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Jahrestag der Katastrophe von Fukushima:

Erfolgreiches Aktionswochenende gegen Atomkraft

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01. April 2017 Auch sechs Jahre nach der schrecklichen Atomkatastrophe von Fukushima stellen Atomanlagen weltweit weiterhin ein ernstzunehmendes Risiko dar und die Situation in der japanischen Präfektur Fukushima ist nach wie vor katastrophal. Aus diesem Grund beteiligten sich am offiziellen Jahrestag der Katastrophe, dem 11.03.2017, zahlreiche Menschen in 90 deutschen Städten an Demonstrationen und Mahnwachen. Auch in Kiel gingen Atomkraftgegnerinnen und -gegner auf die Straße. Bereits einen Tag zuvor wurde das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein erfolgreich blockiert - und die Aktivistinnen und Aktivisten mit dem Ernstfall konfrontiert. 

Schon aus der Ferne war das hell beleuchtete Atomkraftwerk Brokdorf an diesem Morgen gut zu erkennen. Eine Kolonne von Autos näherte sich den beiden Toren des Kraftwerks, Personen stiegen aus und plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Tripod wurde aufgebaut, Menschen ketteten sich mit einem Arm an selbstgebaute Atommüllfässer und verschiedene Transparente wurden aufgehängt. Um Punkt 5 Uhr stand die Blockade an beiden Werkstoren. Alles verlief reibungslos. Erst einige Minuten später näherte sich das Sicherheitspersonal. Mühelos hätten die Aktivistinnen und Aktivisten auf das Gelände gelangen können. Hier wurden die erheblichen Sicherheitsmängel von Atomanlagen erneut deutlich.

Schon bald rückten die ersten Angestellten zur Frühschicht an und auch die Polizei ließ nicht lange auf sich warten. Mit dem Auto kam nun niemand mehr aufs bzw. vom Gelände weg. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kraftwerks durften die Blockade jederzeit passieren, begeistert waren sie davon aber gewiss nicht. Diese Menschen glauben nämlich wirklich an das Märchen vom sauberen Atomstrom ohne Sicherheitsmängel und sonstige Probleme für nachfolgende Generationen. Man würde schließlich auch nur seinen Job machen.

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Die Polizei zeigte sich zunächst aufgesetzt freundlich, ließ die Blockade gewähren und auch die Presse zeigte vor Ort Interesse an der Aktion. Und selbst die Kraftwerksleitung ließ sich vor dem Werkstor blicken. Mit einem derartigen Protest hatte man nämlich ganz gewiss nicht gerechnet - und war obendrein auch noch überhaupt nicht auf eine solche Situation vorbereitet.

Dann kam es zu einem Zwischenfall, vor dem AKW-Gegnerinnen und -Gegner schon seit Jahrzehnten gewarnt haben: Plötzlich ertönte die Sirene des Atomkraftwerks, die Werksfeuerwehr wurde gerufen und die Angestellten sammelten sich auf dem Gelände. Diese wurden anschließend von der Polizei in die rund zwei Kilometer entfernte Eissporthalle gebracht - angeblich "in Sicherheit". Wie naiv muss man eigentlich sein, wenn man glaubt, im Falle eines Super-GAUs in einem zwei Kilometer entfernten Gebäude ausreichend geschützt zu sein? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von PreussenElektra (vormals E.ON Kernkraft GmbH) scheinen das aber wirklich zu glauben.

Aber was war nun passiert? Zunächst hatte auch die Polizei keinerlei konkrete Informationen, ehe sich herausstellte, dass der Funkkontakt zu einem Flugzeug vom Typ Boeing 787, auf dem Weg von Ungarn über Deutschland und Belgien nach London, abgebrochen war. Über dem deutschen Hoheitsgebiet übernahmen Eurofighter die Begleitung. Was aber hätte im Ernstfall, also bei einem Terrorangriff, geschehen können? Hätte ein solcher Angriff verhindert werden können?

Fragen über Fragen, die sich offensichtlich kaum jemand zuvor gestellt hatte. Als nun ein Teil der Belegschaft weggebracht wurde (der restliche Teil verblieb im Atomkraftwerk), rückten zusätzliche Einsatzkräfte der Polizei an. Urplötzlich wollte die Polizei um jeden Preis die Blockade auflösen, weil die Gefahr für alle beteiligten Personen angeblich zu groß gewesen sei. Ganz offensichtlich waren auch die Polizistinnen und Polizisten mit diesem Ernstfall völlig überfordert, da sie anscheinend überhaupt nicht auf derartige Katastrophenszenarien vorbereitet sind. Sie wollten sich selbst in Sicherheit bringen, obwohl die Aktivistinnen und Aktivisten mehrmals zu verstehen gaben, dass es keinen wirklichen Unterschied macht, ob man sich während einer atomaren Katastrophe unmittelbar beim Atomkraftwerk oder einige Kilometer davon entfernt befindet. Die austretende Strahlung würde ganz Schleswig-Holstein und Teile Niedersachsens für eine unvorstellbare Zeit unbewohnbar machen. Bereits 2015 hatte Greenpeace Klage auf Stilllegung wegen fehlendem Terrorschutz im AKW Brokdorf gestellt.

