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Merz-Zitate
Das Stadtbild-Zitat von Bundeskanzler Friedrich Merz im Oktober sorgte zu Recht für bundesweite Proteste. Nun hat er noch eins draufgesetzt. Auf dem CSU-Parteitag am 13. Dezember 2025 bewegte er sich zunächst im Rahmen der alltäglichen, mittlerweile Brechreiz erzeugenden Leier: Putin verfolge wie Hitler das Ziel der Eroberung mehrerer Länder, um ein Imperium aufzubauen (natürlich, wie üblich, ohne Belege). Dann spielte er sich als Historiker auf. Es sei notwendig, das Jahr „1938 als historische Analogie“ heranzuziehen: „Und wenn die Ukraine fällt, dann hört er (Putin, d.V.) nicht auf. Und genauso wenig, wie 1938 das Sudetenland nicht gereicht hat. Putin hört nicht auf.“
Was ist das? Geschichtsvergessenheit? Hat er im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst, als der verbrecherische Angriffskrieg Nazi-Deutschlands mit 27 Millionen Opfern in der Sowjetunion durchgenommen wurde? Oder handelt es sich um eine bewusste Orwellsche Geschichtsklitterung? Reaktionen in der Öffentlichkeit auf dieses Zitat gibt es bisher kaum. Einzig der US-amerikanische Ökonom und Professor Jeffrey Sachs sprach von einem „eklatanten Missbrauch der Geschichte“.
Nun ist Geschichtsklitterung als Mittel der Kriegspropaganda im wiedervereinigten Deutschland nichts Neues. Wir erinnern uns, 1999 verglich der grüne Außenminister Joschka Fischer den Kosovo-Krieg mit Auschwitz, um Deutschlands Beteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jugoslawien zu rechtfertigen (Er wirbt mittlerweile für ein europäisches Atomwaffenarsenal, um Putin „abzuschrecken“). Aber dieses Zitat löste immerhin noch Kritik in seiner Partei und der Presse aus.
Erstaunlich dagegen, was sich der Kanzler im heutigen Deutschland unwidersprochen so alles erlauben kann. Kaum eine Reaktion folgte auf sein Zitat zum völkerrechtswidrigen Angriff Israels auf den Iran am 13. Juni dieses Jahres: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“
Das Töten hunderter Zivilisten ist also „Drecksarbeit“ für „uns“? Wen meint er damit? Sich und die Superreichen, für die seine Koalition Politik macht? Das illegale Töten von Unschuldigen als nützliche Drecksarbeit zu bezeichnen zeugt von einer Menschenverachtung, wie sie in den schlimmsten Zeiten in unserem Land herrschte.
Neben seiner Kriegsrhetorik („Wir sind nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden“, 29.9.25) kündigt Merz den kompletten Sozialkahlschlag an: „Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar“ (23.8.25). „Das Bürgergeld wird damit der Vergangenheit angehören“ (9.10.25). Gleichzeitig beschwichtigt er: „Es wird in Deutschland niemand obdachlos“ (10.10.25), was ein Beleg für seine völlige Verkennung der Realität ist, der er sich als Multimillionär ja auch nicht zu stellen braucht.
„Wenn selbst aus der SPD mittlerweile die Wortmeldungen kommen, man könnte sich ja vorstellen, den Renteneintritt nicht mehr an das Lebensalter zu binden, sondern an die geleisteten Beitragsmonate, dann sind das die ersten Hinweise darauf, dass wir auch mit der SPD vernünftig sprechen können“ (10.12.25). Ist der Öffentlichkeit eigentlich klar, was er da ankündigt? Wenn das realisiert würde, könnten sämtliche staatlichen Gymnasien und Universitäten dichtmachen. Wer will schon studieren, wenn er dafür mit 70 oder 80 noch arbeiten muss?
Aber nicht nur die Errungenschaften jahrzehntelanger sozialer Kämpfe wischt Merz mit einem Federstreich weg, auch die Umwelt muss dran glauben: „Die Zeiten des Verbrenner-Aus und Atomausstiegs (…) liegen hinter uns“ (13.12.25).
Auf der Klimakonferenz im brasilianischen Belém sorgte seine überheblichen Bemerkung, die mitgereisten Journalisten seien froh, bald wieder in Deutschland zu sein, einem der „schönsten Länder der Welt“ für heftige Proteste: Die brasilianische Öffentlichkeit bewertete sein Zitat als „unverschämt“, „arrogant“, „unhöflich“ und „rassistisch“. Aber jetzt halte ich lieber die Klappe, sonst gehöre ich bald zu den mehr als 140, die von deutschen Strafbehörden wegen „Beleidigung“ des Bundeskanzlers verfolgt und teilweise zu Geldstrafen, in einem Fall mit Gefährderansprache und Hausdurchsuchung, verurteilt wurden.
(bm)

