurde dieses Ziel übertroffen. Das es also funktioniert, wenn eine Stadt Wohnungen bauen will, wurde erkannt. Dies wurde wohl als Ermunterung für weitere Initiativen im Rathaus zum Plan "Wohnen in Kiel" gesehen.
DIE LINKE Fraktion hatte zur Ratsversammlung am 21.1. in Kiel einen Antrag "Integration durch dezentrales Wohnen" eingebracht, um über diese Frage zu beschließen. Sie übernahm dann eine später eingereichte Verwaltungsvorlage in ihren Antrag. Dieser wurde mit den Stimmen von DIE LINKE; SPD, Grüne und SSW angenommen.
In diesem Beschluss heißt es:
"Um dem steigenden Bedarf an Wohnraum zu begegnen, wird die Verwaltung beauftragt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um vermehrt auch auf städtischen Baugrundstücken insbesondere öffentlich geförderten Wohnraum (z.B. nach dem „Kieler Modell“) zu schaffen und sozial zu verwalten." Hingewiesen wird außerdem darauf, dass "private und gemeinnützige Wohnungsmarktakteure auf ein mögliches Investitionsinteresse angesprochen werden" können. Dieser Hinweis war der CDU nicht weit genug gefasst, sie wollte dem städtischen Bauen "keinen Blankoscheck" für eine mögliche spätere Wohnungsbaugesellschaft ausstellen, die FDP möchte erst die Rahmenbedingungen für private Investoren bessern, bevor die "Stadt als Bauherrin" auftritt.
Der Kieler Sozialdezernent Gerwin Stöcken (SPD) wird zwar das Gespräch mit der Wohnungswirtschaft suchen, erkennt dort jedoch "wenig Bereitschaft, sich in diesem Bereich zu engagieren." Zur Umsetzung des Beschlusses stellt er fest: "Wir lassen uns nicht vom Bauen preiswerter Wohnungen abhalten, nur weil andere damit noch zögern." Und auch dies wurde gesagt: "Wir haben keine Gewinnabsicht und wollen die Mieten so gering wie möglich halten. (max. Sieben Euro pro Quadratmeret)" Offen ist noch in welcher Gesellschaftsform der Bau erfolgen wird, jedoch soll bereits 2016 damit begonnen werden.
Mit diesem Beschluss des sozialen Wohnungsbaus kann endlich die Chance ergriffen werden, für alle Menschen der Stadt eine bezahlbare Wohnung zur Verfügung zu stellen. Denn mit der Begründung des Beschlusses wird unter dem Punkt "Wohnraum für alle" gesagt: "Auch wenn der Ausgangspunkt für den zusätzlich notwendigen Wohnraum die anhaltend hohe Zahl der Flüchtlinge ist, die Kiel aufzunehmen hat, wäre es eindimensional, den erforderlichen Wohnraum allein für diese Personengruppe zu planen. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die sozialen Herausforderungen in unserer Stadt ebenfalls angepassten Wohnraum erfordern."
Der Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE im Kieler Rat erklärte vor der Sitzung des Rates: "Mit der Beschlussvorlage stößt die Verwaltung eine Tür auf, die in den letzten 16 Jahren, nach dem Verkauf der KWG, aus ideologischen Gründen wie vernagelt schien.“ In Kiel scheint damit ein erster Schritt gegangen zu werden, dem Wunsch der hier ankommenden Geflüchteten nach lebenswerten Wohnraum zu verbinden mit der Erfüllung der Forderung von vielen seit Jahren in Kiel lebenden Menschen nach bezahlbaren Wohnungen. Dem gegenseitigen Ausspielen verschiedener Gruppen mit gleichen Interessen wurde so von Beginn entgegengetreten (die des Klientels von CDU und FDP werden allerdings hier bewusst vernachlässigt).
Mit dem Beschluss ist der Anfang gemacht, jedoch sollte die Umsetzung nicht nur von den Ratsmitgliedern verfolgt werden. Hier kann die Bevölkerung eine wichtige, auch kritische, Begleitung sein. Das gemeinsame Herangehen der Ratsmehrheit mit DIE LINKE Fraktion kann beispielgebend sein für andere, auch in Kiel notwendige, Projekte. Unverzichtbar ist dazu aber weiterhin der außerparlamentarische Druck aus Bewegungen und Initiativen. Dabei kommt es darauf an "die Bedürfnisse der Flüchtlinge und der schon hier Lebenden zu einem gemeinsamen Anliegen zu bündeln, die verschiedenen Bewegungen zu verbinden und gemeinsam für Umverteilung, bezahlbaren Wohnraum für Alle, Investitionen in kommunale Infrastruktur, Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, (…) zu kämpfen. Ansonsten wächst die Gefahr, dass die extreme Rechte an Einfluss gewinnt, weil sie existierende Probleme und Ängste der Bevölkerung, die durch die staatliche Politik befördert werden, instrumentalisieren kann." (aus: Die Linken müssen die Mehrheitsfrage stellen, isw-Heft 103) Damit Kiel zu einer sozialen Stadt für alle Menschen die hier leben wird, braucht es nach wie vor die Entwicklung gemeinsamer Forderungen.
(Bettina Jürgensen)