Erfreulicherweise war es am Ende "nur" der abgebrochene, fehlende Funkkontakt. Aber wer kann wirklich garantieren, dass sich ein solches Szenario nicht erneut wiederholt und hiervon keinerlei Gefahr ausgeht? Niemand kann das. Auch deutsche Atomkraftwerke, vermeintlich als die sichersten Kraftwerke der Welt präsentiert, können keine hundertprozentige Sicherheit garantieren. Alles andere wäre eine unverfrorene Lüge. Die Polizei teilte vor Ort jedoch mit, dass ein solches Kraftwerk einen Flugzeugabsturz aushalten würde. Beweise lieferte sie für diese fahrlässige Aussage natürlich nicht.

Mit der Blockade, die am Nachmittag ihr Ende fand, forderten die Aktivistinnen und Aktivisten von Robin Wood, Contratom und der BI Kiel gegen Atomanlagen anlässlich des Fukushima-Jahrestages die sofortige Schließung aller Atomanlagen weltweit. In den letzten Wochen war während der Revision des AKW Brokdorf herausgekommen, dass die Brennelemente außergewöhnlich starke Oxidschichten gebildet hatten. Daran wird wieder einmal deutlich, dass niemand die Prozesse im Reaktor auch nur ansatzweise nachvollziehen kann – auch vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, die Abschaltung des von PreussenElektra betriebenen Kraftwerks auf 2021 zu datieren. Vom täglichen anfallenden Atommüll, für den es weiterhin kein sicheres Endlager gibt, mal ganz abgesehen.

Kieler Schweigemarsch in Gedenken an die Katastrophe von Fukushima

Einen Tag später, am offiziellen Jahrestag der Katastrophe, dem 11.03.2017, beteiligten sich in Kiel rund 45 Menschen an einem Schweigemarsch in Gedenken an die Opfer dieses Atomunglücks sowie die noch immer vorherrschenden Probleme in der japanischen Region rund um das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Organisiert wurde der Schweigemarsch mit Mahnwache am Kieler Hauptbahnhof von der BI Kiel gegen Atomanlagen.

Trotz dramatischer Strahlenwerte leben in dieser Region wieder Menschen und die japanische Regierung versucht mit allen Mitteln den Eindruck zu erwecken, es sei alles völlig normal und harmlos. Keinerlei Bedenken, endlich soll dort Alltag einkehren.  Täglich werden Hunderte Tonnen Kühlwasser in die zerstörten Reaktoren geleitet, die anschließend auch ins Grundwasser gelangen und abgepumpt werden müssen, um einen Austritt ins Meer zu verhindern. Dieses Wasser wird dann in minderwertigen Tanks, die schon nach wenigen Jahren undicht werden können, auf riesigen Arealen gelagert, andere verstrahlte Materialien werden in einfachen schwarzen Müllsäcken in Wohngebieten und entlang der japanischen Küste gesammelt. Neben Platzproblemen sind Menschen tagtäglich einer unmittelbaren Strahlung ausgesetzt und ein Tsunami könnte die Müllsäcke mühelos ins Meer spülen. Dabei ist kaum absehbar, was das für Folgen hätte.

Und was machen Tepco, das Betreiberunternehmen des Atomkraftwerks, sowie die japanische Regierung? Mit allen Mitteln versuchen sie diese katastrophalen Zustände herunterzuspielen und zu vertuschen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass sich die direkten Kosten durch den Super-GAU von Fukushima auf schätzungsweise 180 Milliarden Euro summieren werden – also fast doppelt so teuer wie noch 2013 angenommen. Alle Zahlen sind nur vorläufig, indirekte Belastungen wie etwa gestiegene Gesundheitskosten sind in der Rechnung gar nicht erfasst. Die Regierung trägt diese Kosten durch Aufnahme weiterer Kredite, wobei schon heute klar ist, dass Tepco diese Gelder nie zurückzahlen wird und damit trotz jahrzehntelanger eingefahrener Profite aus der Verantwortung entlassen wird.

Die Liste der Probleme und Vertuschungen ist noch viel länger, als hier in aller Kürze darstellbar.

Und was passiert hierzulande? Acht Atomkraftwerke sind trotz mahnender Beispiele wie Fukushima oder Tschernobyl noch immer bis teils 2022 am Netz – und womöglich noch darüber hinaus. Regelmäßig finden Atomtransporte – unter anderem durch den Nord-Ostsee-Kanal – statt. Die Schiffe transportieren die gefährliche, radioaktive Fracht zwischen den Häfen St. Petersburg, Hamburg, Bremen, Antwerpen und dem Rest der Welt hin und her. Start- und Zielpunkte in der Bundesrepublik sind zum Beispiel die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen. Auch nach dem sogenannten Atomausstieg haben diese Anlagen eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Die Transporte werden also weiter fahren.

Auch der fahrlässig organisierte Rückbau bereits abgeschalteter Atomanlagen sowie die Lagerung der sogenannten freigemessenen strahlenden Abfälle auf Hausmülldeponien sind schon heute ein großes Thema und werden uns in den nächsten Jahrzehnten noch vor viele weitere Probleme stellen.          

(to)

 

 

   

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