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Energiewende in Gefahr
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche – bis 2024 noch Vorstand der E.on-Tochter Westenergie – will die Axt an die Energiewende legen und lieber, wie berichtet, neue Gaskraftwerke bauen. Anlagen mit 20 Gigawatt Leistung stehen auf der Wunschliste ihrer Auftraggeber. Die ersten Neubauten sollen noch dieses Jahr ausgeschrieben werden. Die EU-Kommission wird vermutlich grünes Licht für die Subventionen geben, ohne die diese nicht betrieben werden können. „Verlässliche Grundlastkraftwerke müssen als Rückgrat der Versorgung neu aufgebaut werden“, verkündete Reiche Mitte September. Die bisherigen festen Einspeisevergütungen will sie streichen und eine Pflicht zur Selbstvermarktung für Anlagenbetreiber einführen. Der Ausbau der Offshore-Windparks soll verlangsamt und der Industriestrom noch stärker als bisher subventioniert werden. Gleichzeitig soll CCS, das Einfangen von CO2 aus Abgasen und dessen Einlagerung im Untergrund, als „Klimaschutztechnologie“ etabliert werden.
In der Windbranche sorgt die Ministerin damit für große Verunsicherung. Bei nur noch 59 Prozent der Hersteller herrscht Zuversicht, hat eine kürzlich durchgeführte Umfrage der IG Metall Küste ergeben. Entsprechend hagelt es harsche Kritik von den Metallern. Gut möglich allerdings, dass der Unmut schon bald ins eher standortnationalistische Fahrwasser umgelenkt wird, wie es einst vor mehr als zehn Jahren in der inzwischen mausetoten Solarindustrie der Fall war. Seinerzeit hatte eine schwarz-gelbe Bundesregierung den hiesigen Herstellern den Heimatmarkt ausgerechnet in einer Zeit abgewürgt, in der sie ohnehin mehr und mehr, hinter die chinesische Konkurrenz zurückfielen. Auf der Mitte September in Husum abgehaltenen internationalen Windmesse konnten nämlich chinesische Hersteller erstmalig einige Aufträge an Land ziehen. Ein Durchbruch für eine Industrie, die in der Zahl neuer Entwicklungen und Patente längst die europäische Konkurrenz weit hinter sich gelassen hat.
Allerdings haben Linke keinen Grund, sich auf derart standortbezogene Betrachtungen einzulassen. Wichtig wäre es vielmehr, die Marktförmigkeit der Stromproduktion und -verteilung infrage zu stellen. Denn diese dient vor allem den großen Akteuren, entmachtet kommunale Instanzen, führt zu zentralistischen Strukturen des Netzes und der Versorgung und spült Gewinne in private Kassen, die besser vor Ort in den Kommunen aufgehoben wären. Zudem geht sie auch noch in ihrer jetzigen Form mit dem Bau neuer Gaskraftwerke mit Abhängigkeiten von klimaschädlichen Gas-Importen einher. (wop)