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Diskussionstreffen:
Für ein Deserteursdenkmal bzw. Antikriegsdenkmal in Kiel
Außer dem Revolutionsdenkmal im Ratsdienergarten gibt es bisher kein Antikriegsdenkmal in Kiel.
01. Januar 2017 2018 ist der 100. Jahrestag der Novemberrevolution, die in Kiel ihren Anfang nahm. Durch das massenhafte und gemeinsame Handeln gelang es den ArbeiterInnen und Soldaten 1918 die bestehende Macht zu brechen. Durch Befehlsverweigerung, dem Fernbleiben von der Truppe, der Arbeitsniederlegung und gemeinsamen Demonstrationen stürzte die Arbeiterklasse die Monarchie. Zu den Erfolgen der Kämpfe von 1918 gehören die Beendigung des 1. WKs, die Einführung des Frauen- und Allgemeinen Wahlrechts, der 8-Stunden-Tag, das Betriebsrätegesetz, Versammlungs- u. Pressefreiheit.
Weitergehende revolutionäre Umwälzungen allerdings waren in den kommenden Jahren blutig umkämpft, konnten aber gegen einen Großteil der Sozialdemokratie und gegen die alten Machtstrukturen nicht durchgesetzt werden. So blieb das Fürstenvermögen unangetastet, es fand keine Aufteilung oder Enteignung von Großgrundbesitz statt, kein Betrieb wurde von gesellschaftlicher Hand übernommen (die Rüstungsindustriellen und Zechenbesitzer behielten ihre Betriebe) und keine Bank wurde verstaatlicht.
Wir sehen es als wichtig für die Linke an, zum einen an die revolutionären Kämpfe und Erfolge zu erinnern, zum anderen die unerfüllten Hoffnungen, Forderungen und Ziele der Revolutionäre wach zu halten, um daran im heute anzuknüpfen. Dabei spielt die Form der Erinnerung eine bedeutende Rolle, denn sie transportiert ins heute die Bedeutung der damaligen Ereignisse. Die Erinnerungskultur Kiels (und seiner Umgebung) ist geprägt von weithin sichtbaren und deutlich kriegsverherrlichenden Denkmälern (z. B. U-Boot-Ehrenmal Möltenort, Marine-Ehrenmal Laboe, Seesoldatendenkmal an der Kiellinie, das Denkmal zur Erinnerung an den deutsch-französichen Krieg im Schlossgarten) sowie von Skulpturen von preußischen reaktionären Persönlichkeiten wie Bismarck im Hiroshimapark und Kaiser Wilhelm I. im Schlossgarten. Positive Bezüge zur Novemberevolution sind zwar in Kiel zu finden wie zum Beispiel beim Wandgemälde „Krieg und Revolution“ am Iltisbunker in Gaarden, dem Revolutionsdenkmal „Wik“ im Ratsdienergarten oder jenen Tafeln in der Stadt, die an die revolutionären Ereignisse erinnern wie am Platz der Kieler Matrosen vor dem Hauptbahnhof. Gegenüber den kriegsverherrlichenden Denkmälern sind sie jedoch im Stadtbild deutlich weniger präsent.
Die Stadt Kiel wird bis zum Jahr 2018 (und folgende) unterschiedlichste Veranstaltungen und Aktionen rund um den „Matrosenaufstand“ (unter diesem Arbeitstitel fungiert der offizielle Vorbereitungskreis) von 1918 durchführen. Es ist zu erwarten, daß das offizielle Programm die Revolutionsbestrebungen und die damit verknüpften Utopien mit der Einführung der Weimarer Republik ad acta legen wird. Wir wollen dagegen auch die Erinnerung an die unerfüllten Ziele wachhalten und auf die heutigen Widersprüche hinweisen, die eine tiefgreifende Veränderung auch heute nötig machen: Kiel als Marinestandort der Bundeswehr: Die Marine ist wieder weltweit im Einsatz zur Absicherung des freien Welthandels (was unter den derzeitigen Machtverhältnissen die militärische Absicherung des Profites von wenigen und Elend für viele bedeutet); die Marine ist im Mittelmeer unterwegs um die europäischen Außengrenzen dicht zu machen und so mitverantwortlich für die tausenden von Menschen, die auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrinken. Der Hafen Kiel ist ein bedeutender Umschlagplatz bei der Verschiffung von NATO-Kriegsgeräten in Richtung der östlichen Ostsee. Die Kieler Rüstungsbetriebe verdienen prächtig bei dem Geschäft mit Krieg und Mord in aller Welt. Eine Umwandlung der Rüstungsindustrie und die sofortige Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr sind die alten Forderungen auch heute noch.
Nach unseren bisherigen Diskussionen ergaben sich folgende offene Fragen:
•Ist ein Deserteursdenkmal der richtige Ansatz?
•Die größte und konsequenteste Deserteursgruppe des zweiten WKs waren Zeugen Jehovas (ohne dadurch notwendig Antifaschisten gewesen zu sein). Ein wesentlicher Anteil Desertierender verließ die Armee wegen der Liebe. Die singuläre Tat des desertierens sagt nichts über die Haltung, die dahintersteht aus. Nicht jeder Deserteur stand politisch links oder war Antifaschist.
•Militärgerichte/das deutsche Militärgericht in WKII unterscheiden zwischen „unerlaubtem Fernbleiben von der Truppe“, „Fahnenflucht“ und „Wehrkraftzersetzung“ – ist das für das Denkmal von Belang?
•Ist das Erreichen eines konkreten Denkmals das Ziel unserer Kampagne?
•Oder ist das Ziel der Kampagne das Wachhalten der Utopie und der Eingriff in die bestehende Erinnerungskultur?
•Soll das Gedenken eher personalisiert werden oder der Tat an sich gedacht werden?
•Welche Bedeutung haben Denkmalsverhüllungen, ergänzende Tafeln an bestehenden Denkmälern oder Denkmalsaktionen vor Rüstungsbetrieben oder am Marinestandort?
•Z.B. ein Antikriegsdenkmal als Pendant zum Denkmal dt./frz. Krieg gegenüber im Schlossgarten errichten (Anknüpfung an Novemberrevolution, WKII, Wiederbewaffnung und aktuelle Kriegseinsätze der Bundeswehr)
•Was leisten die Deserteursdenkmäler in Flensburg und Hamburg?
•Welchen Weg sind die dortigen Kampagnen gegangen?
Wir laden euch hiermit ein, euch an der Diskussion zu beteiligen und ggf. mit uns eine Initiative zu starten für ein Antikriegsdenkmal/Deserteursdenkmal in Kiel bzw. eine entsprechende Antikriegskampagne. Diskussionstreffen: Do, 19.1.17, 19.00 Uhr, Hansastr. 48, Infoladen (IL Kiel)