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chefduzen.de:
Wir sind kein Internetprojekt.
Wir wollen die Ausgebeuteten organisieren!
Das Projekt wurde 2002 aus der Taufe gehoben. Es war ein Versuch, jenseits linker Kampagnenpolitik Kämpfe zu entwickeln. Wir wollten Leute anhand der Sozialen Frage zusammenbringen und wollten es mit einem Stammtisch der Ausgebeuteten versuchen. Eine Möglichkeit für Menschen mit und ohne Arbeit sich zu treffen und auszutauschen über Probleme beim Job, bei Behörden oder Streß mit dem Vermieter. Ein Ort, an dem Gleichgesinnte findet, die sich mit dem Blues eines Lebens mit Armut oder Schulden herumschlagen.
Wir wollten keine Beratungsrunde organisieren, sondern einen Treff für den Austausch und um sich gemeinsam zu wehren. Es war zufällig die Zeit, in der das Internet gerade populär wurde. Also boten wir auch einen Stammtisch im Internet an, bei dem es um die gleiche Thematik gehen sollte. Im Internet wurde chefduzen.de erst richtig bekannt, als wir von einem Münchner Leiharbeitsunternehmen abgemahnt worden sind. Wir sollten die Infos über die Machenschaften des Sklavenhänders löschen, was wir nicht einsahen. Danach kam ein Schreiben von einem Bayrischen Gericht, das mit einem sechsstelligen Zwangsgeld oder einer mehrmonatigen Haftstrafe drohte, wenn wir der Löschungsaufforderung nicht nachkämen. Dadurch wurden wir bekannt und die Mainstreammedien berichteten über das Forum der Ausgebeuteten. Das Wirtschaftsmagazin Handelsblatt warnte Unternehmen, uns allzu ruppig anzugreifen, das könne zum Boomerang werden und sich negativ auf den Ruf des Unternehmens auswirken. In der SOLI-Aktuell, dem Magazin der DGB Jugend wurde chefduzen „Web-Tipp-des Monats“.

Bild: chefduzen beim Wilden Streik in Gräfenhausen
Nicht nur im digitalen Raum, sondern auch offline
Es stellte sich heraus, dass wir den größten Zulauf von prekären Beschäftigten erhielten, die sich nirgendwo vertreten fühlten und keine Unterstützung von den Gewerkschaften erfuhren. Wir haben versucht, diese Bereiche gezielt zu unterstützen. Wir halfen, Kollegenzeitungen zu produzieren. „Die Leihkeule“ für Leiharbeiter, „Die Quote“ für Call Center Beschäftigte und „Kilometerfresser TV“ ist ein Videokanal, um Berufskraftfahrer zu unterstützen. Gleichzeitig ging es weiter mit der Abmahnerei. Die juristische Auseinandersetzung mit dem Milliardär und Schlachthof Magnaten Tönnies kostete uns eine Stange Geld und ohne die Unterstützung der Roten Hilfe hätten wir das juristische Dauerfeuer nicht überstanden.
Inzwischen gab es solche Stammtische der Ausgebeuteten in anderen Städten. Das Internet war für uns stets hilfreich, um Kontakte zu knüpfen und über Probleme oder Kämpfe erfahren, aber auch um Informationen zu verbreiten. Wir haben aber nie die Interneteuphorie geteilt. Wir haben zu spüren gekommen, dass das Internet keineswegs so frei und auch nicht „unser“ unkontrollierter Raum des Austauschs ist, wie einige immer noch glauben. Als Google an seinen Algorithmen herumschraubte, blieb etwa 50% unseres Traffics auf der Strecke. Wenn es inzwischen in den Statistiken so aussieht, als seien wir bei den alten Nutzerzahlen wieder angekommen, täuscht es. Das Forum wird von zahlreichen Bots heimgesucht, die für KI Projekte Daten sammeln.
Wir nutzen das Netz weiter so gut es geht, ohne die Macht der Techkonzerne zu ignorieren. Wir sind schon interessiert daran, möglichst viele zu erreichen, doch machen wir nicht jeden digitalen Trend mit. Es gibt zwar chefduzen auf „X“, ehemals Twitter und bei Bluesky sind wir auch unterwegs, doch können und wollen uns nicht für tiktok begeistern und ziehen es vor uns mit Menschen zu treffen und auch Veranstaltungen zu organisieren.
Wir organisierten einen speziellen Stammtisch Beschäftigter der Postdienste. Es waren DHL-Beschäftigte, auch ein Vertrauensmann und ein Zusteller des Billiganbieters Nordbrief. Diese Runde wurde von ver.di als störende Konkurrenz angesehen und es kam ein größerer Trupp von Verdileuten zu unserem Stammtisch. Die DHL-Beschäftigten sahen in dem Besuch der Verdifunktionäre eine Bedrohung. Für sie fühlte es sich an, als sei das Management vorbeigekommen und sie fürchteten um ihre Jobs und kamen nicht mehr zu dem Treffen. Wir gehen dahin, wo Menschen sich wehren. So dokumentierten wir mit zwei YouTube-Beiträgen einen Streik an den Kieler Unikliniken und interviewten Gewerkschafter der Gewerkschaft der Servicekräfte GDS, die wegen einer großen Unzufriedenheit mit ver.di gegründet worden ist. Wir reagierten auf den schweren Baustellenunfall an der Hamburger Hafencity und organisierten eine Mahnwache für die 5 zu Tode gekommenen albanischen Bauarbeiter.
Zur Eröffnung des Westfield Shoppingcenters waren wir erneut am Ort des Geschehens, um gemeinsam mit der IG Bau an die Opfer der schlecht gesicherten Bauarbeiten zu erinnern. Wir sind auch weit gereist, um die Wild Streikenden migrantischen LKW Fahrer in Gräfenhausen bei Frankfurt zu besuchen. Ein aktuelles Projekt von uns ist das Fehmarn Belt Tunnelprojekt, das ein wenig aus dem öffentlichen Fokus geraten ist. Wir haben Kontakt zu den zuständigen dänischen Gewerkschaften aufgenommen und die dänische Seite der Baustelle besucht, auf der es 2022 einen Wilden Streik der Migrantischen Arbeiter gegeben hat. Wir haben vor kurzem eine Veranstaltung zur Geschichte und der momentanen Situation des auch „Stuttgart 21 des Nordens“ genannten Großprojekts im Stadtteilladen Anni Wadle durchgeführt.

Bild: NDR Journalist zeigt auf chefduzen-Transparent
„Allein machen sie dich ein!“
(Ton Steine Scherben)
Wir laden zu unserem Stammtisch in der Bambule in Kiel-Gaarden ein, der jeden ersten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr stattfindet.
Und wir weisen auch darauf hin, dass es einen Tag vorher einen Stammtisch zum Thema Arbeit in der Kita am selben Ort gibt, der von Beschäftigten aus der Branche organisiert wird.
Das gute, alte Internetforum hat viele Qualitäten, die den gerade angesagten kurzlebigen Social Media fehlen. Man kann Diskussionsstränge über die Jahre zurückverfolgen. Es gibt mehrere Tausend Themenstränge mit knapp 400.000 Beitragen. Da gibt es ordentlich was zu schmökern. Noch besser, wenn ihr euch anmeldet und eigene Beiträge schreibt. Sie werden viele Leser finden.

