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Klimawandel:
Die Zeit läuft ab
Der Hurrikan „Ophelia“ auf dem Satellitenbild am 15.10.2017, 01.00 Uhr (www.dmi.dk)
01. November 2017 In Bonn tagt vom 6. bis zum 17. November 2017 die diesjährige UN-Klimakonferenz. Einlader ist der Pazifik-Staat, der die Konferenz aber am Sitz der UN-Klimaschutzrahmenkonvention abhalten lässt. Auf dem Programm der sich endlos nun bereits im dritten Jahrzehnt dahinziehenden Gespräche steht die Umsetzung der Pariser Klimaschutzvereinbarung, jenes denkbar unverbindlichen Mini-Vertrages, der vor allem aus Selbstverpflichtungen der Staaten besteht.
Doch die Zeit drängt. Die globale Durchschnittstemperatur liegt bereits rund ein Grad Celsius über dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung und extreme Wetterereignisse beginnen sich zu mehren. Im Oktober nahm zum Beispiel mit „Ophelia“ erstmals ein Kategorie-3-Hurrikan auf das europäische Festland zu und bescherte Irland den heftigsten Orkan seit rund 50 Jahren. Da hatte er sich über dem relativ kalten Wasser allerdings schon abgeschwächt. Wäre er wie zunächst befürchtet, bereits in Portugal auf Land gestoßen, wären die Verwüstungen noch wesentlich größer gewesen. Auch so war der Sturm für die Iberische Halbinsel verheerend. An seiner Vorderseite sorgt er für trocken-heiße Winde, die in Portugal und Spanien zahlreiche Waldbrände anfachten, die mindestens 30 Menschen das Leben kosteten. Wie oft bei verheerenden Naturkatastrophen – seien sie nun natürlichen Ursprungs oder Folge des Klimawandels – gingen Extrembedingungen, mangelhafte Vorbereitung der staatlichen Institutionen und menschliche Unverantwortlichkeit mal wieder eine tödliche Mischung ein. In diesem Falle spielten neben den Winden Brandstiftung und ein schlecht vorbereiteter Katastrophenschutz eine Rolle. Die Deutsche Bahn hatte erst Anfang Oktober gezeigt, wie schon ein nicht ganz so ungewöhnlicher Orkan wie „Xavier“ in Verbindung mit vernachlässigter Infrastruktur den Eisenbahnverkehr ganzer Regionen für Tage zum Erliegen bringen kann.
Und wie schon im Kleinen der Wille zur angemessenen Vorsorge fehlt, so ist sie auch im Großen ein rares Gut. Dabei ist es nicht so, dass es am Klimawandel irgend einen ernsthaften Zweifel geben könnte. Die Mechanismen sind im Groben bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Die ersten Warnungen gab es bereits in den 1960er Jahren, der ersten entsprechenden Stellungnahmen wissenschaftlicher Organisationen stammen aus den 1970er Jahren. Auch das von selbsternannten Skeptikern gern verwendete Argument, das Klima habe sich schon immer gewandelt, spricht letztlich nicht gegen sondern eher für Vorsicht und Vorsorge. Gerade die Kenntnis der Ursachen historischer und vor allem prähistorischer Klimaveränderungen und deren Verlauf, gibt den Klimawissenschaftlern die Gewissheit über die Auswirkungen der Treibhausgase und die potenziell verheerenden Folgen. Die menschliche Zivilisation hat sich nämlich in den letzten zehntausend Jahren in einer ungewöhnlichen Phase klimatischer Stabilität entwickelt, dessen Rahmen zu verlassen wir derzeit mit den vor allem durch die Verbrennung von Kohle und Erdölprodukten verursachten Eingriffen ins Klimasystem im Begriff sind.
Die notwendigen Gegenmaßnahmen sind fast eben so lange bekannt und seit inzwischen mehreren Jahrzehnten überfällig, aber die Interessen großer Konzerne stehen ihnen entgegen. In den USA laufen derzeit zum Beispiel gegen den Ölkonzern Exxon in verschiedenen Bundesstaaten Ermittlungen, weil interne Papiere beweisen, dass der Konzern einerseits bereits seit den 1980ern Jahren von den Gefahren des Klimawandels weiß und diese in seine Planungen einbezieht, aber andererseits etliche Millionen für Desinformationskampagnen ausgegeben hat, die Zweifel säen und eine Klimaschutzpolitik verhindern sollten. Natürlich stand der Ölmulti damit nicht alleine. Andere Unternehmen verfolgten eine ähnliche Politik, nicht nur in den USA. Hierzulande engagierte sich entsprechend vor allem der Verband der Braunkohleindustrie und ein Teil der Springer-Presse. Andere Branchen hielten sich in der Öffentlichkeit eher zurück und betrieben ihre Obstruktion im Verborgenen. Wie etwa die Automobilindustrie, die lange mit – nicht eingehaltenen – Selbstverpflichtungen lockte, die den Bundesregierungen als Argument galten, in Brüssel verbindliche Emissionsnormen hinauszuzögern. Als diese schließlich kamen, mogelte man die Verbrauchs- und Emissionswerte mit Betrugs-Software herunter.
Im Ergebnis wird Deutschland das einst von der Regierung Merkel-Gabriel 2007 gesetzte Ziel, seine Emissionen bis 2020 auf 60 Prozent des Niveaus von 1990 zu drücken, nicht erreichen. Trotz eines zügigen Ausbaus der Windenergie – der allerdings ab dem nächsten Jahr aufgrund des neuen Zwangs zur Ausschreibung stocken könnte – sind die Emissionen der Kohlekraftwerke kaum zurückgegangen. Der Grund: Billiger deutscher Kohlestrom wird in immer größeren Umfang exportiert und drückt zum Beispiel in den Niederlanden die weniger schädlichen Gaskraftwerke an die Wand. Die Emissionen des Autoverkehrs nehmen sogar wieder zu und und machen derzeit wieder fast ein Fünftel des Problems aus. Insgesamt befinden sich die deutschen Emissionen derzeit bei gut 72 Prozent des Niveaus von 1990 und weder die Unionsparteien noch die FDP – die schon gar nicht – lassen erkennen, dass sie zu den notwendigen einschneidenden Maßnahmen bereit sind. So stehen uns denn mit der neuen Koalition weitere vier Jahre des Stillstands bevor, während die Zeit immer knapper wird. Bis Mitte der 2030er Jahre müssten die deutschen Emissionen eigentlich auf Null runter gefahren sein, sollte noch eine Aussicht darauf bestehen, den Klimawandel auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken, wie es in Paris als Ziel vereinbart wurde. Und eigentlich ist eine Erwärmung über 1,5 Grad Celsius schon viel zu riskant, insbesondere für die künftigen Bewohner der Küstenregionen.
Es gibt also gute Gründe, sich Anfang November an der Demonstration in Bonn (4.11.2017), an den Aktionen von Ende Gelände gegen die Braunkohle (5.11.2017) und am Gegengipfel der NGOs und Umweltbewegung (3. bis 7.11.2017) aus aller Welt zu beteiligen.
Und dieser Kampf für die Eindämmung des Klimawandels und für einen gerechten Umgang mit seinen Folgen, also für die entsprechenden Transferzahlungen u.a. aus Deutschland für den anderswo angerichtet Schaden, um den es dabei gehen wird, ist zugleich auch einer gegen die Borniertheit und Gier der Neoliberalen, die den Hals nicht voll genug kriegen können und immer mehr gesellschaftlichen Reichtum nach oben umverteilen wollen, die noch in letzter Sekunde Geschäfte mit Öl, Kohle und Autos machen wollen und die die öffentlichen Unternehmen und Kassen plündern, sodass die notwendige Vorsorge nicht getroffen werden kann.
Und es ist ein Kampf gegen den sich ausbreitenden Wohlstandrassismus, der sich an den tödlichen Grenzen der EU und im Wahlerfolg der AfD manifestiert, einer Partei, die neben militantem Rassismus und Aufrüstung auch die Verteidigung von Kohlekraftwerken und Diesel-PKW, die Verlängerung der AKW-Laufzeiten und die Leugnung der Luftverschmutzung durch Stickoxide und des Klimawandels zum Programm erhoben hat.
(wop)